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Bernd R. starb in der JVA Moabit. Auf Suizid deutet bisher nichts hin.

© Bernd Settnik/dpa

Bernd R. stand im Zentrum eines Justizskandals: Einer der bekanntesten Verbrecher Berlins ist tot

Obwohl er als gefährlich galt, kam der Sexualstraftäter Bernd R. frei. Er missbrauchte ein Mädchen, kam wieder in Haft. Nun ist er in seiner Zelle gestorben.

Bernd R., einer der bekanntesten Berliner Sexualstraftäter, ist überraschend tot in seiner Zelle gefunden worden. Entsprechende Informationen von Mitgefangenen bestätigten der Anwalt von R. und die Justizverwaltung dem Tagesspiegel.

Demnach wurde der 59-Jährige Montagfrüh bei der Zellenkontrolle in der JVA Moabit tot in seinem Bett gefunden, die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Hinweise auf einen Suizid gebe es nach Angaben der Justiz nicht, sagte Steffen Tzschoppe. Eine Obduktion sei allerdings noch nicht erfolgt.

R. hatte am Freitag vor seinem Tod von der Justiz erfahren, dass er von Moabit nach Tegel verlegt werden sollte, „davor hatte er Angst“, sagte der Anwalt. Vergeblich hatte Tzschoppe zuletzt versucht, eine Verlegung seines Mandanten nach Brandenburg zu erreichen.

In Tegel – wo R. fast die Hälfte seines Lebens verbrachte – hätte ihn Ärger erwartet: Mehrere Gefangene habe R. früher betrogen oder bei der Justiz belastet, hieß es in Tegel. Dort kursiert bereits das Gerücht, dass sich R. aus Angst das Leben genommen hat.

Dass R. im Jahr 2015 freikam, verdankte er einer bis dahin für nicht möglich gehaltenen Schlamperei der Berliner Justiz. Ein Richter hatte bei mehreren Sicherungsverwahrten die vorgeschriebene Untersuchung verschlampt.

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Zum Schutz der Allgemeinheit untergebrachte Verbrecher müssen regelmäßig von einem Gutachter auf ihre Gefährlichkeit hin überprüft werden. Ein Gerichtssprecher begründete die Panne damals mit „starker persönlicher und sachlicher Überlastung“ eines Richters.

Das Kammergericht bemängelte eine „insgesamt ungeordnete Aktenführung“ – und ließ R. frei. Laut Kammergericht wurden im Fall R. Entscheidungen in der Akte eines Mitgefangenen abgeheftet, Termine frisiert, Anfragen und Anträge der Verteidigerin ignoriert. Der Tagesspiegel hatte diesen Fehler der Justiz im Juli 2015 öffentlich gemacht.

Im Rausch ersticht er eine Frau – das war 1992

Die kriminelle Karriere des 1961 geborenen Bernd R. in Kurzform: Im Juni 1992 hatte er im Vollrausch eine Bekannte erstochen. Er kam mit dreieinhalb Jahren Haft davon. Wenige Monate nach der Freilassung zündete er die Wohnung einer Ex-Freundin an. Wieder Haft.

Dann im Juni 2003 eine Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs. Opfer war sein damals 15-jähriger Sohn. Der Hellersdorfer erhielt fünf Jahre und neun Monate Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Er verbüßte diese Strafe bis auf den letzten Tag.

Ende September 2008 trat er die Sicherungsverwahrung an, bis er am 12. Juni 2015 überraschend durch die Pforte der JVA Tegel in die Freiheit spazieren durfte, ohne jede Auflage.

Drei Tage zuvor hatte das Kammergericht dies entschieden, trotz der feststehenden Gefährlichkeit des Mannes.

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Ein fataler Fehler, wie sich drei Jahre später herausstellte. Der Sexualstraftäter lernte eine Familie kennen, die ihm ihre achtjährige Tochter anvertraute. Von Ende 2017 bis August 2018 missbrauchte er das Mädchen 21 Mal, fotografierte die Taten.

Die Festnahme des Mannes wurde durch einen Bericht des Tagesspiegels bekannt. Im April 2019 erging das letzte Urteil: sechs Jahre und erneut anschließende Sicherungsverwahrung.

In den 90ern brach Bernd R. aus der Psychiatrie aus

Es gibt bundesweit nur eine Handvoll Männer, die zwei Mal die Sicherungsverwahrung kassiert haben. Schlagzeilen hatte Bernd R. aber auch davor immer wieder gemacht. 1994 war er kurzzeitig aus der Psychiatrie ausgebrochen.

2009 blamierte er die Justiz, weil es ihm trotz strengster Kontrollen gelungen war, mit eingeschmuggelten Bauteilen einen internetfähigen Computer zu basteln. 2010 meldete die Justiz, dass bei ihm Kinderpornos auf einem in der JVA verbotenen Mobiltelefon gefunden wurden. Diese Angabe ließ sich später nicht beweisen.

„Der hat sich hier Feinde gemacht“

Dass Bernd R. Angst hatte, nach Tegel verlegt zu werden, war berechtigt. „Der hat sich hier Feinde gemacht“, sagte ein Häftling, der seit vielen Jahren in Tegel sitzt. Mehrfach gab es schwere Gewalttaten, weil „Kinderschänder“ in der Gefängnishierarchie auf der untersten Stufe stehen.

So wurde 2017 ein wegen schweren sexuellen Missbrauchs einsitzender 64-Jähriger angegriffen, er ist auf einem Auge erblindet.

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