zum Hauptinhalt

Berliner Nahverkehr: Computer soll Unfälle bei der S-Bahn verhindern

Das Streckennetz der S-Bahn erhält für 133 Millionen Euro ein funkgesteuertes Sicherungssystem. Die 80 Jahre alte Technik wird damit ersetzt. Die Umrüstung wird wohl mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Das Streckennetz der Berliner S-Bahn bekommt ein völlig neues Sicherungssystem. Noch in diesem Jahr werde begonnen, das seit 82 Jahren eingesetzte mechanische System durch funkgesteuerte Elektronik zu ersetzen. Die Umrüstung des 330 Kilometer langen Netzes und der 600 Fahrzeuge werde mehrere Jahre dauern, sagte ein leitender Bahnmitarbeiter gestern. Den Zuschlag für den Millionenauftrag habe Siemens erhalten. Die Kosten von 133 Millionen Euro tragen die Deutsche Bahn und der Bund.

Das neue Zugbeeinflussungssystem (ZBS) soll das Sicherheitsniveau deutlich erhöhen. Wie gestern berichtet, hatte es zuletzt im März einen Beinaheunfall durch menschliches Versagen gegeben. Die gesamte mechanische Technik – 1470 „Fahrsperren“ an den Gleisen und die entsprechende Technik in sämtlichen Fahrzeugen – muss nun bis Ende April überprüft werden. Dies hatte das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde verfügt. Am 10. März hatte ein Fahrer aus Südkreuz kommend das rote Signal vor dem Bahnhof Lichtenrade wegen zu hoher Geschwindigkeit überfahren. Eigentlich hätte die Fahrsperre den Zug nun automatisch stoppen müssen. Dabei soll eine herausgeklappte Metallschiene einen Schalter am Zug auslösen, der die Zwangsbremsung einleitet. Wieso die Technik versagte, ist unklar. Der Fahrer ist wegen des Fehlers bis heute suspendiert. Nur weil direkt hinter dem roten Signal kein Zug stand, gab es keinen Zusammenstoß. Bei einem solchen Unfall waren zuletzt 2002 auf der Stadtbahn am Hackeschen Markt zwei Züge aufeinandergeprallt, mehrere Fahrgäste wurden verletzt. Der Zugführer war später zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die neue Technik soll derartige Unfälle verhüten. Denn künftig wird das Fahrzeug auch automatisch gebremst, wenn die Geschwindigkeit zu hoch ist. Die herkömmlichen Fahrsperren – die es bundesweit nur bei der Berliner S-Bahn gibt – können den Zug nur stoppen, wenn ein rotes Signal überfahren wird. Doch dann kann es wegen des langen Bremsweges zu spät sein, wie der Unfall am Hackeschen Markt zeigt.

Das neue System wurde bei der S-Bahn mehrere Jahre lang auf dem Abschnitt Hermannstraße – Sonnenallee getestet. Dabei kommen kleine Sender zwischen den Schienen zum Einsatz, die ständig Streckendaten in den Zug funken. Das ZBS ist im Betrieb auch billiger, weil es weniger Wartung braucht. Der leitende Bahnmitarbeiter betonte aber, dass eine 100-prozentige Sicherheit nie zu erreichen sei. So hatte es 2003 bei der U-Bahn einen Zusammenstoß gegeben, weil ein Fahrer die elektronische Sicherung verbotenerweise ausgeschaltet hatte. Bei dem Unfall am Kurt-Schumacher-Platz waren acht Fahrgäste verletzt worden.

Dass es auch bei modernster Technik Pannen geben kann, hatte die BVG zuletzt am Freitag erlebt. Gleich bei zwei Zügen der modernsten Baureihe „H“ waren während der Fahrt elektronische Bauteile in Brand geraten. Bei beiden Feuern konnten alle Fahrgäste unverletzt an den Stationen Samariterstraße und Birkenstraße ins Freie flüchten. Beide Fahrzeuge sind erst wenige Jahre alt. Nach BVG-Angaben sei die Duplizität der Ereignisse reiner Zufall. Wie berichtet, hatte die BVG am Freitag angeordnet, alle 46 Züge dieses Typs zu einer Sonderuntersuchung in die Werkstatt zu schicken. Dabei seien am Sonnabend keine weiteren Fehler gefunden worden, sagte eine BVG-Sprecherin gestern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false