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Transparenz kann Berliner Kliniken helfen, verloren gegangenes Vertrauen in ihre Arbeit mit Frühgeborenen zurückzugewinnen.

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Update

Berliner Kliniken: Keimbefall: Baby exhumiert und obduziert

Mehr als drei Wochen nach dem Tod eines infizierten Säuglings wurde das verstorbene Baby nun exhumiert und dann obduziert. Ergebnisse liegen zwar noch vor, die Serratien-Fälle beschäftigen mittlerweile aber auch den Gesundheitsausschuss im Abgeordnetenhaus.

Der nach einer erfolgreichen Herzoperation im Deutschen Herzzentrum Berlin verstorbene Säugling ist am Montag exhumiert und obduziert worden. Das Ergebnis könnte am Dienstag vorliegen. Bei dem Baby war am 5. Oktober im Herzzentrum der Hirntod festgestellt worden, es starb um 12 Uhr.

Laut Staatsanwaltschaft war die Exhumierung nötig, auch wenn sie für die Eltern tragisch sei. Es läuft aber ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit dem Serratia-Keimbefall auf zwei Stationen für Früh- und Neugeborene der Charité. Auch im Herzzentrum gab es Serratia-Fälle. Der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, sagte, die Eltern seien am Bett des Kindes gewesen, als die Ärzte mit ihrer Zustimmung nach der Hirntoddiagnose die Geräte abschalteten. Sie waren gegen eine Obduktion. Bei dem Baby war eine Serratia-Infektion nachgewiesen worden.

Über seinen Tod diskutierte am Mittag der Gesundheitsausschuss im Abgeordnetenhaus. Da informierte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) darüber, dass das Kind an postoperativen Folgen und einer Sepsis – möglicherweise infolge einer Serratia-Infektion – verstorben ist. Wissenschaftsstaatssekretär Knut Nevermann bezeichnete das Auftreten einer Mordkommission im Klinikum als „deplatziert“. Unterdessen hat die Charité „einen positiven Nachweis am Drehknopf eines Beatmungsgerätes am Kopfende eines kontaminierten Patienten gefunden“, sagte der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei. Er stellte sich vor seine „hochqualifizierten und hochengagierten Mitarbeiter, die in einem Grenzbereich der Medizin tätig sind“. Heiko Thomas (Grüne) sprach im Namen aller Fraktionen den Beschäftigten seine Hochachtung aus. Kritik gab es dennoch. Der Arzt und Vorsitzende des Ausschusses, Wolfgang Albers (Linke) bezeichnete die „Informationspolitik der Charité auf dem Stand von Rudolf Virchow“. Zu Zeiten Virchows hätten aber die Babys, die oft weniger als 750 Gramm wiegen, keine Überlebenschance gehabt, sagte Frei. Am 8. Oktober seien zwei Serratia-Infektionen nachgewiesen, das Gesundheitsamt am nächsten Tag informiert worden. Auf den Neonatologiestationen seien noch drei Säuglinge wegen schwerster Krankheiten aufgenommen worden. Ob diese sich ansteckten, blieb im Ausschuss offen. Laut Frei wurden während der Serratia-Belastung zeitgleich 250 unbelastete Kinder erfolgreich behandelt. Es sei zu prüfen, ob Eltern künftig bei der Aufnahme in die Klinik stets auch auf den – nicht meldepflichtigen – Serratia-Keim getestet werden. Auf die Anregung der SPD, die Klinikaufsicht in Berlin künftig nicht mehr im ersten Schritt dem bezirklichen Gesundheitsamt zu überlassen, sagte die

Infektionsschutzbeauftragte der Gesundheitsverwaltung, Marlen Suckau, die Vorschriften sähen dies aus Datenschutzgründen vor. Frei kritisierte, dass die Charité in der Praxis ebenso aus Datenschutzgründen nicht die Krankenakten des Herzzentrums einsehen dürfe und umgekehrt.

Czaja betonte, er habe sich eingeschaltet, obgleich seine Verwaltung anders als die Wissenschaftsverwaltung nicht zuständig sei, weil er Verantwortung übernehmen wollte. Das Gesundheitsamt Mitte habe sich mit einem Amtshilfeersuchen an ihn gewandt. Das Amt gibt Infektionsdaten anonymisiert an das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) weiter. Um Ausbruchsserien zu verhindern, lädt SPD-Gesundheitsexperte Thomas Isenberg am 16. November Klinikvertreter zu einer Veranstaltung über Neonatologie-Hygiene.
Der Neonatologie-Vergleich des Tagesspiegel und Infos zum Klinikführer finden Sie hier.

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