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Der schmale Radweg auf der Möllendorffstraße.

© Kevin Hönicke

Große Verkehrsdiskussion in Berlin-Lichtenberg: Besser schmale Radwege als gar keine?

Die SPD will sich für schmale Radwege einsetzen. Besser als gar keine? Die CDU tönt, mehr Radwege bauen zu wollen. Die große, schmale Radwegediskussion in Lichtenberg.

Berlin, deine Radwege. Die Möllendorffstraße in Lichtenberg hat einen äußerst schmalen. So schmal, dass man sich schon fast fragt, ob das überhaupt einer ist, eingequetscht zwischen Parkplätzen und Gehsteig. Das Foto hat Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) getwittert. Überholen ist auf diesem kurzen Stück eher nicht drin. Hönicke übte allerdings nicht etwa Kritik an dem Radweg, nein, er empfindet diesen als vollkommen ausreichend.

„Auf diesem schmalen Radweg fahre ich seit Jahren“, schrieb Hönicke. „Ich lebe noch. Er reicht mir und ich bin dankbar, dass ich nicht auf der Straße fahren brauche. Lieber so einen Radweg als gar keinen.“

Setzt man Überleben als Grundkriterium für den Radwegebau an, wird es aufgrund von zahlreichen Verkehrstoten in Berlin schnell zynisch. Dieser Weg in der Möllendorffstraße jedenfalls ist einfach zu schmal. Hönicke empfiehlt, entspannt zu bleiben, man müsse ja nicht überholen – und wenn doch, könne man ja auch einfach den Gehweg benutzen.

So zumindest kann man seine Worte deuten: „Und es ist auch nicht schlimm, wenn man einfach abwartet, bis es passt. Der Gehweg ist ja nicht ständig voller Menschen. Verstehe den Druck nicht. Vorausschauend fahren und gegenseitige Rücksichtnahme.“

Lieber so einen Radweg als gar keinen

Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) über den schmalen Radweg.

Hönicke ergänzt auf Nachfrage, er habe damit natürlich nicht gemeint, man solle auf dem Gehweg fahren. Das wäre ja auch gegen die Straßenverkehrsordnung und würde ein Ordnungsgeld kosten, sprich eine Straftat, zu welcher der Stadtrat hier aufrufen würde. Er, Hönicke, hält es jedenfalls für eine „merkwürdige Deutung“, wenn man seine obigen Sätze so interpretiert.

Empfiehlt der Stadtrat, auf dem Gehweg zu radeln?

Auf die Frage, wie man das denn sonst deuten solle, kommt dann diese Antwort: „Dass man auch auf einem schmalen Radweg eine Übersicht hat, um vorausschauend zu fahren, eine Übersicht hat, was kommt und wo Überholen bspw. möglich ist. Also man nicht nur ständig eingeengt ist.“ Aha … sei es drum.

SPD: lieder schmale Radwege als keine Radwege

Wenn es nach der SPD geht, werden weiterhin schmale Radwege gebaut. Besser als nichts, heißt es vom Landesvorstand. „Wir stehen für einen Ausbau der Radwege in Berlin im Zuge des Mobilitätsgesetzes. Dabei muss sich der Bau von neuen Radwegen an die Gegebenheiten vor Ort anpassen, sodass die Mindestbreiten des Mobilitätsgesetzes ggf. Flexibilität erfahren müssen, bevor es zu gar keinem Bau von Radwegen oder neuen Fußwegen kommt.“ Übersetzt könnte das bedeuten: Es soll auch kein Platz geschaffen werden für neue Radwege, Autoparkplätze sind weiterhin heilig.

CDU-Politiker verspricht mehr und bessere Radwege

Manche in der CDU spucken da größere Töne. Der Lichtenberger CDU-Abgeordnete Danny Freymark wird auf Twitter nicht müde zu betonen, dass der neue CDU-SPD-Senat mehr und bessere Radwege bauen werde als die Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und Linken, und das zwar nicht jetzt gleich, aber innerhalb der nächsten drei Jahre. Der seit 2017 geplante Radwege in der Siegfriedstraße habe im Senat zum Beispiel niemanden interessiert, so Freimark. Aber: „Wird anders, keine Sorge.“

Top, die Wette gilt, kann man da nur sagen und anmerken, dass es so viel schlimmer, zumindest in Lichtenberg, gar nicht werden kann: für die weiterhin gefährliche Siegfriedstraße (da hat es ein Radfahrer 2020 tatsächlich leider nicht überlebt) wäre schon ein schmaler Radweg eine Verbesserung und für den Bezirk der Überhauptbau von Radwegen Gold wert.

