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Berliner Schulen: Sekundarschule eingeführt

Für die Schulen der Hauptstadt brachte 2010 eine Jahrhundertreform. Doch die Freude darüber währte nicht lange - zu viele Schüler, zu wenige Lehrer und Probleme aller Beteiligten, sich auf die neuen Ganztagsschulen einzustellen.

Berlin ist nichts für harmoniebedürftige Naturen. Daran hat sich auch im Jahr 2010 nichts geändert – zumindest nicht im Bereich der Schulpolitik. Denn das Schicksal der Brennpunktschulen drängt immer stärker in den Fokus, so dass kaum noch Platz für gute Nachrichten bleibt. Die dominierenden Schlagworte heißen: Boykott-Drohung, Deutschenfeindlichkeit, Unterschichtenpädagogik. Die Krisenthemen verdrängen auch die gute Nachricht von den Berliner Super-Abitur-Noten. Nicht mal die Abschaffung der Hauptschulen entwickelt genug Kraft, um die Stimmung zum Guten zu wenden. Aber der Reihe nach.

Das Jahr fängt vielversprechend an. Am 15. Januar beschließt das Abgeordnetenhaus, dass Berlin eine neue Schulform bekommt: Die Sekundarschule tritt an die Stelle der Haupt-, Real- und Gesamtschulen. Seit dem Sommer erhält kein einziger Siebtklässler mehr das Label „Hauptschüler“.

Die Freude hält allerdings nicht lange an: Zu dünn ist die Personaldecke an manchen Schulen, zu schwierig die Schülerschaft, zu anstrengend der Übergang zur Ganztagsschule. Schnell haben einige ehemalige Hauptschulen das Gefühl, Brennpunktschulen zu bleiben. Auch die Fusionsschulen leiden: Ehemalige Realschullehrer fallen aus allen Wolken, weil sie ihren gewohnten Lehrstoff nicht mehr an den Schüler bringen können, und auch Hauptschullehrer verzweifeln, weil ihre guten Konzepte in den fusionierten Kollegien untergehen.

Es gibt im Jahr 2010 allerdings noch weit mehr Themen als „nur“ diese Jahrhundertreform. Schon im Februar hört man beunruhigende Nachrichten aus den Gymnasien: Diese erfahren plötzlich, dass sich die Bildungsverwaltung verrechnet hatte beim Stundensoll der Turboabiturienten. Plötzlich wird klar, dass sie in der Oberstufe mehr belastet werden als ihre älteren Mitschüler, mit denen sie konkurrieren müssen: zunächst in den Kursen und ab 2012 dann bei der Zulassung zu den Universitäten. Ob es den Gymnasien gelingt, diesen Nachteil auszugleichen, bleibt abzuwarten.

Im April dann die nächste schlechte Nachricht: Rund 1000 Lehrer drohen mit dem Boykott der Drittklässler-Vergleichsarbeiten, da die bundesweit gestellten Aufgaben zu schwierig seien für die Brennpunktschüler. Es folgt ein offener Brief, in dem Grundschullehrer warnen, dass viele Berliner Schulen „keine guten Schulen für die Kinder“ seien. Eine Bankrotterklärung. FU-Professor Jörg Ramseger fragt deshalb im Tagesspiegel, ob die Zeit nicht reif sei für eine ganz neue „Unterschichtenpädagogik“.

Im Juni dann das nächste Desaster: Berlin schneidet bei den Vergleichsarbeiten der Neuntklässler so schlecht ab, dass Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) ein „Qualitätspaket“ ankündigt. Erst mal gibt es zum neuen Schuljahr aber jede Menge Meldungen über fehlende Lehrer: Wieder können die Schulen nicht rechtzeitig einstellen. Erst Ende August dann der Durchbruch: Zöllner kann im Senat erwirken, dass er künftig schon im Frühjahr Lehrer einstellen darf. Für das Jahr 2010 hilft ihm das aber noch nicht.

Die Anspannung des Schuljahresbeginns löst sich deshalb auch nicht mehr richtig auf: Viele freie Stellen können mangels Bewerbern nicht mehr besetzt werden. Die latente Unzufriedenheit der Eltern lässt sich auch von Zöllners ambitioniertem Qualitätspaket nicht mehr heilen, das er im November vorstellt: Seine sanfte Abkehr von der Pflicht zum Jahrgangsübergreifenden Lernen kommt zu spät. Selbst die angekündigte Transparenz durch veröffentlichte Schulinspektionsberichte führt nicht zur gewünschten Begeisterung, weil den Eltern eher bei Themen wie Stundenausfall und Turboabitur der Schuh drückt.

Den Berliner Lehrern ist sowieso schon längst der Spaß vergangen, weil der Wegfall der Altersermäßigung immer mehr Kollegen betrifft und gleichzeitig die Reformbelastungen immer stärker spürbar werden. Und als dann zum Jahresende auch noch das Thema „Deutschenfeindlichkeit“ im ganzen Land diskutiert wird, spürte auch der Letzte: Berlin ist kein Pflaster für gute Schulnachrichten. Bleibt nur die Hoffnung auf 2011.

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