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Das Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt wird künftig von der Deag organisiert.

© Davids/Sven Darmer

„Die Leute möchten sich amüsieren“: Event-Veranstalter resümiert Rekordjahr und will in Zukunft stärker nach Berlin

Deag-Chef Peter Schwenkow über das Bedürfnis der Menschen nach Unterhaltung, den Erfolg des Christmas Garden und die Pläne für den Gendarmenmarkt.

Herr Schwenkow, die Deag erreicht in diesem Jahr trotz Corona, Krieg und Inflation Rekordzahlen. Wie ist das möglich?
Einer der Gründe dafür ist die Sehnsucht der Menschen nach Live-Unterhaltung in einer Welt, die durch Corona immer digitaler geworden ist. Mein alter Lieblingssatz gilt mehr denn je: Eine Eintrittskarte ist ein Versprechen. Und wir haben unsere Versprechen gehalten. Alles, was wir in den Coronajahren verschoben haben, konnten wir 2022 nachholen.

Und das ging so ohne weiteres?
Es war vermutlich das anstrengendste Jahr, das ich erlebt habe. 2022 war die Bewährungsprobe für unsere Glaubwürdigkeit. Die Menschen geben uns im Voraus Geld, und wir müssen dafür eine Leistung liefern. Das haben wir geschafft, so dass wir auch für 2023 sehr gut gebucht sind.

Die Deag ist glimpflich durch die Pandemie gekommen, weil sie eine Virus-Versicherung hatte und einen Hilfskredit von der bundeseigenen KfW bekam.
Ja, bei uns war es nicht so eng, wie bei manchen anderen. Hinzu kam: Wir hatten immer zumindest ein Land, in dem es keine Covid-Restriktion gab. Als in Deutschland alles ganz furchtbar wurde, war England noch offen. Als es dort schwierig wurde, waren Veranstaltungen in Dänemark möglich und später hat die Schweiz geholfen. Kurzum, wir hatten in den Covid-Jahren 2020 und 2021 immer ein Land, in dem es Geschäft gab. 

Und es waren gute Zeiten für Akquisitionen.
Ja, wobei wir immer sehr darauf geachtet haben, niemanden zu übernehmen, der mit dem Rücken zur Wand steht. Wir haben 15 Unternehmen in den letzten zweieinhalb Jahren gekauft, die wir teilweise schon länger erwerben wollten. Covid hat uns insofern geholfen, weil manche der Auffassung waren, dass die Pandemie in einer Gruppe leichter zu ertragen sei als allein. So konnten wir wachsen und haben inzwischen 47 Unternehmen in der Deag-Gruppe.

Was verbindet die Unternehmen?
Zu unserer DNA gehört ein Entrepreneur-Spirit. Wir unterstützen die unternehmerische Aktivität unserer Tochterfirmen und lassen sie sich entfalten, obwohl wir eine Mehrheitsbeteiligung haben.

Gibt es die größte Dynamik im Geschäftsfeld Family Entertainment mit dem Christmas Garden?
Ja, der Erfolg ist gigantisch. Das Konzept funktioniert nicht nur an zehn deutschen Standorten, sondern auch an vier englischen; es funktioniert in Barcelona, Paris und Rom. Allein in Rom haben wir in diesem Jahr 200.000 Besucher im Botanischen Garten. Für alle Christmas Garden verkaufen wir fast zwei Millionen Tickets.

Das einstige Kerngeschäft mit Rock und Pop ist nicht mehr so wichtig?
Doch, aber wir haben inzwischen fünf Geschäftsfelder, darunter auch die Wachstumssparte Arts + Exhibitions. Im März machen wir in London „Monet‘s Garden“, mit denen wir die „Arches at London Bridge“, eine Ausstellungsfläche, eröffnen, die wir erst vor ein paar Wochen übernommen haben. Wir stehen eben nicht nur auf dem Bein Rock und Pop, sondern die Bandbreite macht unsere Stärke aus. Und das Ticketing funktioniert inzwischen in Deutschland und England auch ziemlich gut. Mehr als fünf Millionen Tickets haben wir 2022 verkauft.

