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Der scheidende Regierungschef tourte mit der Presse im Gefolge über den Elbradweg auf dem Deich bei „Böser Ort“ nahe Lenzen.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburgs Regierungschef: Matthias Platzeck strampelt sich noch mal ab

Fragen zum Schlaganfall und Rücktritt, die Matthias Platzeck auf der Tourismusfahrt mit Journalisten beantworten muss, nerven ihn. Obwohl Brandenburgs Regierungschef nur bis zum 28. August regiert, erweckt er nicht den Eindruck, als ob er sich gänzlich aus der Politik zurückzieht.

Los geht’s! Und schon tritt Matthias Platzeck in die Pedale, und wie. Bei brütender Hitze geht es dann in straffem Tempo zehn Kilometer nach Cumlosen über den Elbradweg auf dem Deich, an dessen Oberkante noch vor ein paar Wochen das Wasser stand. Nun plätschert der Strom gemächlich dahin. Und Brandenburgs Noch-Regierungschef hat Spaß dabei, den Tross von gut dreißig strampelnden Journalisten hinter ihm ins Schwitzen zu bringen. Nein, so die unausgesprochene, aber klare Botschaft, Schlaganfall hin, Amtsaufgabe her, ein Wrack sei er deswegen ja noch lange nicht. Irgendwann an diesem Tage, als er sich zum hundertsten Mal zu seinem Befinden erklären soll, entfährt ihm ein leiser Stoßseufzer: „Die Krankheitsfragen gehen mir langsam auf den Nerv.“

Werbetour wird zur Abschiedstour

Wie seit 2002 jedes Jahr hat Brandenburgs Regierungschef zu einer Sommerpressefahrt geladen, eine Werbetour, die in Tourismusregionen führt. Diese, die elfte, wurde kurzfristig in die Prignitzer Elbtalauen verlegt, da wegen des Hochwassers Gäste ausblieben. Und nun wurde sie plötzlich zu seiner letzten, zur Abschiedstour, wie so viele Termine in diesen Tagen bis zum Rücktritt am 28. August. Kalt lässt ihn das nicht, wie er in Potsdam beim Start der Tour erzählt. „Klar, ein bisschen Wehmut ist dabei. Und Trennungsschmerz.“ Trotzdem, bislang habe es keinen Moment gegeben, an dem er seinen Entschluss bereut hat. „Ich ringe vorher mit mir. Wenn ich mich entschieden habe, dann ist es durch.“

Es ist eine Tour, in der sich für den Regierungschef, diesmal leger mit Jeans und sportlichem Hemd, auch Kreise schließen, es immer wieder politische wie persönliche Bezüge gibt. Etwa auf dem zurückverlegten Deich am „Bösen Ort“ nahe Lenzen, dem berüchtigten Elbeknick, an dem er schon 2003 als „Deichgraf“ stand. Damals mussten 1,2 Millionen Sandsäcke verlegt werden, diesmal, nachdem der Deich zurückverlegt worden war, „kein einziger mehr“. Da schwingt Genugtuung mit, da wird er ein bisschen sentimental. „Natürlich bekommt man ein besonderes Verhältnis zu Deichen.“

Bis zum 28. August wird Platzeck regieren und im Wahlkampf helfen

Oder, der Fahrer: Günter Angerer, 63 Jahre, Unternehmer aus Potsdam, Herr einer Flotte von 40 Bussen. Selbstverständlich, dass der Chef bei der „leider letzten Fahrt“, wie Anger mit belegter Stimme sagt, persönlich fährt. Er kennt Platzeck lange, hat ihn schon kutschiert, als er Oberbürgermeister in Potsdam war und vor der Bundesgartenschau 2001 Deutschlands Landesfinanzministern seine Stadt zeigte. „Da war er der Reiseführer.“ Er habe Verständnis, dass Platzeck aufhören muss, „wenn man sich zwischen Politik und Leben zu entscheiden hat“, sagt Angerer. „Ich finde es schade, dass er geht, nicht nur menschlich, sondern auch politisch.“ Ja, das sage er, obwohl er in der CDU sei. „Er hat viel bewegt.“

Die erste Station, Burg Lenzen, eine mittelalterliche Anlage, alles schmuck herausgeputzt, mit dem Besucherzentrum für das nahe Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe und einem romantischen Hotel. Als es der BUND aus Niedersachsen Anfang der 90er Jahre übernahm, war es eine Ruine. Es fehlte Geld, es gab Misstrauen in der Bevölkerung, Widerstände, wie sich Platzeck erinnert und scherzt. „Naturschützer kamen gleich nach Wessis.“ Als Umweltminister hatte er geholfen, dass Gelder bewilligt wurden.

Nein, es ist nicht so, dass die Leute in großen Scharen herbeiströmen, um dem scheidenden „Landesvater“ zu huldigen, nirgendwo. „Er ist ja nicht weg“, sagt Harald Pohle, 63, der Bürgermeister von Cumlosen. Es ist genau so, wie es Matthias Platzeck mag. „Brandenburg ist kein hektisches Land. Und das Leben geht weiter.“ Auch für ihn, er werde bis zum 28. August regieren, im Wahlkampf mithelfen, und auch dann weiter aktiv sein.

Und das klingt nicht so, als ob da einer spricht, der sich aus der Politik verabschieden will.

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