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Bernhard Blaszkiewitz ist Direktor des Berliner Zoos und des Tierparks. Den Rummel um Knut mochte er nie.

© Davids/Radke

Bernhard Blaszkiewitz: Der Traditionalist aus Berlin

Der Berliner Zoo-Chef ärgert sich über die Werbekampagne aus Leipzig. Aber was hat der Berliner Zoo dem Konkurrenten entgegenzusetzen?

So sieht es Bernhard Blaszkiewitz, Vorstand der Zoologische Gärten Berlin AG und der Erste, der den Zoo in der West-City plus den Tierpark Friedrichsfelde leitet. Beide Einrichtungen bergen Superlative: Der Zoo ist mit „17727 Individuen in 1571 Formen“ der artenreichste der Welt, der Tierpark der größte Landschaftstiergarten Europas. Der Zoo ist die besucherstärkste Freizeiteinrichtung der deutschen Hauptstadt, gut 2,9 Millionen Besucher kamen vergangenes Jahr, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Läuft alles bestens. Wirklich?

Nicht ganz. Der Senat hat seine langjährigen Zuwendungen auf null heruntergefahren. Und es kam weniger Geld aus Testamenten und Nachlässen herein. Vergangenes Jahr gab es noch 1,3 Millionen aus der Landeskasse, weil der Zoo eine gesellschaftliche Aufgabe erfüllt. 2009 waren es sogar 1,6 Millionen Euro. Wie das ausgeglichen werden soll? „Das holen wir durch Eintrittsgelder und andere Einnahmen wieder rein“, sagt Direktor Blaszkiewitz, im Vorstand Chef fürs Zoologische. Zoo-Vorstandskollegin Gabriele Thöne, die Frau fürs Kaufmännische, hat eine Fundraising-Abteilung neu aufgebaut, sie wirbt um Sponsoren. Auch zwei Stiftungen gibt es. Dem Zoo stehen als Förderer das Unternehmen Wall zur Seite, die BVG, die Gasag. Die Wohnungsbaugesellschaft GSW hat ihre Finanzierung der Zooschule jedoch gekündigt. Sie unterstützt nun die Fördergemeinschaft für Zoo und Tierpark. Bernhard Blaszkiewitz schätzt das Altbewährte. Für Wegeleitsysteme oder Lehrprogramme auf Computerbildschirmen, wie sie Zoos in aller Welt bieten, ist er nicht zu haben. „Die Leute hängen den ganzen Tag stundenlang an Twitter und Facebook“, sagt er. „Computer lenken im Zoo nur vorm Wesentlichen ab.“ Das Tier selbst sei das Erlebnis. „Wenn die Leute entzückt Jungtiere beobachten können, dann ist die Kritik an der Zootierhaltung wie weggeblasen.“ Blaszkiewitz will kein „Halligalli“ und keine Fassaden, er will Tiere zeigen, möglichst viele.

Das habe einen Haken, sagt Thomas Ziolko von der Fördergemeinschaft von Zoo und Tierpark. Die gesetzlichen Vorgaben zur Tierhaltung sähen immer größere Quadratmeterzahlen vor, und das ziehe teure Baumaßnahmen nach sich. Daneben seien Sanierung und Erhaltung der oft jahrzehntealten Bauten und Anlagen kaum noch aus laufenden Mitteln zu stemmen. Im Zoo wird zwar gebaut und gebuddelt, der Charakter des Innenstadtzoos mit historischen Bauten soll aber erhalten bleiben. Bei den Kragen- und Lippenbären sollen vier Anlagen zu zweien mit Naturboden vereint werden, der Wassergraben wird zugeschüttet – macht zwei Millionen Euro. „Die Finanzierung aus Eigenmitteln steht“, sagt Blaszkiewitz. Außerdem entsteht ein neues Vogelhaus, 10,8 Millionen Euro. Je nach Saison sind 45 bis 65 Prozent der Zoo-Besucher Touristen. Unzählige Besucher kamen jahrelang extra aus dem Ausland, als die Meldungen zu Eisbär Knut und Pfleger Thomas Dörflein um die Welt gingen. Die Leute standen in Schlangen, Millionengewinne für den Zoo. Jetzt sind Tier und Pfleger tot, als habe ein Fluch auf dem Erfolg gelegen.

