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So könnte der Neue Markt aussehen, rekonstruiert auf dem Grundriss, der bis zum Krieg existierte. Links im Bild steht die Marienkirche. In der Mitte des Platzes ist das Luther-Denkmal zu sehen.

© Simulation: GhB

Brache zwischen Fernsehturm und Stadtschloss: Senator Geisel will 2015 Entscheidung über historische Mitte

Da hat einer große Pläne: Bausenator Andreas Geisel sucht die Entscheidung im Streit um die Gestaltung der historischen Mitte. Ein Überblick über die Gefechtslage zwischen Fernsehturm und Schloss, rund um den Alex und am Molkenmarkt.

Das Rote Rathaus in die zweite Reihe verdrängt, der Fernsehturm über den Dächern der Neubauten emporragend und im Zentrum, mitten auf dem Platz, der große Kirchenreformer Luther wieder auf seinen Sockel gehoben. So könnte sie aussehen, die historische Mitte 2.0, um es mal so zu sagen. Denn was die Gesellschaft historisches Berlin um Gerhard Hoya da in einer Broschüre voller bunter Bilder vom Rathausforum vorgelegt hat, ist eine Vermählung von Geschichtlichem und Zeitgenössischem und damit Wagnis sowie Provokation zugleich.

Die Pläne kommen zur rechten Zeit, denn 2015 wird das Jahr der historischen Mitte. Berlins neuer Bausenator Andreas Geisel erklärte am Montag: Der Neue Markt, die ganze Brache zwischen Fernsehturm und Schlossneubau, dazu noch der Molkenmarkt südlich vom Roten Rathaus und auch den Alexanderplatz will er „zur Entscheidung bringen“. Große Teile der historischen Mitte sind das. Und es sind die Flächen, über die am heftigsten gestritten wurde. Für die Stadtplanung in Berlin wird es ein spannendes Jahr.

Zwischen Turm und Schloss

Über die Entwicklung dieses Areals mit „Rathausforum“ und Neuem Markt herrscht Einigkeit: Ein „öffentliches Dialogverfahren“ soll alle einbinden – Experten, Berliner, Touristen, Historiker, Unternehmer, Anwohner – und die besten Ideen zu dessen Nutzung einsammeln. Ende des Jahres will Geisel Ergebnisse als „Manifest“ dem Abgeordnetenhaus vorlegen, das dann entscheidet, wie das Areal genutzt wird. Welche Gebäude und Plätze dazu erforderlich sind, entscheiden dann Wettbewerbe: zum Städtebau und zur Architektur.

Rund um den Alexanderplatz

Mehr als sieben Jahre sind die Baugenehmigungen in Kraft, passiert ist wenig. Das Park-Inn-Hotel reißen die Eigentümer nicht ab, wie einst vorgesehen, um Platz für zwei neue Türme zu schaffen. Auch die sanierten DDR-Bauten der TLG bleiben stehen. Trotzdem braucht es Korrekturen, damit Passanten besser vom Alex in umliegende Quartiere gelangen und das Bauland nach aktuellen Bedürfnissen entwickelt werden kann. Dazu hat sich Senatsbaudirektorin Regula Lüscher mit Architektur-Altmeister Hans Kollhoff versöhnt. Dessen überholten Masterplan überarbeiten sie gemeinsam. Der Alex ist auf der Agenda des Bausenators.

Da soll sich was tun in der historischen Mitte: Neuer Markt und Rathausforum, Alexanderplatz, Molkenmarkt, Stadtschloss-Neubau
Da soll sich was tun in der historischen Mitte: die Schauplätze in der Tagesspiegel-Grafik.

© Tsp/Bartel

Am Molkenmarkt

Fertig sind die Pläne schon lange für eine grundlegende Veränderung des Quartiers südlich vom Roten Rathaus. Die breite Verkehrsschneise – Leipziger und Grunerstraße – soll schmaler, umgelenkt und am Rathaus vorbeigeführt werden. Auf den frei werdenden Flächen entstehen Wohn- und Geschäftshäuser. Auch die Straßenbahn, die vom Alex über Molkenmarkt, Leipziger Straße und Potsdamer Straße fährt, soll am Kulturforum enden. Bisher hatte die Autolobby um ADAC und CDU die Pläne blockiert. Geisel zufolge zeichnet sich ein Kompromiss ab. Er kündigte am Montag „Baupläne“ an.

