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Schulpolitik: BVG-Fahrplan bestimmt Abitur

Schüler und Eltern ärgern sich über die Vergabepraxis von Plätzen an den Berliner Gymnasien. Inziwschen fordert auch der Lehrerverband, das Schulgesetz zu ändern. Doch bisher gilt: Wer am schnellsten mit der BVG die Schule erreichen kann, gewinnt.

Sechstklässler Toralf Ließnick hat sich dieses Schuljahr besonders angestrengt, weil er es unbedingt aufs Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasium schaffen wollte.Wie seine Schwester. Am Ende waren seine guten Noten vergebens, weil er im falschen Ortsteil wohnt – in Französisch-Buchholz. Ein Einzelfall ist er nicht: Am beliebten Luxemburg-Gymnasium bewarben sich 153 Schüler um 64 Plätze für die siebten Klassen. In mehr als 120 Fällen entschied der Bezirk nach dem Kriterium der Erreichbarkeit, also wie lange der Schüler mit der BVG zur Schule braucht. So sieht es das Schulgesetz vor.

Katharina Molina hatte sich für ihren Sohn Gabriel das Rosa-Luxemburg-Gymnasium, das Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Prenzlauer Berg und das John-Lennon-Gymnasium herausgesucht. "Gabriels Vater stammt aus Costa Rica, deshalb wollte wir unbedingt eine Schule mit Spanisch als zweiter Fremdsprache", sagt Molina. Letztlich bekam die Familie ein Gymnasium zugewiesen, an dem Gabriel nur Französisch lernen kann.

Gymnasien wollen sich die Schüler selbst aussuchen

Die Vereinigung der Oberstudiendirektoren sieht wegen solcher Fälle dringenden Handlungsbedarf: Die Gymnasien sollen ihre Schüler selbst aussuchen können, die Erreichbarkeit als Kriterium wegfallen. Derzeit geben zunächst Sprachenfolge, bereits begonnene Musik- oder Sportbetonung, Wahlpflichtangebot und Gymnasialempfehlung den Ausschlag. Verbleiben dann immer noch mehr Bewerber als Plätze, greift die Wohnortnähe. Die Eltern von Gabriel und Toralf haben gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt – wie so viele Berliner Eltern in diesen Tagen. Toralf soll im kommenden Schuljahr die Heinrich-Schliemann-Oberschule in Prenzlauer Berg besuchen. Die BVG-Fahrt dorthin dauert sogar drei Minuten länger als bis zur Wunschschule in Pankow. "Ich sehe überhaupt nicht ein, dass die BVG über den Schulbesuch meines Sohnes entscheidet", sagt Vater Norbert Ließnick. Außerdem komme sein Sohn mit dem Rad aus Französisch-Buchholz viel schneller nach Pankow als nach Prenzlauer Berg.

Bezirksämter sind machtlos

Pankows Schulstadträtin Lioba Zürn- Kasztantowicz (SPD) zeigt Verständnis für den Ärger der Eltern. Den Bezirksämtern bleibe derzeit aber rechtlich keine Wahl. "Wir haben in den vergangenen Jahren bewusst nicht nach Wohnortnähe entschieden", sagt Zürn-Kasztantowicz. Dagegen klagten Eltern abgelehnter Schüler in mehreren Bezirken. Gerichte urteilten jedoch, dass die Bezirke bis auf weiteres auch nach Erreichbarkeit aussieben müssen. Aus der Senatsbildungsverwaltung heißt es, man diskutiere die Vorschläge der Oberstudiendirektoren zunächst intern. "Das derzeitige Verfahren ist skandalös und hat nichts mit freier Schulwahl zu tun", kritisiert die FDP-Bildungsexpertin Mieke Senftleben.

Die Bundesländer gehen unterschiedliche Wege: In Hamburg stimmen Schulen und Behörden ihre Auswahlliste ab, im Zweifel entscheidet dort der Wohnort. In Brandenburg hingegen wählen die Gymnasien ihre Schüler aus. Eltern, deren Zweitwunsch nicht berücksichtigt werden kann, würden noch einmal nach einer bevorzugten Alternative befragt, heißt es aus dem Potsdamer Kultusministerium.

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