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Rumhängen in Prenzlauer Berg: Cansel Kiziltepe.

© Lars von Törne

Was wollen diese Kandidaten denn hier?: Berlins kuriose Wahlkreisgrenzen

Manche Politiker werben auch dort um Stimmen, wo sie dem Gefühl der Wähler nach nicht hingehören. Einige Wahlkreise sind eben anders zugeschnitten als die Bezirke – was manche Bürger ärgert.

Es ist nur eine vierspurige Straße, aber sie trennt Welten. Zumindest politisch gesehen. Wer westlich der Prenzlauer Allee durch Prenzlauer Berg läuft, stößt dieser Tage auf die Wahlplakate im Bezirk verwurzelter Direktkandidaten wie Stefan Liebich, Klaus Mindrup und Andreas Otto. Ein paar Meter östlich hingegen ist man zwar immer noch in Prenzlauer Berg, wird aber an jeder Laterne von Kandidaten wie Christian Ströbele oder Cansel Kiziltepe angeschaut, die gemeinhin mit Kreuzberg assoziiert werden und ein bisschen auch mit Friedrichshain, aber mit diesem Teil des Fusionsbezirks Pankow persönlich nicht viel zu tun haben.

Der Alt-Grüne und auch die aus Kreuzberg stammende SPD-Kandidatin „passen nicht zum Bezirk“, ist bei Gesprächen mit Pankower Wählern zu hören, die östlich der Prenzlauer Allee leben. Manche beklagen sich, sie lebten in einer Art Wahlkreis-Wurmfortsatz, der bloß ein Anhängsel eines anderen Wahlkreises sei und in dem die Kandidaten sich selten sehen ließen. Von Direktkandidaten aus Friedrichshain-Kreuzberg könne sie sich nicht vertreten fühlen, sagt eine Bewohnerin der Bötzowstraße.

In Berlin wurden vor elf Jahren die Wahlkreise neugeordnet

Dass es überhaupt Gegenden in Berlin gibt, in denen die Bezirksgrenze nicht mit der des Wahlkreises identisch ist, liegt an der Neuordnung der Wahlkreise vor elf Jahren, erklärt Geert Baasen, Geschäftstellenleiter der Landeswahlleiterin. Bis 2002 hatte Berlin 13 Wahlkreise. Seit der Reduzierung der Bundestagswahlkreise auf bundesweit 299 sind es aber nur noch zwölf. Die müssen so aufgeteilt sein, dass in jedem ungefähr die gleiche Anzahl an Bürgern lebt. Da Pankow mit rund 370 000 Einwohnern aber größer als der Durchschnitt und Spandau mit rund 220 000 unterdurchschnittlich klein ist, griffen die Planer ein.

So wurde Charlottenburg-Nord jenseits der Spree dem Wahlkreis Spandau zugeschlagen, Prenzlauer Berg-Ost fiel an Friedrichshain-Kreuzberg. Kritik von Wählern hat Geert Baasen seitdem noch nicht gehört. Die Bezirke seien zudem in sich schon so heterogen, dass zum Beispiel in Pankow die Unterschiede zwischen den Einfamilienhaussiedlungen im nördlichen Buch und den Szenevierteln von Prenzlauer Berg größer seien als die gegenüber Friedrichshain-Kreuzberg, sagt Baasen.

Für Bürger wäre es einfacher zu verstehen, wenn Wahlkreis und Bezirk identisch wären

Bei den Parteien kann man die Sorgen einzelner Wähler, die sich an den Rand geschoben fühlen, teilweise nachvollziehen. „Es ist schon netter und für den Bürger besser zu verstehen, wenn der Wahlkreis mit dem Bezirk identisch ist“, sagt Frank Bewig, Wahlkampfleiter des CDU-Bundestagsabgeordneten Kai Wegner. Der kandidiert in Spandau und Charlottenburg-Nord, ist aber vielen Menschen vor allem als Spandauer Politiker bekannt. In Charlottenburg-Nord engagiere Wegner sich aber mindestens genauso, sagt Bewig. Er absolviere zusammen mit dem dortigen CDU-Ortsverband genauso viele Termine wie in Spandau, wenn nicht sogar mehr.

Ähnliches ist auch aus Prenzlauer Berg-Ost zu hören. Die Enklave sei für Christian Ströbele ebenso wichtig wie der Rest seines Wahlkreises, sagt Heidi Kosche, Kreuzberger Abgeordnetenhausmitglied der Grünen und Mitglied des Ströbele-Wahlkampfteams. In der sogenannten Steuerungsgruppe für den Wahlkreis arbeiteten Grüne aus Prenzlauer Berg-Ost mit denen aus dem östlichen Nachbarbezirk eng zusammen, um auch bezirksspezifische Themen im Blick zu haben. Ströbele sei hier genauso präsent, mache Stände und habe Plakate aufgehängt wie überall im Wahlkreis. Ob das die Wähler überzeugt, zeigt sich am Sonntag.

Hier geht's zu unserer Serie zu allen zwölf Berliner Wahlkreisen.

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