Die Simulation zeigt den möglichen Verlauf zwischen dem Roten Rathaus und dem Molkenmarkt (rechts). Die Straße würde verschwenkt. Wer von der Leipziger kommt, müsste rechts zum Alex abbiegen.
Berlins neue Mitte: Diese Simulation zeigt den möglichen Straßenverlauf zwischen dem Roten Rathaus und dem Molkenmarkt (rechts). Vor dem Stadthaus stehen in dieser Zeichnung bereits Gebäude, wo heute noch der Autoverkehr entlangrollt. Die Straße würde verschwenkt. Wer von der Leipziger Straße kommt, müsste in Zukunft rechts zum Alex abbiegen.

© Simulation: promo

Die erste Maßnahme erfolgt schon am 16. Februar, so Geisel: das „öffentliche Dialogverfahren“ zum Rathausforum. In Abgeordnetenhaus und Koalition gibt es grob gesagt drei Positionen: Freunde einer Erhaltung des gegenwärtigen Zustands als Städtebau aus DDR-Zeiten (in der Linken verbreitet), Befürworter einer Rekonstruktion von Straßen und Plätzen, wie sie bis zum Krieg hier bestanden (CDU-Fraktion), Fürsprecher eines „grün geprägten Freiraums“ mit Ergänzungsbauten (SPD-Fraktion).

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher bevorzugt eine zeitgenössisch aufpolierte architektonische Moderne, beugt sich aber dem Druck der historisch interessierten Bürgerschaft ein wenig: Die Fundamente von Höfen und Bürgerhäusern an der Breiten Straße, von Petrikirche und Klosterschule am Petriplatz, vom Lutherdenkmal an der Marienkirche sowie vom Vorgängerbau des Roten Rathauses gegenüber desselben will sie „sichtbar“ machen. Ein „archäologischer Pfad“ durch das historische Zentrum ist geplant. Grünen-Vertreter begrüßen das, weil es Berlin-Besuchern dient und das die Kassen klingeln lässt. Auch Geld gibt es dafür vom Bund (GRW-Mittel).

Dialog ja, aber am Ende entscheidet das Parlament

Über die Ergebnisse des „Dialogverfahrens“ entscheiden letztlich die Machtverhältnisse im Parlament. Bausenator Geisel sagt, er sei „persönlich“ kein Anhänger historischer Rekonstruktion und liegt damit auf Lüschers Linie. Deren Haltung stärkte schon Geisels Vorgänger, Regierungschef Michael Müller (SPD).

Wie eine Rekonstruktion aussähe, zeigt Hoyas Stadtkern-Hybrid : Die simulierten Bauwerke stehen an Straßen und Plätzen, die bis zum Krieg das Rathausquartier prägten. Bei der Gestaltung der Fassaden wählte der Bauingenieur eine Mischung aus historischen und zeitgenössischen Gestaltungsmerkmalen. Als Tribut ans Zeitalter von Kapital und Rendite hat er hier und da ein Stockwerk mehr zugelassen als historisch üblich war. Das Ergebnis schockiert jedenfalls nicht, sondern erinnert ein wenig an das Gestaltungs-Patchwork der Friedrichstraße, allerdings mit historischen Schrägdächern statt moderner Staffelgeschosse. Für die erstklassige Lage mag man mehr erwarten – für eine städtebauliche Skizze ist das überraschend stark.

Platz für 100 Wohnungen auf 10.000 Quadratmetern

Platz für etwa 100 Wohnungen böte das Areal, 10.000 Quadratmeter, hinzu käme ebenso viel Fläche für Büros, Kanzleien und anderes Gewerbe. Und auf noch einmal weiteren 10.000 Quadratmetern entstünden in den untersten Geschossen Cafés und Restaurants, Kioske oder Modeläden. Im Mittelpunkt des Ensembles steht der Neue Markt und der hat bei Hoya „genau dieselbe Dimension wie vor dem Krieg“. Luther steht wieder mittenmang und auch für ein wenig Grün mit ein paar Bänken im Schatten von Platanen ist noch Platz.

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