Wer ist schuld an der schlechten Infrastruktur?

Die CDU kann die Wette also eigentlich nur gewinnen, nachdem der jahrelange Verkehrsstadtrat Martin Schaefer (CDU) so gut wie keine Radwegeprojekte umgesetzt hat. Angeblich, so heißt es, standen ihm keine Mittel zur Verfügung. Allerdings, so sagt man, habe er diese auch nicht abgerufen.

Dass der unterdessen zum Bezirksbürger:innenmeister beförderte Schaefer kein Freund von breiten, geschützten Radwegen ist, weiß auch Freymark. Er gibt aber gerne der ehemaligen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch von den Grünen die Schuld, die zeitgleich mit Schäfer agierte.

Die aktuelle Situation stellt fast niemanden zufrieden

Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark über die Verkehrslage in Berlin.

Freymark müsste nicht nur Schaefer auf seine Seite holen, sondern auch den Regierenden für Berlin, Kai Wegner (CDU), der zuletzt sagte, Randbezirke würden nicht so viele Radwege benötigen – so werden wohl Randbezirke nicht so schnell zu Radbezirken und wir harren aus, ob sich in der CDU vielleicht eine Initiative für Radwege bildet, sich die Partei spaltet.

18 Tweets von Danny Freymark

Und Freymark legte auf Twitter nochmal nach, gleich in 18 Tweets: Ja, das Auto wolle die CDU ganz sicher nicht aus der Stadt verbannen. „Aber im Gegensatz zu den teilweise sehr autogerechten Räumen, die bereits große Flächen einnehmen, müssen wir auch Fuß- und Radwege massiv ausbauen und erhebliche Sanierungen vornehmen. Die Schieflage ist erkennbar. Die aktuelle Situation stellt daher fast niemanden zufrieden.“

Es fehle am Wohlwollen der Verantwortlichen, so Freymark weiter. Es solle „kluge Maßnahmen“ geben, wie zum Beispiel Fahrradstraßen, der begrenzte öffentliche Raum müsse neu aufgeteilt werden. Ja, so haben schon vor Jahren zahlreiche Personen argumentiert, die da noch von der CDU als „Radaktivisten“ beschimpft wurden.

Freymark betont, dass allein im Bereich des Ausbaus der Radwege für die Jahre 2021 und 2022 circa 19 Millionen Euro in Berlin liegengeblieben sind. Der CDU-Abgeordnete bittet nun, Vorschläge zu machen. „Machen Sie Vorschläge, sprechen Sie Ihre Abgeordneten an“, ruft er in Richtung Aktivist:innen, sprich „Rad- & Fusslobby“.

Das ist schon etwas lustig, da sich ja zahlreiche engagierte Bürger:innen die Finger wund tippen und melden, welche Radwege in Berlin der Verbesserung bedürfen. Und auch das für genau diesen Zweck vom Bezirk ins Leben gerufene Gremium namens „FahrRat“ wurde von Senatorin Schreiner bisher einfach ignoriert – ebenso Freymark hat den bezirklichen Thinktank für die Beratung bei Fahrradwegsfragen schon als zu grün beschimpft.

„Radbezirk Lichtenberg“ nicht zufrieden.

Es könnte allerdings zu einem Treffen kommen zwischen Freymark und den Leuten vom „Radbezirk Lichtenberg“. Zunächst gab es Beef auf Twitter: „Das ist halt die Rolle von Freymark in der CDU – the nice guy. Irgendwie etwas grüner als der Rest der CDU und man kann mit ihm reden. Für die Radinfrastruktur in Lichtenberg haben die früheren Gespräche mit ihm leider überhaupt nichts gebracht.“ Freymark konterte natürlich, es folgte eine lange Diskussion, und er schlägt am Ende ein gemeinsames Treffen in Hohenschönhausen vor.

Dass Freymark es ernst meinen könnte damit, hat er bereits bewiesen – er wollte die erste Radbrücke Berlins in Lichtenberg auf der Gehrenseestraße haben, doch die damalige Grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch reagierte nicht einmal. Und bei der Gehrenseestraße sind wir wieder beim Thema nacktes Überleben.

Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für den Bezirk Lichtenberg, hier einige Themen dieser Woche:

  • Ilsekiez: Grüne Innenhöfe weichen Wohnungen, aber ein Parkplatzareal soll erhalten bleiben
  • Parkplätze fallen weg: Breiter Radweg mit Pollern für die Scheffelstraße 
  • Die „Ehrenamtliche Plauderin“ und die „Plauderbänke“
  • Powerschwimmer und Kinder: ein Tag im Freibad

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