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Für Kinderwägen soll künftig in Neubauten mehr Platz sein.

© Kitty Kleist-Heinrich

Barrierefreies Bauen: Berlin will Platz für Kinderwagen und Rollatoren schaffen

Nach dem Willen von SPD und CDU soll bei Neubauten in Berlin künftig mehr an Familien und Senioren gedacht werden. Viele barrierefreie Wohnungen sollen entstehen. Auch eine Toilettenpflicht für Geschäfte ist im Gespräch. Das könnte teuer werden.

Links der Kinderwagen, rechts der Rollator, in der Mitte ein schmaler Durchgang. In Berliner Hausfluren wird es zuweilen eng.

Beim Slalom von der Haustür zum Treppenaufgang zeigt sich, dass die Bedürfnisse von jungen Familien und Senioren beim Bau nicht immer berücksichtigt wurden. Kein Platz für den Buggy, kein Platz für den Rollator. Barrierefreiheit: oft nicht vorhanden.

Die rot-schwarze Koalition will an dieser Stelle jetzt nachbessern. SPD und CDU planen eine Änderung der Bauordnung – die Verhandlungen dazu sind bereits weit fortgeschritten. Die Koalitionspartner wollen bei Neubauten vorschreiben, dass abgeschlossene, barrierefreie Stellflächen für Rollatoren und Kinderwagen eingerichtet werden.

Barrierefrei im Erdgeschoss

Bislang ist ab einer bestimmten Baugröße die Bereitstellung von Fahrradstellplätzen vorgeschrieben. Weil aber auch Kinderwagen und Rollatoren meist nicht in die Wohnung getragen und deshalb schnell beschädigt werden, soll die Bauordnung künftig Multifunktionsräume vorschreiben.

„Wenn möglich barrierefrei im Erdgeschoss“, sagt SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz. In Häusern, in denen das unwirtschaftlich sei oder baulich nicht machbar, müssten abschließbare Außenboxen aufgestellt werden. Die Pflicht zum Multifunktionsraum greift bei Bestandsbauten jedoch nicht. „Das würde massive Umbauten nötig machen, das können wir nicht fordern“, erklärt Buchholz.

Berlin wird älter und gleichzeitig jünger

Die Bemühungen der Koalition trägt dem demografischen Wandel Rechnung. „Berlin wird älter und jünger gleichzeitig“, sagt Matthias Brauner, der für die CDU die Verhandlungen zur neuen Bauordnung führt. Deshalb sind zusätzlich zu den Multifunktionsboxen noch andere weitreichende Änderungen im Gespräch.

Nach dem Willen der SPD soll künftig bei Neubauten, die mehr als vier Stockwerke und einen Aufzug haben, ein Drittel der Wohnungen barrierefrei sein. Das bedeutet, dass diese über ausreichend breite Türen verfügen und stufenlos sind. Für mehr Barrierefreiheit ist auch die CDU, allerdings stellt man hier die Ausgestaltung dieses Punktes noch infrage. „Wir müssen schließlich abwägen zwischen der Baukostensteigerung und dem Nutzen.“

Brauner geht davon aus, dass diese Änderung zu Mehrkosten von 150 Euro pro Quadratmeter führt. Die Folgen sind auch SPD-Mann Buchholz bewusst: „Die Miete steigt bei diesen Neubauten. Das höhere Ziel ist aber, dass wir mehr barrierefreie Wohnungen in der Stadt haben.“ Der Neubau müsse überkompensieren, was im Altbau nicht möglich sei. „Da wird zwar kein Bauherr jubeln, aber der Bedarf zeichnet sich ab. Wir müssen für die Zukunft bauen.“

Tatsächlich ist man beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen alles andere als begeistert von den Plänen. „Die Praxis zeigt, dass die Nachfrage nach barrierefreien Wohnungen sehr verhalten ist“, sagt Sprecher David Eberhart. Deshalb stelle sich die Frage, inwieweit immer höhere Baukosten durch immer höhere Neubauauflagen vertretbar seien. „Auf eine Durchschnittswohnung gerechnet, bedeutet eine Kostensteigerung um zehn Prozent schnell rund 15.000 Euro Mehrkosten, die dann durch höhere Mieten refinanziert werden müssen.“

Toilettenpflicht ab 300 Quadratmetern?

Dennoch: Mit den geplanten Änderungen an der Bauordnung, die voraussichtlich Anfang 2016 in Kraft treten sollen, gehen CDU und SPD auf die Forderungen von Behinderten- und Seniorenverbänden ein.

Das gilt auch für einen weiteren Punkt, den vor allem die SPD gerne in der neuen Bauordnung sehen will: Buchholz spricht sich dafür aus, dass bei neugebauten Einzelhandelsfilialen ab 300 Quadratmetern Toiletten eingebaut werden müssen. Bei Bestandsbauten ab 800 Quadratmeter soll die Pflicht nach einer Übergangsfrist von drei Jahren gelten. Dieser Vorschlag geht um einiges weiter als bisher bekannte Pläne.

CDU-Mann Brauner fürchtet allerdings, dass eine solche Vorschrift Einzelhändler in Einkaufsstraßen gegenüber denen in großen Einkaufszentren benachteilige, wo es ohnehin Toiletten gibt. „Die Grundidee ist gut, aber die Umsetzung ist schwierig“, sagt er. Nach der Sommerpause wollen sich die Koalitionspartner in den strittigen Punkten der neuen Bauordnung einig werden.

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