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Demonstration Vorkaufsrecht Haus Wohnung Weichselstraße Berlin

© Teresa Roelcke

Update

Weichselstraße in Berlin-Neukölln: Mieter demonstrieren für Ausübung des Vorkaufsrechts – und suchen Drittkäufer

Neukölln will erstmals wieder das Vorkaufsrecht anwenden. Bezirk und Anwohner der Weichselstraße 52 arbeiten dafür zusammen. Viele Fragen sind aber noch offen.

| Update:

Mehrere Dutzend Personen haben am Montagabend vor der Weichselstraße 52 in Berlin-Neukölln für die Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts protestiert. Die Veranstalter sprachen von knapp hundert Teilnehmenden, die Polizei von 70. Die Mieter forderten den Senat auf, Zuschüsse für einen möglichen Vorkauf zur Verfügung zu stellen.

Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne), der selbst nicht vor Ort war, ließ in einem Grußwort mitteilen, man müsse den Druck weiter hochhalten. Es gelte, „einen Drittkäufer zu finden, der bereit ist, in den Kaufvertrag einzutreten oder den Käufer dazu zu bewegen, eine Abwendungsvereinbarung abzugeben, die die Mieter*innen schützt.“

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Bezirk Neukölln erstmals seit eineinhalb Jahren wieder das bezirkliche Vorkaufsrecht zur Anwendung bringen will. Im November 2021 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Vorkaufsrecht nur noch bei Problemimmobilien angewendet werden dürfe, und damit das vorher vielfach angewendete Instrument der bezirklichen Vorkäufe vorerst zum Erliegen gebracht.

Neuland fürs Bezirksamt

Nach Angaben des Bezirksamts hat Neukölln seit dem Urteil etwa 100 Häuser daraufhin überprüft, ob sie für das Vorkaufsrecht unter den neuen Bedingungen infrage kommen. Das Bezirksamt hat das Haus in der Weichselstraße nun als Problemimmobilie identifiziert, die den Kriterien auch des Bundesverwaltungsgerichts für ein Vorkaufsrecht standhalten soll.

Was macht das Haus zur Problemimmobilie, was bei all den anderen hundert geprüften Häusern nicht vorlag an Problemen? Das Bezirksamt gibt an, die gesamte Dachkonstruktion inklusive des Daches selbst seien sanierungsbedürftig. Wahrscheinlich als Folge davon sei auch die Decke zwischen viertem Obergeschoss und Dachgeschoss geschädigt.

Sieht schön aus, heizt aber nicht gut: ein Kohleofen im Hinterhaus der Weichselstraße 52.

© Teresa Roelcke/TSP

In einer Vielzahl von Wohnungen gebe es zudem durchfeuchtete Wände und Decken, beschädigten Putz und beschädigte Kacheln. „Hinzu kommen Missstände wie das Fehlen ausreichender Heizmöglichkeiten beziehungsweise nur eingeschränkte Beheizbarkeit einzelner Räume“, so das Bezirksamt.

Auch wenn er davon überzeugt sei, gute Begründungen und Verfahren für den Vorkauf in der Weichselstraße 52 zu haben, betrete man nach dem Verwaltungsgerichtsurteil nun Neuland, so Stadtrat Biedermann. Daher sei man auf gute Kontakte in die betroffenen Häuser angewiesen.

Die Hausgemeinschaft scheint auf diesen Kontaktwunsch eingegangen zu sein: Vor zwei Monaten habe man über einen Brief des Bezirksamts vom Verkauf des Hauses an den Investor Hansereal erfahren, erzählen dem Tagesspiegel am Montagabend mehrere Bewohner.

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Für drei Tage später habe das Bezirksamt zu einer gemeinsamen Besprechung eingeladen, 20 der 23 Mietparteien seien gekommen. Im Haus befinden sich 21 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten. Inzwischen tage die Hausgemeinschaft in wöchentlichen Plena, es gebe mehrere Arbeitsgruppen, die sich auch darüber hinaus träfen.

Anwohner protestieren für die Ausübung des Vorkaufsrechts bei einer Immobilie in der Weichselstraße.

© Teresa Roelcke

Gemeinsam mit dem Bezirksamt suchen sie nun nach einer landeseigenen Wohnungsgesellschaft oder einer Genossenschaft, die als Drittkäufer das Haus übernehmen könnte. Dieser Drittkäufer muss bis Mitte September gefunden sein, die Zeit ist also einigermaßen knapp.

Überhaupt würde der Drittkäufer auch nur dann zum Zuge kommen, wenn sich die Hansereal nicht entschließen sollte, die Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Mit der Unterschrift würde sich das Unternehmen verpflichten, unter anderem auf die Aufteilung in Eigentumswohnungen und auf umlagefähige Modernisierungsmaßnahmen zu verzichten, sofern diese nicht im Sinne des Milieuschutzes erforderlich sind.

Außerdem enthalten in der Abwendungsvereinbarung ist die Verpflichtung, die Mängel binnen eines Jahres zu beheben. Auch ein möglicher Drittkäufer wäre im Falle des Kaufs zur Einhaltung dieser Bedingungen verpflichtet.

Auf eine Anfrage, ob die Hansereal plane, die Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen, erhielt der Tagesspiegel bislang keine Antwort. Das Hamburger Familienunternehmen hat in Berlin noch weitere Häuser, unter anderem in der Rigaer Straße.

Die Bewohner der Weichselstraße sind auch deswegen besorgt, weil der ehemalige Inhaber der ersten Generation der Hansereal, Waldemar-Fred Anton, vielfältige Verbindungen zur AfD aufweist. Unter anderem ist er im Vorstand der Hamburger parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

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