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Wahlkampf in Berlin 2023.

© IMAGO/Stefan Zeitz

Berlin-Wahlkampf im Zeitraffer: Spitzenkandidaten machen Termine ohne Ende

In Berlin läuft ein Wahlkampf unter erschwerten Bedingungen. Parteien und Kandidaten leiden unter Zeitmangel.

Kandidaten und Parteien müssen im aktuellen Wahlkampf nach Einschätzung des Berliner Wahlforschers Thorsten Faas mit erschwerten Bedingungen klarkommen. „Damit hatte nicht unbedingt jemand gerechnet, dass man noch einmal das volle Programm hochfahren muss“, sagte der Politikwissenschaftler, der an der Freien Universität lehrt, der Nachrichtenagentur dpa. Der Wahlkampf sei außerdem sehr kurz.

„Er hat in der Weihnachtszeit begonnen, und in Berlin stehen noch die Winterferien bevor.“ Und er finde in einer Zeit leerer Wahlkampfkassen statt. „Das wird dadurch kompensiert, dass gerade die Spitzenkandidatinnen und –kandidaten wahnsinnig umtriebig sind und Termine ohne Ende machen.“

Klau von Internet-Seiten und der „einsame Kai“

Die Parteien stehen unter Druck, das wirkt sich auch auf den Wahlkampf aus. „Es geht schon ordentlich zur Sache“, sagte Faas etwa mit Blick auf provokante Wahlplakate, Aktionen wie der CDU, die sich Domains von Internetseiten gesichert hat, die Grüne und FDP für ihren Wahlkampf nutzen wollten oder zu SPD-Chef Raed Saleh, der sich über den CDU-Spitzenkandidaten Wegner als „der einsame Kai“ lustig gemacht hat. „Es ist immer die Kunst, den schmalen Grat zu finden zwischen Zuspitzung und Polarisierung und der Gefahr zu überziehen“, sagte Faas in Bezug auf solche Wahlkampfaktionen.

Es geht schon ordentlich zur Sache.

Thorsten Faas, FU-Wahlforscher über die Polarisierung im Wahlkampf

„Durch die Ereignisse der Silvesternacht haben wir noch einmal ein Thema auf der politischen Agenda, das sehr leicht Emotionen auslöst und zu Polarisierungen führt.“ Gerade in einer Situation, in der die Mehrheitsverhältnisse unklar seien, müssten sich die Parteien voneinander abgrenzen – auch gegenüber dem Koalitionspartner. Zeiten von Dreierbündnissen seien intern konfliktreicher, so der Politikwissenschaftler. Dass die Führungsfrage zwischen Rot und Grün offen sei, verstärke den Wettbewerb zusätzlich.

Nach der jüngsten, am Mittwoch veröffentlichten Umfrage liegt die CDU derzeit mit 23 vor Grünen mit 21 und der SPD mit 18 Prozent. Rot-Grün-Rot kommt zusammen auf 50 Prozent. Aus Faas Sicht ist bei der Wiederholungswahl alles noch offen: „Es gibt eine etwas seltsame Erwartung, dass der rot-grün-rote Senat automatisch weitermachen wird, wenn er mathematisch wieder eine Mehrheit hat. Dafür gibt es eine gewisse Logik, aber eigentlich gilt: neues Spiel, vielleicht neues Glück.“

Insofern sei es wie zuletzt oft bei Wahlen: „Die Zeit vor dem Wahltag ist spannend, aber auch die danach.“ Es habe zwar Absagen von grüner Seite in Richtung CDU gegeben. „Aber das steht alles mit dem Wahltag zur Disposition“, sagte Faas. „Es könnte andererseits auch sein, dass die CDU vorne liegt, sich aber jenseits von ihr eine Mehrheit bildet.“

Interessant sei auch die Frage, wie eigentlich die Bevölkerung auf diese Wahl schaue. „Ist man dankbar, dass man noch einmal die Chance hat, oder findet man das nervig und überflüssig – und was folgt daraus?“ Das sei ein entscheidender Punkt, auch dafür, wem es gelinge, eigene Anhänger zu mobilisieren. „Das wissen wir aber nicht wirklich, wenn wir ehrlich sind“, sagte Faas. „Das ist offen, weil wir wenige Erfahrungen damit haben, weil es eben doch eine historische Besonderheit und ein fast einmaliger Vorgang ist.“ (dpa)

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