Peter Schwenkow, 1954 in Hamburg geboren, ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Deag.

© PNN/Ottmar Winter

Obwohl die Inflation Kaufkraft frisst, die Leute also weniger Geld haben.
Die Leute haben einfach genug von schlechten Nachrichten und möchten sich amüsieren.

Gilt das für alle Deag-Märkte gleichermaßen, also Deutschland und Dänemark, England und die Schweiz?
Ja, und nicht nur für Rock und Pop. Zu meiner Überraschung gilt das für alle Events, vor allem auch für das Family Entertainment. Wir haben nächstes Jahr Disney on Ice und 25 Jahre Riverdance und viele andere Events auf Tournee. Die laufen wie geschnitten Brot. Wir haben extra sensibel gepreist, Disney on Ice können Sie schon für 22 Euro besuchen.

Warum sind nach der Pandemie die internationale Künstler schneller als befürchtet wieder auf den Bühnen aufgetaucht?
Das hängt zusammen mit den veränderten Bedingungen. Früher ging ein Künstler auf die Bühne, um ein neues Album zu promoten. Heute ist es so, dass das Album die Tournee unterstützt. Das Geld wird auf der Straße verdient. Viele Künstler haben über zwei oder drei Jahre keine Einnahmen gehabt, die müssen auf die Bühne.

Der Christmas Garden im Botanischen Garten in Berlin ist nur einer von europaweit 19 Veranstaltungen dieser Art in der Weihnachtssaison. 2022/23.

© Reuters/Fabrizio Bensch

Was planen Sie auf dem Berliner Gendarmenmarkt, wo die Deag künftig das Open Air Classic veranstaltet?
In den vergangenen 25 Jahren haben wir uns mit Anna Netrebko, Lang Lang, Jonas Kaufmann und den Berliner Philharmonikern einen Premium-Ruf in dem Klassik-Segment erarbeitet. Wir machen auch auf dem Königsplatz in München große Klassikkonzerte, doch der Gendarmenmarkt ist mit Abstand der schönste Platz, den ich mir in Europa für solche Veranstaltungen vorstellen kann. Da der Gendarmenmarkt umgebaut wird, stehen die ersten Konzerte erst 2025 an. Den Neustart werden wir mit best of beginnen, und das wird mit Sicherheit ein Erfolg.

Ist Berlin ein guter Markt?
Ja, und wir möchten uns hier stärker engagieren. Derzeit entfallen nur drei bis vier Prozent unseres Umsatzes auf die Hauptstadt. In diesem Jahr haben wir über 200.000 Besucher bei Weihnachten im Tierpark und dem Christmas Garden in Dahlem und die Neu-Positionierung der Potsdamer Schlössernacht jährlich im August ist uns gut gelungen.

Die These, dass Anna Netrebko Wladimir Putin unterstützt, ist falsch. 

Peter Schwenkow

Wie belastend war für Sie im Frühjahr das Theater um die Deag-Künstlerin Anna Netrebko, der Nähe zu Putin unterstellt wurde?
Es gab eine unfaire Verurteilung, vor allem durch den NDR und den Bayerischen Rundfunk. Da sitzt ein 10.000-Euro-Redakteur und schreibt mal einfach so eine Künstlerin runter. Dagegen sind wir zusammen mit Frau Netrebko vorgegangen. Anna Netrebko ist nicht Valery Gergiev, sondern das Gegenteil, und das muss man dem einen oder anderen dann auch mal gegebenenfalls mit juristischer Unterstützung deutlich machen. Die These, dass Frau Netrebko Wladimir Putin unterstützt, ist falsch.

