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Mirga Gražinyte-Tyla, 37, leitet die Münchner Philharmoniker.

© Fabian Schellhorn/Berliner Festspiele

Hör’ auf zu beben!: Mirga Gražinyte-Tyla dirigiert Mahler beim Musikfest Berlin

Verspätet eingetroffen, umso mehr gefeiert: die Münchner Philharmoniker mit Mahlers „Auferstehungs“-Symphonie zu Gast beim Musikfest Berlin.

Es gibt Dinge im Leben, die man ändern kann, und solche, die man hinnehmen muss. Dass die Münchner Philharmoniker zehn Stunden in der Bahn saßen, um klimafreundlich von Köln zum Musikfest nach Berlin zu reisen, gehört eindeutig in die erste Kategorie.

Vielleicht erinnert das Warten vor den verschlossenen Saaltüren der Philharmonie das Publikum daran, sich gegen eine steinzeitliche Verkehrspolitik zu engagieren – und nicht nur müde über die Bahn zu lächeln.

Was man dagegen nicht ändern kann: Wir müssen alle sterben, egal, wie schwer oder leicht wir zuvor gelebt haben. Kann es dafür Trost geben? Gustav Mahler hat ihn leidenschaftlich gesucht in seiner 2. Symphonie („Auferstehung“) und dabei keinen Aufwand gescheut. Fernorchester, großer Chor, Solisten: Um der Sinnlosigkeit unseres Daseins den Marsch zu blasen, braucht es schon mehrere ICE-Wagen beherzter Musiker:innen.

Eine Ausnahmemusikerin geht ihren Weg

Den Münchner Philharmonikern war ihre strapaziöse Anreise anzusehen, als das Konzert kurz vor neun endlich beginnen konnte. Und doch dauert es nur einen dieser federleichten und zugleich unerhört präzisen Taktschläge von Mirga Gražinyte-Tyla, um ein musikalisches Drama aufzufächern, das bei aller Wucht bis in die feinsten Verästelungen hinein vibriert.

Die litauische Dirigentin teilt mit Joana Mallwitz das Geburtsjahr 1986 und hat bereits eine Karriere als Musikdirektorin hinter sich. Als Nachfolgerin von Simon Rattle und Andris Nelsons leitete sie das City of Birmingham Symphony Orchestra, mit drei kleinen Kindern zieht sie es vor, freiberuflich zu arbeiten.

Hier geht eine Ausnahmemusikerin ihren Weg, deren natürliche Autorität in den vergangenen Jahren weiter zugenommen hat. Gražinyte-Tyla weiß genau, was ein Orchester von ihr braucht, sie hat gelernt, wo sie lockerlassen muss. Und sie besitzt den Mut zur Klarheit: Größe zeigt sich nicht durch bedeutungsschweres Raunen, sondern dadurch, wie weit man schauen kann.

Das reicht sehr weit in den Mahler-Kosmos hinein, in dem alle Themen schon immer da waren, von den ersten bis zu den letzten Werken. Die Linearität des Lebens entpuppt sich als Illusion. Darin schimmert Trost auf, den Okka von der Dameraus strömender Mezzosopran bis hinauf in die hintersten Plätze trägt: „Dein ist, was Du gesehnt!“

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