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Reife Trauben der Sorte "Bachus" hängen an einer Weinrebe des Weingut Patke in Brandenburg.

© Patrick Pleul

Klimawandel: Brandenburger Wein profitiert vom warmen Wetter

Der Klimawandel zwingt Brandenburgs Landwirte zum Umdenken. Längst gibt es nicht nur Spreewaldgurken und Mais in der Mark.

Peter Kaim muss nur auf seine Felder schauen, um zu erkennen, wie er mit dem Klimawandel umgehen muss. „Meine neue Wildkräutermischung steht richtig gut, aber der Mais daneben vertrocknet gerade und wächst nicht mehr“, sagt der Landwirt, der seinen Hof in Ribbeck im Havelland westlich von Berlin bewirtschaftet. Beides, Wildkräuter und Mais, nutzt Kaim für seine Biogasanlage. Die Samen der Kräuter sind zwar etwas teurer, dafür muss Kaim sie im nächsten Jahr nicht wieder sähen. „Die blühen jetzt die nächsten sechs bis zehn Jahre“, sagt er. Viel wichtiger aber: Die Wildkräutermischung schlägt tiefere Wurzeln und kommt fast ohne Wasser aus.

Brandenburg erlebt 2018 einen Jahrhundertsommer – mal wieder. Seit Ostern hat es nur einmal flächendeckend geregnet, längst herrscht überall Dürre und Waldbrandgefahr. Auch für die kommenden Tage erwarten Meteorologen Hitze und Sonnenschein. Für die Landwirte in der Mark hat das teils existenzielle Folgen. Sie erwarten, wie schon im vergangenen Jahr als es tagelangen Starkregen gab, schmerzhafte Ernteausfälle. Wie 2017 wird wohl auch in diesem Jahr das Land den Bauern finanziell unter die Arme greifen müssen, damals waren mehr als acht Millionen Euro an 126 Betriebe ausgezahlt worden. Bei einem Treffen mit dem Landesbauernverband am Donnerstag stellte Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) Hilfen in Aussicht.

„Landwirte müssen sich den klimatischen Veränderungen anpassen“

Krisensubventionen, da sind sich alle Beteiligten einig, könne aber keine dauerhafte Lösung sein. „Unsere Landwirte müssen sich den klimatischen Veränderungen anpassen“, sagt Thorsten Mohr, Referent für Ackerbau beim Brandenburger Landesbauernverband in Teltow. Dort beobachtet man extreme Wetterphänomene bereits seit Jahren mit Sorge, denn dagegen sind die Bauern schutzlos. „Wir bemerken auch, dass seit Jahren der April und Mai immer trockener werden.“

Trockenzeit. Nicht alle Pflanzen trifft das Wetter gleich.

©  P. Pleul/dpa

Darauf könnten die Landwirte im Gegensatz zu schlagartigen Wetterveränderungen aber noch reagieren, sagt Mohr. Er erwartet, dass sich das Anbauspektrum im Land verändern wird, hin zu robusteren Pflanzen. „Roggen und Wintergerste, die weniger Wasser benötigen, werden mehr, Weizen wird weniger werden“, prognostiziert Mohr. Den Anbau von Oliven, wie ihn Klimaexperte des Rückversicherers Munich Re, Ernst Rauch, zuletzt in einem Tagesspiegel-Interview gefordert hatte, erwartet Mohr dagegen vorerst nicht: „Dafür sind die Winter noch zu kalt.“ Immerhin Auberginen würden inzwischen aber in Brandenburg gepflanzt werden – in Gewächshäusern.

Tatsächlich gibt es in Brandenburg noch keinen Olivenbauer, jedenfalls führt das Landwirtschaftsministerium darüber keine Statistik. Auch Anbauzahlen von Zitrusfrüchten finden sich in entsprechenden Auskünften nicht. Dabei sei die Produktion von südeuropäischen Produkten möglich, berichtet Manfred Lindicke. In Werder an der Havel betreibt er seit mehr als 25 Jahren Weinbau, auf einer Versuchsfläche hat er insgesamt 145 verschiedene Rebsorten gepflanzt. „Ich habe hier auch 20 Stöcke Tempranillo und Shiraz.“

Vom Wetter profitieren die Weinbauern

Klimatisch sei der Anbau inzwischen unproblematisch, im Moment sei es sogar zu heiß und trocken. Anspruchsvoll seien nur die Böden, und auch die Kunden würden leichtere, weniger alkoholreiche Weine bevorzugen. Zurzeit baut Lindicke vor allem Müller-Thurgau, Sauvignon-Blanc und Dornfelder an. „Für uns macht es noch keinen Sinn, auf den Klimawandel mit neuen Sorten zu reagieren“, sagt er.

Auf die Qualität seiner Weine habe sich das wärmere Wetter aber schon positiv ausgewirkt. „Wir haben hier richtig gute Weine – auch wenn viele Sommeliers das ignorieren“, ärgert er sich. Dabei sei Brandenburg historisch eigentlich eine Weinregion. Im Mittelalter bauten vor allem Mönche die Trauben an. Allein in Werder, wo Mitte des 18. Jahrhunderts nur 192 Einwohner lebten, gab es rund 30 Weinmeister, die rund 100 Hektar bewirtschafteten. Durch den Niedergang der Klöster und die kleine Eiszeit geriet die Tradition jedoch in Vergessenheit. „Jetzt müssen wir uns hier mit Vorurteilen rumschlagen“, sagt Lindicke.

Vorbehalte hatte anfangs auch Peter Kaim auf seinem Hof in Ribbeck. „Bei mir entstand dieses neue Denken aus der ökonomischen Not heraus“, erinnert sich der gebürtige Bayer an das Jahr 2007. Als einer der ersten Bauern in Brandenburg achtete er damals auf eine nachhaltige und wassersparende Bodenbearbeitung. „Dann stiegen die Erträge wieder“, sagt Kaim. Weniger Kosten, mehr Ertrag – eine Win-Win-Situation.

Seine Äcker pflügt er inzwischen nur noch marginal, damit sie möglichst wenig Feuchtigkeit verlieren. „Am liebsten würde ich die Böden ganz in Ruhe lassen, aber dann müsste ich Glyphosat sprühen.“ Außerdem achtete er mit Untersaaten darauf, dass die Böden stets im Schatten der Pflanzen bleiben. „Nächste Woche holen wir den Roggen rein, dann haben wir schon Rot-Schwingel gesät.“ Den wiederum kann er dann noch an seine Rinder verfüttern. Sein Erfolg ist nicht unbemerkt geblieben. Längst melden sich bei Kaim Bauern, die wegen der Dürre in Not geraten. „Wir Bauern können uns ja helfen“, sagt er selbstbewusst. „Wir wollen nicht die Natur verändern, sondern nur besser mit ihr umgehen.“

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