Blaszkiewitz ging der Rummel um Knut eher auf die Nerven, die Medien mussten den Zoo-Machern alles rund um Knut erst aus der Nase ziehen. Etliche Berliner liebten den Bären, nicht so sehr aber dessen Zoodirektor. Er musste vor dem Abgeordnetenhaus zu angeblich illegalen Tiertransporten aussagen, dazu, warum er Katzenbabys im Tierpark das Genick brach. Klagen gegen ihn vor Gericht liefen ins Leere. Zyniker gönnten es ihm sogar, dass ihm ein Zooaffe einen Finger abbiss. So weit war es gekommen. Blaszkiewitz hielt der Fotografenmeute den verbundenen Finger damals voll Verachtung entgegen. Der Zoodirektor und die Öffentlichkeit – eine Liebesehe ist das nicht. Dabei kann der Chef auch wortwitzig und schlagfertig sein. Und kämpferisch. Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass der Tierpark nach der Wende nicht geschlossen wurde.

Der Tierpark, das Sorgenkind. Er ist, anders als der Zoo, nicht allein überlebensfähig. 2009 schoss das Land laut Senatsfinanzverwaltung 6,8 Millionen zu, 2011 gab es noch 6,4 Millionen Euro Zuwendungen, Verhandlungen mit dem neuen Senat stehen an. Ein früherer Vorstandskollege von Blaszkiewitz wollte den weitläufigen Park mit Tieren in einen Themenpark, in eine Erlebniswelt umwandeln. Das passte nicht, er musste gehen.

Das neue Vorstandsduo Blaszkiewitz/Thöne legte nun einen „Masterplan“ vor: „Tierpark 2020 plus“. Und der Senat will, dass etwas geschieht. Der Tierpark mit seinem restaurierten frühklassizistischen Schloss – dort hat der Direktor sein Büro – hat zwar eine leicht steigende Besucherzahl, 1,05 Millionen waren es 2011, aber das genügt nicht. Das Potenzial soll weiter ausgeschöpft werden. Der Masterplan, ein Anliegen von Gabriele Thöne, liest sich wie ein schöner Traum. 70 Millionen würde es brauchen, die so schnell niemand hat. Die Finanzverwaltung bezeichnet das Konzept als „zu ambitioniert und zu kostenintensiv“. Ein didaktisches Gebäude soll entstehen, mit Labor- und Computerarbeitsplätzen, Laserprojektionen und Webcam-Kontakten zu Forschungs- und Wildtierstationen weltweit. Ein Themenpark mit einer nordamerikanischen Gebirgslandschaft unter dem Motto „Bootsfahrt zu den Rocky Mountains“ ist angedacht, und eine Familien-Erlebnis- und Spielfläche „Storchendorf“ mit Infos zur Evolution. Blaszkiewitz’ Lieblingsprojekt ist das Südostasienhaus. „Mit Menschenaffen, den Borneo-Orang-Utans, das wäre eine Attraktion.“ Ein Erlebnisbauernhof, eine Manatee-Unterwasserwelt, Elektrotaxis. Das alles soll nun im Modell visualisiert werden, um Geldgeber zu gewinnen.

Derzeit finanziell abgesichert ist der Umbau des Alfred-Brehm-Hauses, mit 3,3 Millionen Lottogeldern als Eigenmittel und 6,3 Millionen aus dem Umweltfonds der EU. Das Haus wird energetisch saniert, die Besucher sollen vielleicht schon ab Weihnachten in fünf Meter Höhe auf Hängebrücken durch Tropenwipfel laufen können. Die Großkatzen sollen größere und höhere Anlagen bekommen. Noch verziehen Gäste betroffen das Gesicht, wenn sie sehen, wie sich die Tiere im Winter auf dem harten Boden beim motorischen Hin- und Hertrotten die Tatzen wundlaufen. Die Eisbärenanlage soll noch 2012 eine Sichtscheibe bis zur Wasseroberfläche bekommen und behindertenfreundlich zugänglich sein. Und die Steinadler-Voliere wird größer.

Damit das mehr Leute sehen, wirbt der Zoo neuerdings auf Messen um Gäste aus Brandenburg, dem Ausland, Osteuropa. Schilder auf Japanisch oder Polnisch wird die Zielgruppe wohl vergebens suchen. Die Zooförderer fänden schwarzweiße „Quick Response“-Quadrate zeitgemäß, mit denen man per Handy Infos runterladen kann. Zookenner zeigen sich überrascht, dass der Traditionszoo sogar eine Facebook-Seite besitzt und an einer App fürs Handy arbeitet. Zooförderer Ziolko sagt, er würde sich mehr Bollerwagen als Fortbewegungsmittel für den Tierpark wünschen. Und Werbung im Hauptbahnhof. Nicht nur für den Zoo in Leipzig, auch für Zoo und Tierpark Berlin.

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