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Spielstraße

© Jessica Ebert

Spielstraße in Berlin-Charlottenburg: Wie Schüler der Halensee-Grundschule für eine Idee kämpften

Trotz zahlreicher Hürden und Rückschläge haben sich die Kinder am Ende durchgesetzt - und belegten sogar noch den zweiten Preis beim Deutschen Kinder- und Jugendpreis

Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir – das sagt sich so schön. Aber die Kinder der Halensee-Grundschule im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf haben diese altbackene Erwachsenenweisheit mit einer tollen Idee einfach mal umgesetzt. Und dabei weit mehr von den Beschwernissen des Lebens der Erwachsenen erfahren, als sie sich vorher hätten vorstellen können. Am Ende aber haben sie sich durchgesetzt. Erleben konnte man das letztmalig am vergangenen Mittwoch.

Fünfmal war im Mai und Juni der Abschnitt der Nestorstraße rund um den Hochmeisterplatz eine temporäre Spielstraße – übrigens in diesem Jahr die einzige in ganz Charlottenburg-Wilmersdorf. Fünfmal waren Autos ausgesperrt; fünfmal gab es einen Nachmittag lang statt Parkplätzen nun Rutschen, Turnmatten, Spielgeräte oder Roller für mehrere hundert begeisterte Kinder, außerdem wurde gemalt, oder Samenkugeln für Bienenwiesen hergestellt und Gewinnspiele veranstaltet.

Den Kindern wurden viele Hürden auferlegt

Der Weg zu diesem Erfolg war lang und beschwerlich. Denn ihren Vorschlag machten die Grundschüler bereits 2021 im Rahmen der bezirklichen Kinder- und Jugend-Demokratiekonferenz. Die Kinder wollten etwas Gutes für den Kiez tun und hatten sich dafür die Karlsruher Straße ausgesucht, die hinter ihrer Schule verläuft. Doch nachdem die Kinder in ihren wöchentlichen Sitzungen alles vorbereitet und auch bereits Flyer gedruckt hatten, untersagte das Bezirksamt kurzfristig die einmalige Sperrung am 22. September 2022 mit dem Hinweis auf Bauarbeiten. Der Zorn und die Enttäuschung der Kinder waren groß. Ihr öffentlicher Marsch zum Bezirksamt mit Übergabe eines Briefs an den Stadtrat aber gab ihrem Protest viel Aufmerksamkeit. Deswegen nun 2023 der zweite Anlauf.

Wieder wurde von den Grundschülern die Spielstraßen-Aktion monatelang vorbereitet und alle Hürden genommen. Gesucht werden musste auch eine andere Straße für die Aktion. Wie die Karlsruher Straße war auch die Katharinenstraße direkt vor der Schule nicht geeignet. So wurde schließlich die nahe Nestorstraße mit dem großen Spielplatz ausgewählt. Über einen Antrag der Kinder gab das Bezirksamt auch Geld für Spielgeräte und für die Unterstützung durch Honorarkräfte.

Ich finde es unmöglich, dass für eine solche niedrigschwellige Idee so viel Aufwand nötig ist

Jessica Ebert, Sozialarbeiterin an der Halensee-Schule

Doch der Beantragungsvorgang sei ausgesprochen mühsam gewesen, erzählt Jessica Ebert, die an der Halensee-Grundschule als Schulsozialarbeiterin tätig ist, mit heiserer Stimme. Es sei extrem viel Bürokratie gewesen, auch die Eltern mussten Erklärungen unterschreiben, und zuweilen hing die Spielstraßen-Aktion am seidenen Faden. „Ich finde es unmöglich, dass für eine solche niedrigschwellige Idee so viel Aufwand nötig ist“, sagt Jessica Ebert.

Das Engagement der Kinder wurde belohnt

Die heisere Stimme hat sie sich am vergangenen Wochenende auf der Reise mit 13 Kindern zum Europapark in Freiburg geholt – beim Happy End der Aktion. Dort nämlich wurden die Kinder mit dem zweiten Platz beim Deutschen Kinder- und Jugendpreis ausgezeichnet – in der Kategorie „Politisches Engagement“. Und 3000 Euro Preisgeld gab es noch dazu. Ein kurzes Video über das Projekt sehen Sie hier. Nur die Stimme von Jessica Ebert litt durchs Kreischen bei den anschließenden Achterbahn-Fahrten.

„Das Beste war, dass es geklappt hat“, sagt Ebert. „Diesen Erfolg werden die Kinder nicht vergessen.“ Die Grundschüler*innen hätten erfahren, dass sie ihre Stadt mitgestalten können und dass sie Anteil daran haben können, was in ihrem Kiez passiert. Warum könnt ihr keine regelmäßige Spielstraße machen, hätten Eltern gefragt. Das wäre schön, findet auch Jessica Ebert, aber die Halensee-Schule könne das nicht leisten. So bleibt die Spielstraßen-Aktion vorerst eine einmalige Sache. Außer es finden sich vielleicht genug Erwachsene, um es den Kindern nachzumachen. Viele Informationen und einen Leitfaden für temporäre Spielstraßen gibt es jedenfalls beim Bündnis Temporäre Spielstraßen hier.

Dieser Text wird in der nächsten "Ehrensache" erscheinen, dem Newsletter des Tagesspiegels für das Ehrenamt. Der erscheint immer am zweiten Mittwoch im Monat und Sie können ihn hier kostenlos bestellen.

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