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Auf einer Kundgebung vor dem Neuköllner Rathaus zeigten Parteien, Bündnisse und Einzelpersonen ihre Solidarität mit den Betroffenen der Anschläge und Gewalttaten von Rechtsextremen, die sich im Bezirk Neukölln ereignet hatten.

© Imago/Carsten Thesing

„Das ist eine reale Gefahr“: 50 Rechte werden in Berlin per Haftbefehl gesucht

Von zwei der gesuchten Personen geht eine besondere Bedrohung aus, sechs gelten als gewaltorientierte Rechtsextremisten. Der älteste Haftbefehl ist von 2017.

50 Personen, die mit rechtsextremen Taten aufgefallen sind, laufen trotz Haftbefehlen der Berliner Justiz weiterhin frei herum. Von zwei gesuchten Personen geht sogar eine besondere Bedrohungslage aus, zwei sind in der Verbunddatei „Gewalttäter Rechts“ erfasst, sechs werden vom Verfassungsschutz als gewaltorientierte Rechtsextremisten eingestuft. Der älteste offene Haftbefehl wegen einer rechten Gewalttat wurde bereits 2017 erlassen. Das geht aus einer Antwort von Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) auf eine Anfrage des Linke-Abgeordneten Ferat Koçak hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt.

Gegen die 50 Gesuchten liegen insgesamt 58 nicht vollstrecke Haftbefehle vor. Zwar sind die Personen bereits mit rechten Straftaten aufgefallen, doch nur 17 offene Haftbefehlen beziehen sich auf politische motivierte Straftaten, davon vier auf Gewaltdelikte. 41 Haftbefehle wurden wegen sonstiger Straftaten erlassen, darunter neun Gewaltdelikte, erlassen.

Von den 50 Personen waren 16 zuletzt in Berlin gemeldet, davon hatten zwei sogar zwei offene Haftbefehle. Fünf davon bezogen sich auf rechte Straftaten, 13 auf sonstige Delikte, davon fünf auf Gewaltstraftaten. Daneben befinden sich acht der 50 Gesuchten im Ausland, gegen eine Person wurde bereits ein internationaler Haftbefehl erlassen – etwa wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Volksverhetzung. Bei den anderen sieben Personen geht es um Mord, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Erpressung, Nötigung, Vortäuschen einer Straftat und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Koçak nannte die Zahlen erschreckend. „Bereits seit 2015 werden die offenen Haftbefehle gegen Nazis in Berlin zentral bearbeitet und trotzdem sind noch Dutzende rechte Straftäter auf freiem Fuß“, sagte Koçak dem Tagesspiegel. „Das ist eine reale Gefahr für Menschen mit Migrationsgeschichte und Menschen, die sich gegen Rechts engagieren.“

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Die Innenverwaltung listet aber auch auf, wie viele Haftbefehle aus dem Bereich rechtsmotivierter Kriminalität vollstreckt werden konnten. Von 2016 bis Mitte Juli 2022 waren es 340, allein im Jahr 2021 waren es 55, in diesem Jahr bereits 31. Daneben haben sich seit 2016 insgesamt 53 Gesuchte den Behörden selbst gestellt, vier sind verstorben. Allerdings sind auch 46 Haftbefehle von der Justiz wieder aufgehoben worden, 28 Haftbefehle sind wegen Fristablauf erloschen.

Koçak sagte, dass sein Vertrauen in die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechts mit Blick auf die Statistik weiter schwinde. Der Linke-Politiker war 2018 Opfer eines rechtsextremistischen Brandanschlags geworden, die Behörden hatten Hinweise auf die Anschlagspläne, diese aber nicht vereitelt. Den beiden mutmaßlichen Tätern, die Hauptverdächtigen in der Neuköllner Anschlagsserie sind, wird ab Ende August vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess gemacht.

Die hohe Zahl offener Haftbefehl gegen Personen aus der rechten Szene „reihen sich ein in die Versäumnisse der Berliner Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechts“, sagte Koçak. Er erwarte vom im Frühjahr eingesetzten Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Neukölln-Komplex, „dass die flüchtigen rechten Straftäter“ und „das systematische Problem der Behörden bei der Verfolgung rechter Straftaten“ thematisiert werden.

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