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US-Songwriter Legende Lucinda Williams auf dem Cambridge Folk Festival 2019.

© imago images/ZUMA Wire

Lucinda Williams im Heimathafen Neukölln: Endloser Applaus für eine Legende

Lucinda Williams ist eine Größe der Countrymusik. Auch mit fast 70 heizt sie ihrem Publikum noch ein, wie das Konzert im Neuköllner Heimathafen zeigte.

Immerhin zwei der Musiker, die Lucinda Williams für ihr Konzert im Heimathafen Neukölln mitgebracht hat, tragen Cowboyhüte. Die Sängerin selbst verzichtet an diesem Abend auf dieses Accessoire, obwohl sie mit diesem auf dem Kopf ziemlich cool aussehen kann. Dazu noch lässig eine E-Gitarre umgeschnallt, das ist ihr Look und ihr Style, mit dem sie zu einem der populärsten countryfizierten Singer-Songwriter unserer Zeit wurde.

Aber vor drei Jahren erlitt die 69-Jährige einen Schlaganfall, seitdem kriegt sie das Gitarrespielen nicht mehr so richtig hin und auch bei ihrem Konzert in Berlin steht sie allein als Sängerin und ohne Instrument in der Hand im Mittelpunkt des Geschehens. Und ohne die geliebte Gitarre wirkt der Cowboyhut nur halb so lässig, denkt sie sich wahrscheinlich inzwischen.

Feministin in einer Macho-Welt

Dazu kommt: Zu viele Stetsons auf der Bühne würden ihre Countryeinflüsse vielleicht etwas überbetonen. Diese sind natürlich immer noch reichlich vorhanden, und doch hat sie sich seit Ihrem Debütalbum Ende der Siebziger einfach merklich von diesen emanzipiert.

Richtig erfolgreich und berühmt wurde sie erst Ende der Achtziger, als sie sich verstärkt Pop und Rock zuwandte und zu einem Star des sogenannten Alternative Country wurde. Ironischerweise lebt sie, die immer alles dafür getan hat, sämtlichen Klischees einer orthodox ausgelegten Countrymusik zu entfliehen, inzwischen ausgerechnet in Nashville, der ewigen Hochburg genau dieses Countrykatechismus.

Dass der Schlaganfall Spuren bei ihr hinterlassen hat, merkt man ihr an. Am Ende des Konzerts stellt sich ein Bühnenmitarbeiter hinter sie, um sie gegebenenfalls beim Abgang zu stützen, was ziemlich rührend aussieht. Bis dahin hat sie freilich bis kurz nach Mitternacht durchgehalten. Sie ist eben keine Frau, die sich so leicht unterkriegen lässt. In der machistischen Country- und kaum minder sexistischen Rockwelt hat man es als Feministin nicht immer leicht, das hat sie oft genug erfahren müssen.

„Du kannst mich nicht beherrschen“

Sie aber singt deswegen erst recht Lieder wie „You can‘t rule me“, dessen Titel auch auf einem der T-Shirts prangt, die von ihr verkauft werden. In diesem geht es um einen Typen, der sie schlecht behandelt hat und dem sie eindeutig klar macht: Aber mich brechen, mich beherrschen, nein, das kannst Du trotzdem nicht.

Im ausverkauften Heimathafen Neukölln bekommt sie ein geradezu ehrfurchtsvolles Pubikum geschenkt. Die Leute wissen wahrscheinlich: So viele Möglichkeiten, Lucinda Williams live zu erleben, wird es nicht mehr geben. Und sie genießt das, wirkt gerührt, wenn der Applaus am Ende ihres Auftritts einfach nicht enden will. Und so, wie sich ihr die Zuschauer und Zuschauerinnen ergeben, versucht umgekehrt auch sie, diesen ganz nahe zu kommen.

Vor den einzelnen Songs nimmt sie sich immer wieder ordentlich die Zeit, um in diese mit ihrem Louisiana-Südstaatenakzent einzuführen. So erklärt sie, dass ihr Song „Drunken Angel“ ihrem alten Freund Blaze Foley gewidmet sei, einem Singer-Songwriter, der ungefähr zu der Zeit verstarb, als sie selbst ihren großen Durchbruch hatte. Foley wurde erschossen. Sie berichtet von Foleys Eskapaden gemeinsam mit Townes Van Zandt, dem großen Übervater des Alternative Country, der sich viel zu jung zu Tode gesoffen hat. Zwei tragische Schicksale.

Aber von diesen zu berichten, von den dunklen Seiten des Lebens, das ist nun mal elementarer Bestandteil von Williams Schaffen. Das Thematisieren von Ängsten gehört da mit hinzu. So singt sie dann auch bald vom „Big black train“. Im amerikanischen Blues genauso wie im Country gibt es zig Lieder, die von Zügen handeln, berichtet sie. Der Zug sei dabei meist eine Metapher für den Aufbruch, für Abenteuerlust und Freiheit. Ihr großer schwarzer Zug dagegen, den sie besingt, sei einer, in den sie unter keinen Umständen einsteigen möchte.

Ausgiebige Gitarrensoli

Da sie im Country genauso zu Hause ist wie im Rock, beackern sie und ihre Band beide Genres fast paritätisch. Mal schnappt sich einer ihrer beiden Gitarristen seine Lap-Steel-Gitarre und lässt diese sehnsuchtsvoll seufzen, so dass man sich förmlich direkt in ein texanisches Blockhütten-Idyll am Waldesrand hineinträumen kann. Danach wird dann aber schon wieder gerockt, als befände man sich auf einem Konzert von Neil Young. Endlose Gitarrensoli inklusive.

Wobei man an dieser Stelle auch sagen muss: ein bisschen weniger selbstverliebtes Gegniedel auf der Elektrischen würde auch nicht schaden. Und wo man schon bei Neil Young ist: Mit einer Version von dessen „Rockin‘ in the free world“ lässt Williams ihr Konzert am Ende ausklingen. Mit einem astreinen Rockstück eines Rockers also, der wie Williams selbst nie ein Geheimnis daraus gemacht hat, dass seine Musik zwar nicht immer danach klingt, sie dem guten alten Country aber doch so einiges zu verdanken hat.

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