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Ausgesessen: 2001 gingen die Spreepark-Betreiber pleite. Seitdem ist nicht nur das Gestrüpp über den Rummel gewachsen, sondern auch der Schuldenberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin: Finanzamt stoppt Verfahren: Spreepark-Versteigerung vorerst geplatzt

Nach einem wilden Bieterduell zwischen dem Land und einem Investor lässt ein Finanzbeamter die Zwangsversteigerung plötzlich stoppen. Dadurch verliert Berlin erst einmal Geld, aber soll später umso mehr bekommen.

Die Zwangsversteigerung des Spreeparks im Plänterwald ist am Mittwoch gescheitert – so viel ist sicher. Doch die rund 100 Anwesenden im völlig überfüllten Saal 101 des Amtsgerichts Köpenick erlebten einen Krimi, bei dem noch ungewiss ist, wer die Guten sind und wer die Bösen.

Als die Rechtspflegerin um 10.29 Uhr die zunächst halbstündige „Bietzeit“ eröffnet, erhebt sich erst einmal nur Gemurmel im Saal. Auf den Zuhörerplätzen sind junge Leute, die über eine Bürgerstiftung dem Park neues Leben einhauchen wollen, aber bisher weder Konzept noch Geld haben. Außerdem einige ältere, die in der Bürgerinitiative „Pro Plänterwald“ seit Jahren darüber wachen, dass die Natur rund um das fast 30 Hektar große Gelände geschont wird. Immerhin liegt der Park mitten im Wald, einem Landschaftsschutzgebiet – was sich bei bisherigen Verkaufsversuchen als Nachteil für potenzielle Betreiber erwies, die möglichst groß bauen wollten. Wobei das Bezirksamt von vornherein nur die Wiederauferstehung des Freizeitparks genehmigen wollte, aber keine lukrative Zweckentfremdung beispielsweise für Wohnungen in allerbester Lage.

Formal wird ohnehin nicht das – nach wie vor landeseigene – Grundstück versteigert, sondern nur das noch bis 2061 laufende Erbbaurecht der früheren Betreiberin. Das Finanzamt Treptow-Köpenick hat die Zwangsversteigerung gegen sie wegen Steuerschulden beantragt, die sich inzwischen auf knapp 600 000 Euro summiert haben. Als das Gericht die ebenfalls ausstehende Forderung der Deutschen Bank verkündete – 10,2 Millionen Euro Schulden sowie darauf 22 Millionen Euro Zinsen –, hat das Publikum kurz gelacht. Ja ja, die Banken, dachten die Leute wohl.

Doch jetzt erleben sie, wie faustdick es auch die öffentliche Verwaltung hinter den Ohren hat: Eine Frau in weißer Bluse aus der letzten Reihe bietet 810 000 Euro. Sie vertritt die „Liegenschaftsfonds Berlin Projektgesellschaft“, eine Tochter des zur Finanzverwaltung gehörenden Berliner Immobilienvermarkters. Ihr Gebot entspricht dem halben Verkehrswert für die Erbbaupacht, den ein Gutachter auf 1,62 Millionen Euro beziffert hatte.

Nur die Zwangsversteigerung bietet die Chance, auf einen Schlag die gewaltigen Forderungen der Bank loszuwerden – eine möglicherweise reizvolle Aussicht für den Liegenschaftsfonds als Grundstückseigentümer, um sich für wenig Geld die freie Verfügung über das Areal zurückzuholen. Doch das Land bietet nicht allein, denn in der ersten Reihe sitzen vier Männer einer bisher unbekannten „SP Kultur und Freizeitpark GmbH“. Das erst Ende Juni ins Handelsregister eingetragene Unternehmen hat dieselbe Adresse und denselben Geschäftsführer wie die Kreuzberger Veranstaltungsagentur „Creative Talent“, die unter anderem ein ausverkauftes Konzert im Spreepark veranstaltet hat. Schnell ist die Millionengrenze geknackt, und nach einer halben Stunde sogar die von zwei Millionen Euro.

Die SP-Leute legen je 1000 Euro drauf, die Landesvertreterin erst 50 000, dann mal 40 000 und mal 20 000 Euro. Kleine private Schippe, große Landesschippe. Bis nach einer Stunde die Frau in der weißen Bluse sagt: „Kein weiteres Gebot.“ 2 481 000 Euro sind aufgerufen, geboten durch SP. Als sich niemand mehr meldet, erhebt der Vertreter des Finanzamts Einspruch, der bisher still am Katzentisch zwischen Richterbank und Bietern saß: Er beantragt die einstweilige Einstellung des Verfahrens. Das Gericht folgt ihm.

Warum lässt sich das Finanzamt dieses unerwartet hohe Gebot entgehen? Die Finanzverwaltung begründet die Taktik später damit, dass durch die eigenen Gebote zunächst ein Wunsch von Stadtentwicklungsverwaltung und Bezirk unterstützt werden sollte, die Hoheit über das Areal zu behalten. Aber bei den knapp 2,5 Millionen sei eine Grenze erreicht worden, von der an das Parlament mitreden müsse. Das könne nun abwägen, wie viel dem Land beim nächsten Termin der Zuschlag wert sei. Denn man müsse bedenken, dass zunächst zwar tatsächlich das Finanzamt seine Grundsteuerschulden endlich bekäme. Aber nach diesen 600 000 Euro wäre die Deutsche Bank mit ihren mehr als 30 Millionen an der Reihe – und erst danach, auf dem hoffnungslosen dritten Platz, wieder das Land mit seinem Anspruch aus dem Erbbaupachtvertrag. Der belaufe sich für die restliche Vertragslaufzeit auf stolze elf Millionen Euro, auf die das Land nach der Zwangsversteigerung keinen Anspruch mehr hätte. Darum gehe es – und nicht etwa um die Überrumpelung eines privaten Investors.

Die SP-Leute müssen trotzdem „erst einmal die Irritation verarbeiten“, sagt ihr Vertreter Marc Treichel. Man habe vor gut zwei Wochen das eigene Konzept für den Spreepark „an alle relevanten Stellen inklusive Klaus Wowereit“ geschickt und ansonsten bewusst die große Öffentlichkeit gemieden, um kein Bärenfell anzupreisen, dass man erst noch ersteigern musste. Dass einer von Ulrich Nußbaums Beamten den Bären in letzter Sekunde verscheuchen würde, hatten die Investoren nicht auf der Rechnung.

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