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© Kai-Uwe Heinrich

Gesundheitsbranche: Pharmafirmen fühlen sich in Berlin wohl

Die Gesundheitsbranche ist eine der wichtigsten für die Berliner Wirtschaft. Neben großen Pharmafirmen wie Bayer Schering und Pfizer gibt es in diesem Bereich auch viele kleine und mittlere Unternehmen - die in der Hauptstadt noch großes Potenzial sehen.

Der aktuelle Streit um die Medikamentenpreise in Deutschland lässt Geschäftsführer Ottmar Geiger kalt – denn das Hauptprodukt seiner 2007 gegründeten HC Berlin Pharma AG ist das Malariamittel „ArTiMist“, das erkrankten Kindern in Afrika helfen soll. Und dort will die Weltgesundheitsorganisation WHO den größten Teil der Kosten tragen. Gerade wurde eine klinische Feldstudie in Ruanda erfolgreich beendet, in Südafrika kooperiert man mit der Nelson-Mandela-Stiftung. Die Marktzulassung ist in diesem Jahr geplant. Der Wirkstoff ist nicht neu, war bisher aber nur in Spritzen verfügbar. Nun kann das Medikament als Spray unter die Zunge gesprüht werden.

HC Berlin Pharma gehört zu den vielen kleineren Betrieben in der Gesundheitsbranche der Stadt, die weiter wächst. Aus finanziellen Gründen war „ursprünglich eine Produktion in den Vereinigten Arabischen Emiraten geplant“, sagt Geschäftsführer Geiger. Dann aber hätten sich die Gründer und Anteilseigner anders entschieden, weil die Region Berlin ein „hervorragender Standort für Forschung und Qualitätssicherung“ sei. Ihren Sitz hat die Firma am Kurfürstendamm, das erste Werk ist im Wissenschaftspark Potsdam-Golm geplant. Auch der Campus Berlin-Buch oder der Technologiepark Adlershof wären in Frage gekommen, sagt Geiger. Er wohne aber in Michendorf und gelange schneller nach Golm. „Den letzten Kick geben immer persönliche Dinge.“ Bisher hat die Firma zwölf Beschäftigte.

Mehr als 500 Arbeitsplätze bietet dagegen die 2008 eröffnete Deutschland-Zentrale des US-Konzerns Pfizer am Potsdamer Platz. Pfizer wolle „seine Präsenz in Berlin weiter stärken und neue Jobs schaffen – zum Beispiel in der klinischen Forschung, in der Medizin, im Marketing oder in der Verwaltung“, heißt es. Rund 200 Stellen entstehen durch die Übernahme der Firma Wyeth in Münster und zwei weiterer Pharmaunternehmen; deren Verwaltungen sollen der Zentrale angegliedert werden. Nur eine Produktion in Berlin plant Pfizer weiterhin nicht. In Berlin „findet Forschung auf höchstem Niveau statt“, lobt Andreas Penk, Vorsitzender der Geschäftsführung in Deutschland. „Beispielsweise in der Krebsforschung sehen wir Berlin als ein Zentrum in Europa.“ Derzeit liefen 20 Studien in Zusammenarbeit mit der Charité und den Helios-Kliniken. Die Stadt habe das Potenzial, „in der Spitzengruppe weltweit dabei zu sein“.

Keinen Grund zur Klage sieht auch Andreas Fiebig, Vorstandschef von Bayer Schering Pharma. Man werde sich in diesem Jahr „auf wachstumsstarke Produkte konzentrieren“ – darunter das Krebsmedikament Nexavar oder der Gerinnungshemmer Xarelto, der 2009 mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet wurde. Außerdem sieht sich Bayer Schering als „Marktführer bei oralen Kontrazeptiva“ – gemeint ist die vor 50 Jahre erfundene „Pille“ für die Frau. Eine weitere Erfolgsgeschichte schreibt die Berlin-Chemie AG, deren Geschichte in Adlershof bis 1890 zurückreicht. Dort und in Britz fertigen rund 340 Mitarbeiter jährlich 270 Millionen Arzneimittelpackungen, die in alle Welt exportiert werden. Heute gehört Berlin-Chemie zum italienischen Pharmakonzern Menarini.

„Die Branche hat sich der Wirtschaftskrise stabil gehalten“, sagt der Sprecher der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner, Christoph Lang. Auch dass Schering von Bayer übernommen wurde, habe positive Folgen: „Bayer hat weiter in den Standort investiert, es arbeiten dort jetzt mehr Leute als zu alten Schering-Zeiten“.

In die Schlagzeilen geriet 2009 die „Dr. Mann Pharma GmbH“ in Spandau, die nach dem Berliner Apotheker und Erfinder der pipettenlosen Augentropfenflasche benannt ist. Seit 1986 gehört das Werk zum US-Konzern Bausch & Lomb, der 2007 Millioneninvestitionen und mehr als 100 neue Stellen plante. Das Land Berlin förderte den Erwerb zusätzlicher Grundstücke mit 3,2 Millionen Euro. Doch dann übernahm ein Finanzinvestor den US-Mutterkonzern und kündigte im Rahmen einer „Umstrukturierung“ den Abbau von 100 der 660 Stellen in Spandau an. Später allerdings habe das Unternehmen neue Investitionen in Aussicht gestellt, heißt es aus der Wirtschaftsverwaltung. Die Firma teilte mit, man wolle Ende 2010 eine zusätzliche Produktionsanlage in Betrieb nehmen.

Eine „konstante Entwicklung“ meldet die Kölner Klosterfrau-Gruppe mit 200 Mitarbeitern in Berlin. Der „Klosterfrau Melissengeist“ wird seit 1972 allein in Marienfelde hergestellt. Hinzu kommen Vitaminpräparate, Halstabletten wie „neo angin“, das Nasenspray „Nasic“ und einige weitere Arzneien. Keine davon ist verschreibungspflichtig, weshalb der Streit um Medikamenten-Festpreise für Klosterfrau kein Thema ist.

Geschäftsführer Hanns-Cord Walter lobt das von Klosterfrau mitbegründete „Unternehmensnetzwerk Motzener Straße“. Man kooperiere mit Nachbarbetrieben beim Einkauf, beim Energiesparen und in der Personalpolitik. Als „Pharmahauptstadt“ sieht er Berlin aber noch nicht: Das Zentrum der Branche sei weiterhin der Großraum Frankfurt am Main.

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