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Wellen geschlagen. Die Hausboote mit den Flaggen waren am Vortag auch schon am Reichstagsufer.

© Mike Wolff

Aufregung in Berlin-Zehlendorf: Hilfe, die Russen sind da!

Am Großen Wannsee haben Boote mit Sowjet-Flagge angelegt. Da kann die Nachbarschaft schon mal nervös werden.

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Der kalte Krieg ist lange vorbei? Der heiße Krieg noch länger? Von wegen! Da braucht nur ein Hausboot mit sowjetischer Flagge am Großen Wannsee anzulegen, schon ist sie wieder da – die Angst vor den Russen. Na gut, man soll nicht ungerecht sein – der Mann, der am Mittwochvormittag beim Tagesspiegel anrief, hatte sicher die zahlreichen Meldungen über die geplante Einreise von Mitgliedern eines russischen Motorradklubs verfolgt. Deshalb vor allem muss ihm beim Anblick der Sowjet-Flagge sofort klar gewesen sein: Die „Nachtwölfe“ sind da!

Viele nennen sie "Putin-Rocker"

Irgendwie lag es ja auch auf der Hand – immerhin hatte die Bundespolizei am Donnerstag vergangener Woche drei mutmaßlichen Rockern des russisch-nationalistischen Motorradklubs am Flughafen Schönefeld die Einreise verweigert. Die „Nachtwölfe“, von vielen wegen ihrer Nähe zum russischen Präsidenten auch als „Putin-Rocker“ bezeichnet, wollen einen Motorradkorso in Treptow veranstalten – am 9. Mai. Für sie ist das schließlich der 70. Jahrestags des Sieges der Roten Armee über Deutschland. Was lag also näher, als dass sie nach der missglückten Einreise über Schönefeld auf anderen Wegen in Berlin eindringen würden?

Wachsame Berliner

Doch die klammheimliche Landung am Wannsee wurde von wachsamen Berlinern beobachtet. „Ich traute meinen Augen nicht, als ich das Boot mit der sowjetischen Flagge sah“, erzählt ein Mitarbeiter eines Segelvereins. „Hammer und Sichel – das habe ich lange nicht mehr gesehen. Dahinter waren noch zwei weitere Hausboote mit russischer Flagge.“ Die drei Hausboote waren schnell entdeckt – die Suche nach den „Rockern“ verlief schwierig. „Ja, ich habe ein paar Männer gesehen, die hatten so ’ne Losungen auf den T-Shirts“, sagt ein Passant: „Aber wie Rocker sahen die nicht aus, und es waren auch Frauen und Kinder dabei.“

Im Haus der Wannsee-Konferenz

Im Restaurant „Seehase“ weiß die Kellnerin gleich Bescheid. „Russen? Ja, die haben hier gegessen. Aber das waren mit Sicherheit nicht die Putin-Rocker.“ Das sagt auch die Chefin des Vereins, bei dem die Hausboote für ein paar Stunden angelegt haben: „Das sind ganz freundliche Touristen.“ Wenig später sind die vermeintlichen Rocker gefunden. Im Haus der Wannsee-Konferenz können sie ihre Überraschung nicht verbergen. „Wir machen jedes Jahr Bootstouren“, sagt ein Mann. „Diesmal wollten wir das gern mit einer Besichtigung der historischen Gedenkstätten in Berlin verbinden.“ Und die sowjetische Flagge? Das sei ein Spaß, sagt der Russe, der in Dubai lebt: „Wir haben ein paar ehemalige Angehörige der Roten Armee dabei, die fanden das witzig.“ Von den „Putin-Rockern“ haben sie gehört, aber nicht gedacht, dass das Thema hier eine so große Rolle spielt.

Einreiseverweigerung war nicht rechtmäßig

Das Thema beschäftigt inzwischen sogar die Justiz. Zwei der Männer, denen in Schönefeld trotz gültiger Schengen-Visa die Einreise verweigert wurde, zogen vor das Berliner Verwaltungsgericht. Das stellte in einem Eilverfahren jetzt fest, dass die Verweigerung der Einreise nicht rechtmäßig gewesen sei. Zwar könne nach dem Schengener Grenzkodex Inhabern gültiger Schengen-Visa die Einreise unter anderem verweigert werden, wenn sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Hinreichende Anhaltspunkte hierfür bestünden aber nicht.

Ob der Korso stattfindet, ist unklar

Die Bundespolizei will gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen. Allerdings dürfen die „Nachtwölfe“ nun erst einmal einreisen – solange es keine weitere Entscheidung gibt. Ob der Korso stattfinden wird, ist noch unklar. Bisher sind bei der Senatsverwaltung für Umwelt lediglich zwei Anfragen per E-Mail gestellt worden, ein von der Behörde geforderter Antrag wurde nicht gestellt. Und die Bundespolizei hat derzeit keine Erkenntnisse darüber, ob bereits weitere „Nachtwölfe“ in die Bundesrepublik eingereist sind. Über den Wannsee jedenfalls nicht

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