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Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) soll der Expertenkommission zum Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co enteignen" vorsitzen.

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Update

Debatte über Enteignungen in Berlin: Herta Däubler-Gmelin soll Expertenkommission leiten

Noch vor Ablauf der 100-Tage-Frist will der Senat eine Expertenkommission zum Enteignungs-Volksentscheid einsetzen. Nach und nach zeichnet sich die Besetzung des Gremiums ab - und es gibt Streit.

Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) soll die in Berlin geplante Expertenkommission zur Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids "Deutsche Wohnen und Co enteignen" leiten. Tagesspiegel-Informationen zufolge haben sich SPD, Linke und Grüne im Vorfeld der für den kommenden Dienstag geplanten Einsetzung der Kommission durch den Senat auf die Personalie geeinigt. Zuerst hatte die Tageszeitung "taz" über entsprechende Spekulationen berichtet.

Däubler-Gmelin, die von 1998 bis 2002 das Bundesministerium für Justiz geleitet hatte, gilt parteiübergreifend als anerkannte Vermittlerin in politisch aufgeladenen juristischen Fragen. Die 1943 in Bratislava geborene Sozialdemokratin gehörte 37 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an, war unter anderem neun Jahre lang stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD.

Nach Tagesspiegel-Informationen soll auch die letzte bisher noch nicht öffentlich gehandelte Besetzung in der Expertenkommission feststehen: Das Vorstandsmitglied der gemeinnützigen GLS-Bank Aysel Osmanoglu gilt als gesetzt. Die 1977 geborene Volks- und Betriebswirtin arbeitet seit 2002 für die frühere Ökobank. Die genossenschaftlich organisierte GLS-Bank spielt eine zentrale Rolle bei der Finanzierung von nicht renditeorientierten Bauvorhaben in Berlin.

Auch die übrige Besetzung der mit Spannung erwarteten Kommission zeichnet sich nach und nach ab. So haben sich SPD, Grüne und Linke darauf verständigt, jeweils drei Vertreter:innen in die aus Mitgliedern und der Vorsitzenden bestehende Kommission zu entsenden. Drei Sitze und damit deutlich weniger als von ihr gefordert gehen an die Initiative "Deutsche Wohnen und Co enteignen".

Juristen mit kritischer Haltung gegenüber der Enteignung vorgesehen

Die Pläne der SPD sehen vor, mit Michael Eichberger, Christian Waldhoff und Wolfgang Durner drei Juristen zu entsenden, die allesamt für ihre kritische bis ablehnende Haltung gegenüber der Enteignung großer Immobilienkonzerne, wie sie der Volksentscheid gefordert hatte, bekannt sind. Vor allem Waldhoff, Professor für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Humboldt-Universität (HU), wird von Linken und Grünen wegen eines Gutachtens kritisch gesehen. Darin kam Waldhoff zu dem Schluss, dass der Vergesellschaftungsartikel 15 in Berlin nicht zur Anwendung kommen könne. Das sieht die Linke und auch viele Grüne bekanntlich anders.

Zu den von beiden Parteien nominierten Mitgliedern der Kommission zählen mit Christoph Möllers und Florian Rödl zwei ebenfalls in Berlin aktive Juristen. Möllers lehrt Öffentliches Recht an der HU, Rödl an der Freien Universität. Hinzu kommen Isabel Feichtner aus Würzburg, Thorsten Beckers aus Weimar und Ann-Kathrin Kaufhold aus München.

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Erste Reaktionen auf die sich abzeichnende Zusammensetzung der Kommission deuten darauf hin, dass es bis zu ihrer für den kommenden Dienstag geplanten Einsetzung noch Gesprächsbedarf zwischen den beteiligten Akteuren gibt.

„Durch die SPD sind mit den Professoren Waldhoff und Durner bereits dezidiert festgelegte Gegner der Vergesellschaftung platziert worden“, sagte Moheb Shafaqyar, Sprecher der Enteignungs-Initiative. Auch der dritte Experte für die SPD, Eichberger, sei „ein konservativer, ehemals von der CDU ernannter Bundesverfassungsrichter“. Damit versuche der Senat „den einst von der Sozialdemokratie erkämpften“ Vergesellschaftungs-Artikel 15 „zu begraben“.

„Das ist ein Vabanque-Spiel der SPD“, sagte der Mitbegründer von „Deutsche Wohnen enteignen“ Rouzbeh Taheri. Für die Frage, in welcher Höhe die Konzerne bei einer Übernahme deren Wohnungen entschädigt werden müssen, habe die SPD keine Experten. Auch fehlten Wohnungswirtschaftler, die Ratschläge zur Gestaltung einer landeseigenen Gesellschaft geben können, in die die vergesellschafteten Wohnungen eingebracht werden können.

Initiative will kommende Woche über Mitarbeit entscheiden

Welche drei Experten die Initiative in das Gremium entsenden, stand am Mittwoch noch nicht fest. Ganz ausgeschlossen ist auch nicht, dass die Aktivisten aus Protest überhaupt nicht in dem Gremium mitarbeiten. Darüber will die Versammlung der basisdemokratischen Initiative kommende Woche entscheiden.

Zuvor wollen sich an diesem Donnerstag Senat und Initiative treffen und über einen weiteren zentralen Punkt des brisanten Gremiums sprechen: dessen Arbeitsweise. Die Initiative hatte bereits im Vorfeld Transparenz gefordert, weitgehend öffentliche Sitzungen sowie die Veröffentlichung von Protokollen derselben. „Das vorzeitige Durchstechen von Namen und öffentliche Desavouieren von einzelnen Mitgliedern ist schlechter Stil, an dem wir uns nicht beteiligen“, erklärte mit Martin Pallgen der Sprecher von Bausenator Andreas Geisel (SPD).

Niklas Schenker, Sprecher für Mieten, Wohnen, Öffentlichen Wohnungsbau und Wohnungsbauförderung in der Linksfraktion, kritisierte die seiner Darstellung nach bislang ausgebliebene Kommunikation mit den Mitgliedern der Initiative und forderte den Senat dazu auf, die Einsetzung der Kommission um eine Woche zu verschieben.

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