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Manche Bewohner waren im Haus, andere in Containern oder in Wohnwagen untergebracht.

© Simone Jacobius

Gefahr für Leib und Leben: Trailerpark in Berlin-Grünau geräumt

In einem illegalen Wohnpark am Adlergestell herrschen katastrophale Zustände. Am Mittwoch wurden 45 Bewohner umgesiedelt.

Von Simone Jacobius

Am Ammersee in Bayern hatte sie einen guten Job, hatte eine Wohnung, einen Mann und einen Hund. Doch der Mann entpuppte sich als Psychopath. Nadja musste fliehen und kam vor einem Jahr mit ihrem Hund nach Berlin. Die Stadt kannte sie schon. Doch Wohnraum ist in der Hauptstadt Mangelware. Für 560 Euro fand sie bei eBay Kleinanzeigen schließlich ein, wie es hieß, „nettes Apartment“ in Treptow-Köpenick. Als sie am Adlergestell 550/552 ankam, erlitt sie erstmal einen Nervenzusammenbruch: Das „schöne Apartment“ entpuppte sich als Container, die Anlage als Trailerpark von Ulrich Ziegler.

Wegen Manipulation wurde der Strom abgestellt

Ziegler ist auch Eigentümer des Grundstücks an der Moosstraße, das bereits geräumt wurde. In der Hönower Wiesenstraße in Lichtenberg ist man gerade dabei, einen Trailerpark aufzulösen.

Seit Mittwoch wohnt Nadja nun mit ihrem Hund Zeus in einer Pension. Der Trailerpark hat seine Wohnnutzungserlaubnis verloren, am Montag wurde der Strom abgestellt. Nach und nach werden den Bewohnern seit Mittwoch vom Sozialamt andere Unterkünfte vermittelt. Eine Blitzräumung war es jedoch nicht, betont das Bezirksamt.

Auf 2200 Quadratmetern direkt neben den Bahngleisen unterhalb des S-Bahnhofs Grünau befinden sich 77 Wohnmöglichkeiten, davon 37 Container. Manche Bewohner hatten ein Bett im festen Haus, das als Pension deklariert war. Andere schliefen in 30 völlig desolaten Wohnwagen, bei denen die Löcher im Dach mit Brettern verschlossen, die Dachfenster mit Klebeband versiegelt wurden.

Überall liegt Müll herum, vor manchen Trailern steht noch ein Wäscheständer. Ein Fahrradanhänger steht mittendrin, überall leuchten rote Feuerlöscher – die gibt es reichlich.

Dennoch: „Es bestand Gefahr für Leib und Leben“, sagt Baustadträtin Claudia Leistner (Grüne). Denn Fluchtwege gab es keine, überall liegt Müll herum, Ratten sind dort zuhause. „Die Wohnungsnot der Menschen wird hier ausgenutzt”, kritisiert sie.

Rattenbefall, fehlender Brandschutz und viele Kinder

Seit 2018 weiß das Bezirksamt von einer illegalen Wohnnutzung des Geländes. Nach Aufforderung des Bezirksamtes holte sich der Eigentümer zumindest eine Erlaubnis für das feststehende Gebäude, das fortan als Pension diente. Doch das stand nur auf dem Papier. „Es war von Anfang an eine klassische Wohnnutzung“, erläutert Leistner.

2022 kam dann letztlich die Androhung, alles zu beräumen, die Wohnnutzung zu untersagen. Die Gründe: fehlender Brandschutz, schwierige hygienische Verhältnisse, Rattenbefall, keine Absperrung zu den Bahngleisen. Hinzu kam eine völlige Überbelegung, auch viele Kinder waren dort untergebracht.

45
Bewohner sind am Mittwoch umgezogen

„Die hygienischen Zustände waren katastrophal“, sagt Nadja. „Aber die Menschen waren nett.“ Die Nachbarn werden ihr fehlen.

Nadja gehört zu den 45 Menschen, die am Mittwoch auf das Angebot des Sozialamtes eingegangen sind, in ein Hotel beziehungsweise eine Pension umzuziehen. Elf Bewohner mit Haustieren sind in einer Pension in Grünau untergekommen, so auch Nadja, alle anderen erst einmal in einem Hotel in einem anderen Bezirk. „Die Menschen waren nicht begeistert davon, ihr Zuhause zu räumen“, erläutert Sozialstadträtin Carolin Weingart (Linke). „Dennoch verlief die ganze Aktion friedlich und freundlich.“

Manipulierte Zähleranlagen führten zur Abschaltung

Das Bezirksamt, verschiedene soziale Träger und Streetworker waren schon lange im Gespräch mit den Bewohnern und dem Eigentümer. Auch eine Informationsveranstaltung zu Unterstützungsangeboten gab es.

Am Montag eskalierte die Situation. Die Stromnetz Berlin GmbH informierte das Bezirksamt über eine Prüfung der Stromanlagen in dem Trailerpark. Im Zuge der Überprüfung wurde festgestellt, dass die Stromversorgung eingestellt werden muss. Die Zähleranlagen seien manipuliert worden, es bestand eine unmittelbare Gefährdung der Bewohnenden. Ein unabhängiger externer Gutachter bestätigte den Befund.

© Simone Jacobius

Insbesondere die erhöhte Brandgefahr stelle ein nicht überschaubares Risiko für Leib und Leben der Bewohnenden dar, teilte die Stromnetz Berlin GmbH mit. Ein Aufschub der Stromabschaltung auf dem Gelände sei aus diesen Gründen nicht tragbar.

Für die Strom- und Wasserversorgung sowie die hygienischen Bedingungen ist allein der Grundstückseigentümer verantwortlich. Klaus Langer, selbsternannter Sozialarbeiter des alternativen Wohnprojekts, wie er es nennt, wertet die Reaktion als überzogen: „In den letzten Jahren gab es nie Probleme mit der Elektroinstallation – Sie plagiieren schlicht das Vorgehen des Bezirksamts Lichtenberg”, wirft er dem Bezirksamt vor.

Bewohnerzahl schwankt

Doch die Menschen jetzt im Winter ohne Strom und ohne warmes Wasser dort leben zu lassen, war für das Amt nicht mehr hinnehmbar. Viele der Bewohner sind auch auf das Angebot des Bezirks eingegangen. Doch wie viel Bewohner dort insgesamt leben, ist unklar. „Es waren diese Woche mehr Menschen da als noch letzte Woche. Es fluktuiert“, sagt Leistner.

Manche Bewohner waren im Haus, andere in Containern oder in Wohnwagen untergebracht.

© Simone Jacobius

Für drei Monate haben die umgesiedelten Bewohner jetzt erst einmal ein festes Dach über dem Kopf. „Wir bemühen uns, sie in der Zeit in eine Wohnung oder eine Einrichtung zu vermitteln“, so Weingart.

Die geräumten Container und Wohnwagen wurden versiegelt, damit sie nicht erneut bezogen werden. Bis zum 28. November soll der Trailerpark leer geräumt sein.

Die Sozialstadträtin hofft, dass sich viele der verbliebenen Bewohner zu einem Umzug bereit erklären – so wie Nadja. Sie hofft, doch noch eine eigene Wohnung in Berlin zu finden. Einen festen Job hat sie auf jeden Fall, das macht es schon ein bisschen einfacher. Dennoch wird sie ihr Jahr im Trailerpark als lustige Episode ihres Lebens in Erinnerung behalten, trotz der anfänglichen Nervenzusammenbrüche.

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