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Potenziale erkennen. Bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung sollten Arbeitgeber vor allem auf deren Stärken achten. Defizite lassen sich oft mit wenigen Hilfsmitteln kompensieren.

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Beschäftigung von Menschen mit Behinderung: Das Wesentliche im Blick

Für Firmen, die Menschen mit Behinderung einstellen möchten, gibt es viele Fördermöglichkeiten. Ein Leitfaden.

Wie verständigt man sich mit einer gehörlosen Mitarbeiterin? Ist ein Rollstuhlfahrer der Belastung im Betrieb gewachsen? Wie reagieren die Kunden auf eine Verkäuferin mit Down-Syndrom?

Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung wirft viele Fragen auf. Arbeitgeber fürchten Mehraufwand und längere Ausfallzeiten. Zu Unrecht. „Eine Behinderung ist nicht gleichzusetzen mit Leistungsminderung“, sagt Nora Fasse von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Mit der Internetplattform „Inklusion gelingt“ wirbt die BDA gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden der Wirtschaft für einen Bewusstseinswandel in den Betrieben. Denn die größten Barrieren sitzen in den Köpfen.

Dabei stehen Chefs, die Menschen mit Behinderung einstellen möchten, nicht alleine da. Fachleute der Arbeitsagenturen, der Reha-Träger und der örtlichen Integrationsämter und Integrationsfachdienste (IFD) greifen ihnen unter die Arme. „Bei Fragen zur Neueinstellung ist die zuständige Arbeitsagentur immer die erste Anlaufstelle“, sagt der Leiter des Berliner Integrationsamtes Ulf Meyer-Golling.

Die Arbeitsagentur berät zur Lage am Arbeitsmarkt, zur Gestaltung von Arbeitsplätzen, zu Arbeitsbedingungen und zu den möglichen Beschäftigungsformen. Denn neben Vollbeschäftigung kommen oft auch Alternativen wie Teilzeit, Tele- oder Heimarbeit in Frage.

„Gleichzeitig können Arbeitgeber Rat beim Integrationsamt einholen“, empfiehlt Meyer-Golling. Das hilft zum Beispiel bei der behindertengerechten Einrichtung des Arbeitsplatzes und der Einarbeitung von Betroffenen. Entscheidet sich ein Arbeitgeber dafür, einen Menschen mit Handicap zu beschäftigen, vermittelt die Arbeitsagentur geeignete Bewerber.

Unternehmer sollten jeden Fall individuell betrachten

„Entscheidend ist, Menschen mit Behinderung nach ihren individuellen Fähigkeiten einzustellen“, sagt Nora Fasse. Chefs und Personaler sollten sich dabei auf die Stärken und Potenziale konzentrieren. Und Menschen mit Behinderung nicht bloß auf ihre Einschränkungen reduzieren.

So sind Autisten, die besonders gut Muster und Strukturen erkennen, in der Informatikbranche gefragt. Menschen mit Down-Syndrom können dagegen durch ihre offene Art in Kindergärten, im Verkauf oder bei der Altenpflege eine Bereicherung sein.

Der Unternehmer müsse sich fragen, welche Anforderungen er an seine Mitarbeiter habe und ob bestimmte Beeinträchtigungen im konkreten Fall von Belang seien. „Es gibt keine Schablonen, die man anlegen kann“, sagt Meyer-Golling.

Arbeitsagentur gewährt diverse Zuschüsse

Und: Vielfalt in der Belegschaft zu fördern, muss nicht auf Kosten des Unternehmers gehen. Er spart die Ausgleichsabgabe, die ab einer Betriebsgröße von 20 Arbeitsplätzen entrichtet werden muss, wenn keine oder zu wenig Schwerbehinderte beschäftigt werden – und bekommt obendrein finanzielle Hilfe. Anträge stellt man bei der Arbeitsagentur oder beim Integrationsamt. „Die vorrangige Zuständigkeit liegt bei der Arbeitsagentur oder beim Rentenversicherungsträger“, sagt Meyer-Golling.

Arbeitgeber können in erster Linie Zuschüsse zum Arbeitslohn erhalten. Die Förderhöhe und Dauer richtet sich danach, wie stark die Arbeitsleistung eingeschränkt ist. In der Regel können Arbeitgeber über einen Zeitraum von 36 Monaten bis zu 70 Prozent des Gehalts als Förderung erhalten. Bei Arbeitnehmern ab 55 Jahre sind es sogar 96 Monate. Informationen erteilt der Arbeitgeber-Service der Bundesarbeitagentur.

Auch bei Azubis ist ein Zuschuss zum Lehrlingsgehalt von bis zu 80 Prozent möglich. Unternehmer, die Zweifeln haben, können Mitarbeiter in einer Probebeschäftigung testen. Auch hier kann die Arbeitsagentur die Personalkosten für bis zu drei Monate erstatten.

"Es lohnt sich, für alle"

Werden bestimmte Leistungen von der Arbeitsagentur nicht bewilligt, springt das Integrationsamt ein. Das betrifft vor allem Erleichterung am Arbeitsplatz wie höhenverstellbare Tische, Armlehnen für Stühle, große Computerbildschirme oder Vorlesesoftware für Blinde. „Wir haben aber auch schon einen Rasenmähertraktor mit einem speziell angepassten Sitz finanziert“, so Meyer-Golling.

Die Höhe der Förderung bei der Ausstattung oder dem Umbau von Arbeitsplätzen hängt von der gesetzlichen Einstellungsquote. Kleinere Unternehmen, die nicht verpflichtet sind, Menschen mit Behinderung einzustellen, werden sogar zu 100 Prozent unterstützt.

Doch trotz umfangreicher Fördermöglichkeiten bleibt mehr als die Hälfte der Firmen in Deutschland unter dem gesetzlich geforderten Minimum. Viele Arbeitgeber schreckt der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte ab. Dabei schalte sich das Integrationsamt nur dann ein, wenn die Kündigung im Zusammenhang mit der Behinderung stehe. „Bei über 80 Prozent der Fälle stimmen wir der Kündigung zu“, sagt Meyer-Golling.

Häufig steht auch die Sorge vor dem bürokratischen Aufwand im Weg. Hier sind besonders die Berater der Integrationsfachdienste gefragt. „Es gibt genug Beispiele, die zeigen: Es lohnt sich, für alle“, sagt Nora Fasse.

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