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Die Ringbahn benutzen unter Woche eine halbe Million Menschen - pro Tag.

© Paul Zinken/dpa

Berlins Endlosschleife: Die Ringbahn wird 150 und schickt einen Sonderzug auf Tour

150 Jahre, 27 Stationen, ein Kreis. Zum runden Geburtstag schickt die Bahn einen Sonderzug über den Ring.

Von Sonja Wurtscheid

„So, auf der linken Seite sehen Sie, warum es besser ist, S-Bahn zu fahren statt Auto“, sagt Alexander Kaczmarek, Bahnchef für Berlin, und deutet aus dem Fenster. Es ist Samstag, etwa halb 11 Uhr morgens, und auf der Stadtautobahn, auf Höhe des Bahnhofs Westend, stauen sich die Autos. Die S-Bahn rollt. Es ist der „Sonderzug 150 Jahre Ringbahn“. Zum Jubiläum drehen wir eine Runde um die Stadt. Los geht es am Treptower Park, in einem Geburtstagszug, außen beklebt mit Bildern aus 150 Jahren Berliner Ringbahn.

Auf den Tag genau, am 17. Juli 1871, wird der erste Ringbahn-Abschnitt eröffnet. Eine ringförmige Strecke, sagt Kaczmarek kurz nach Abfahrt, das sei eigentlich eher etwas für die Modelleisenbahn zu Hause. In der Realität sei der Betrieb einer Ringbahn ziemlich schwierig zu organisieren. Tritt an einer Stelle eine Störung auf, versinke schnell der ganze Ring im Chaos. Viele Berliner:innen dürften die Anzeigen an den Bahnsteigen kennen. Die Züge liefen nun mal im Kreis hintereinander, so wie „die Würstchen in der Pfanne“, sagt Kaczmarek.

Und Störungen gebe es viele: Menschen, die an Gleisen „spazieren gehen“ oder „sonst was an der S-Bahn machen“, oder die „Tradition“ aus Neukölln — „dass man seine alte Wohnungseinrichtung im S-Bahn-Graben entsorgt“.

Dabei muss die Ringbahn laufen, damit Berlin läuft: Werktags fahren eine halbe Million Menschen mit ihr. 27 Stationen, 1871 eröffnet – und damals vor allem eins: eine Bahn, die Berlin mit Kohle versorgt. „Der Ring hatte eine enorme Bedeutung für den Güterverkehr“, sagt Kaczmarek. Mehr als zehn Kraftwerke standen entlang der Gleise, ergänzt Sven Heinemann, Autor des Buchs „Die Berliner Ringbahn“. Etliche alte Güterbahnhöfe zeugen davon.

Bis 1929 fuhr die Ringbahn mit Dampf. „Hier war es nicht ratsam, weiße Wäsche aufzuhängen“, sagt Heinemann, sein Buch soll am 21. Juli erscheinen.

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Weiter geht es Richtung Westen, vorbei am Bahnhof Schöneberg, wo ganz in der Nähe früher Hufeisen (Stollen) produziert wurden. Als die Ringbahn kam, brauchte man zum Warentransport viel weniger Pferde. Vermutlich verschwand dann auch die Stollenfabrik. Der Sonderzug biegt nun in eine Kurve, Richtung Hohenzollerndamm, dem „einzigen Ringbahnhof, der im Jugendstil erbaut wurde“, wie Heinemann berichtet.

Zum 150. Jubiläum fährt ein Sonderzug für mindestens ein Jahr im Regelbetrieb.
Zum 150. Jubiläum fährt ein Sonderzug für mindestens ein Jahr im Regelbetrieb.

© A. Groth/S-Bahn Berlin

Der Autor kann zu jeder Station etwas erzählen, 56 Minuten am Stück, so lang braucht die Sonder-Ringbahn ohne Zwischenhalte zur Umrundung der Stadt. Zum Beispiel erzählt er die Geschichte eines missglückten Befreiungsversuchs aus dem Schlachthaus, als eine Kuh vom Zentral-Viehhof in der Nähe der Station Storkower Straße ausbüxte. Sie wollte wohl weiterleben— „nur hat sie sich leider die Ringbahn als Fluchtweg ausgesucht“. Ob die Kuh überfahren wurde, oder ins Schlachthaus zurück gebracht wurde, sei unklar.

Eine Station weiter, an der Frankfurter Allee, baute die DDR ihren ersten Containerbahnhof, sagt Heinemann. Dahinter fängt die Berliner Zukunft an: Das Ostkreuz entwickle sich zu einem der wichtigsten Bahnhöfe Berlins, sagt Kaczmarek. Es habe schon jetzt die meisten Zughalte in Deutschland. „Das ist die Nummer eins“, verkündet der Bahn-Chef, nicht ohne Stolz.

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