Sie hat Ihren Geburtstag im Kreml gefeiert.
Na und? Wenn wir wollen, Sie und ich, dann mieten wir Räume im Kreml und feiern dort unseren Geburtstag. Dort gibt es einen Veranstaltungssaal, der vermietet wird. Mit Putin hat das überhaupt nichts zu tun. Im Fall von Anna Netrebko hatte ein Fernsehsender den Saal gemietet, um dort ihren 50. Geburtstag zu zelebrieren.

Anna Netrebko wurde als Unterstützerin von Wladimir Putin diffamiert und wehrte sich mit Hilfe der Deag dagegen.

© dpa/Christian Charisius

Das hat hohe Wellen geschlagen.
Man kann natürlich Geschichten daraus machen, und es war auch für uns nicht leicht und hat mir graue Haare gebracht. Aber jetzt ist das erledigt und wir sind Ende Januar mit Frau Netrebko in der Alten Oper in Frankfurt und werden eine Auslastung von 90 Prozent haben. 

Ihr Sohn Moritz ist in den Vorstand aufgerückt, bereiten Sie die Nachfolge vor?
Moritz ist schon seit ein paar Jahren im Vorstand und verantwortlich für das Ticketing. Mit der Technologie für den Gesamtkonzern hat er ein weiteres Aufgabenfeld übernommen, in dem er total fit ist und 47 Tochtergesellschaften unter dem Deag-Dach zu integrieren und auf derselben Maschinen laufen zu lassen, ist anspruchsvoll. 

In der Rezession kaufen sich die Leute das kleine Glück - zwei Eintrittskarten für Elton John zum Beispiel.

Peter Schwenkow

Sie könnten sich zur Ruhe setzen und Konzerte besuchen.
Ich habe in den letzten Jahren ein traumhaftes Team aufgebaut und arbeite 60 Stunden in der Woche und nicht mehr wie früher 90 oder 100 Stunden. 15 Unternehmen kaufen ist das eine, aber die müssen integriert werden und sie sollen Spaß haben in der Deag-Familie. Dafür bin ich teilweise zuständig. Aber ich nutze einen Teil meiner neuen Freiheit zum Golfspielen und zum Besuch unserer Veranstaltungen.  

Wird es weitere Akquisitionen geben im neuen Jahr?
Wenige, wir machen jetzt eine kleine Konsolidierungspause. Wachstum erwarte ich trotzdem, weil die neuen Beteiligungen ihren Beitrag leisten und weil einzelne Veranstaltungen weiter ausgerollt werden. 2022 haben wir 19 Christmas Garden, 2023 sollen es 30 werden. Und der Bereich Spoken Word entwickelt sich sensationell in allen Ländermärkten.

Was passiert da?
Wir sind Mehrheitsgesellschafter der lit.Cologne und haben schon 80 Prozent der Karten für das kommende Literaturfestival verkauft. In England, Irland, Schottland und Australien veranstalten wir Lesungen auf Tournee unter anderem mit Dame Judi Dench, Sir Ranulph Fiennes oder Margaret Atwood und Quentin Tarantino. Wir werden 2023 mindestens 500.000 Besucher bei den Spoken Word Events haben – drei Jahre, nachdem wir in das Geschäft eingestiegen sind.

Großbritannien ist inzwischen der größte Markt der Deag. Wie sehr wirkt sich dort die Wirtschaftskrise auf das Entertainment-Business aus?
Überhaupt nicht. In den vergangenen 45 Jahren haben ich viele Wirtschaftskrisen mitgemacht. Wenn es Wachstum gibt, es allen gut geht und die Zukunftsaussichten rosarot sind, dann macht man eine Lebensentscheidung, baut sich ein Haus oder kauft sich eine größere Wohnung. In der Rezession trauen sich das die Leute nicht. Sie kaufen sich dann nicht das große Glück, sondern das kleine Glück – zwei Eintrittskarten für Elton John zum Beispiel. Wir haben in Rezessionsjahren immer Wachstum gehabt, und das ist diesmal nicht anders.

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