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Scholle Finkenwerder Art mit Kartoffelsalat

© Bernd Matthies/Tagesspiegel

Kantinencheck im Kammergericht: Warmgehaltenes für Berlins Top-Juristen

In dieser Serie testen wir die Betriebsverpflegung in der Stadt. Hier sollte man früh kommen, bevor die Routine zupackt.

Eine Kolumne von Bernd Matthies

Zu den ehernen Sitten des deutschen Büros gehört es, dass die komplette Belegschaft Punkt zwölf in der Kantine aufschlägt. Warum? Eine Theorie besagt, dass das Elend der Arbeit nach drei Stunden eine Abwechslung geradezu erzwingt. Andere Erklärung, plausibler: Um Zwölf ist das Essen noch am besten.

Und warum? Weil der Arbeitsrhythmus in der Küche es vorgibt. Gekocht wird am Vormittag, bei Kantinenöffnung ist alles fertig, und wer an die theoretischen Öffnungszeiten glaubt und um Viertel nach eins kommt, der muss die warmgehaltenen Reste essen, weil sich frisches Kochen angeblich nicht mehr lohnt oder die Küche dafür zu klein ist. Keine Ahnung, ob das eine tarifliche Errungenschaft der kochenden Arbeiterklasse ist oder nur öde Routine, aber es ist so, oft genug erlebt.

Tristesse nach eins: Ein Raum ohne Charme

© Bernd Matthies/Tagesspiegel

Im Kammergericht hat es vermutlich beide Gründe. Die Beschäftigten in den verschlungenen, wilhelminischen, menschenleeren Bürofluchten können garantiert jeden Stimmungsaufheller brauchen; ihr Ziel, nur für Eingeweihte irgendwo hinten unten nach langen Fußmärschen erreichbar, deprimiert allerdings dennoch in seiner, ja, Kantinenhaftigkeit. Der externe Besucher fragt sich – nicht nur hier –, ob nicht durch einen entschlossenen Umbau Richtung 21. Jahrhundert viel Geld für die psychologische Betreuung der Mitarbeiter gespart werden könnte.

Na, und das Essen ist dann halt so. Kurz nach eins ist die Chicorée-Möhren-Quiche aus, die Maultaschen sind fett durchgestrichen aus, und die Scholle Finkenwerder Art (6 Euro) ist zwar noch da, aber zu diesem Zeitpunkt schon zum zweiten Mal verstorben, gerade noch lau und komplett verkocht. Dazu gibt es Kräuter-Kartoffelsalat, der ist okay, der übersteht Wartezeit im Freien ganz gut.

Dankenswerterweise wird der „Frische Marktsalat“ tatsächlich nach Bestellung angerichtet, das ist gut, und so liegen nun Quinoa-Kichererbsen-Bällchen nebst Paprikawürfeln, Tomaten, Chicoree und Eichblattsalat ganz adrett beieinander in sanfter Joghurtsauce, die auch Minze enthalten soll, was – wie immer – unschmeckbar bleibt. Dazu ein Stück übliches Aufback-Baguette, naja. Aber insgesamt ein gutes Angebot für 4,20 Euro.

Man ist dann aber doch froh, dass es vorbei ist und fragt sich, weshalb eigentlich fast alle Kantinen diese systematisch wirkende Freudlosigkeit verbreiten. Ist es der Sparzwang, der zu Aufwärmküche und Meldestellen-Atmosphäre führt? Das dürfte ein Denkfehler sein. Denn im Zuge der Arbeit an dieser Serie schält sich heraus, dass die besseren und teureren Kantinen durchweg auch die besser besuchten sind.

Davon abgesehen wäre die Kundschaft des Kammergerichts durchaus in der Lage, angemessene Preiserhöhungen zu akzeptieren, wenn dafür ein wenig mehr kulinarisches Leben in die Bude käme. Um die Ecke in der Goltzstraße gibt es lauter asiatische Restaurants, die das gerade mittags erfolgreich demonstrieren.

Diese Kolumne erscheint unregelmäßig. Haben auch Sie eine Empfehlung (oder Warnung)? Schreiben Sie gern an kantinen-check@tagesspiegel.de

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