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Das Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag).

© dpa / Foto: dpa/Patrick Pleul

Update

Nach Blockade jetzt wieder Regelbetrieb: Radikale Klimaschützer sorgen für Kraftwerk-Stopp

Mitten in der Energiekrise mussten Blöcke des Lausitzer Braunkohlekraftwerks für einige Stunden vom Netz genommen werden. Hintergrund war ein Klimaschutz-Protest.

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Wegen einer Blockade durch eine radikale Klimaschutz-Aktionsgruppe, die sich „Unfreiwillige Feuerwehr“ nennt, ist das Lausitzer Braunkohlekraftwerk Jänschwalde am Montag für einige Stunden teilweise abgeschaltet worden. Zwei der insgesamt vier 500-Megawatt-Blöcke mussten vom Netz. Die Produktion lief fast sechs Stunden nur mit halber Kraft. Auch die Stromversorgung Berlins hängt von diesem Kraftwerk ab.

„Das Kraftwerk, das auf ein technisches Minimum heruntergefahren war, wird schrittweise komplett in Betrieb genommen. Alle vier Blöcke sind wieder in der Produktion“, sagte Thoralf Schirmer, der Sprecher des Kraftwerkbetreibers Leag, am Montagnachmittag dem Tagesspiegel.

Die ersten Kohlezüge seien um 13.20 Uhr wieder im Kraftwerk eingetroffen. Nun würde der Kohlebunker im Kraftwerk wieder aufgefüllt, das Kraftwerk auf Volllast hochgefahren. „Zwischenzeitlich waren 1000 Megawatt aufgrund der Besetzung vom Netz. Ein Gigawatt Strom stand für die Stromversorgung nicht zur Verfügung.“

Zugverkehr am Kraftwerk unterbrochen

Seit Montagmorgen 5.30 Uhr hatte eine Gruppe radikaler Klimaschützer das Kraftwerk blockiert, sodass dort zwei Förderbänder vom Kohlebunker zum Kraftwerksgebäude stillstanden und keine Kohlezüge vom nahen Tagebau in das Kraftwerk hineinfahren konnten.

An drei Stellen hatten sich Personen an Gleisen festgekettet, sagte Maik Kettler, Sprecher der Polizeidirektion Süd. Einige hätten von Spezialisten gegen Mittag gelöst werden können, sodass seitdem eins der zwei blockierten Förderbänder wieder lief - und damit seit Mittag zumindest einer der beiden stillgelegten Blöcke wieder Strom produzieren konnte.

Insgesamt sind laut Polizei an der Aktion 30 Personen beteiligt gewesen. Das Lösen der festgeketteten Personen werde „noch einige Zeit in Anspruch nehmen“. Der Polizeieinsatz mit örtlichen Kräften, unterstützt von Bereitschaftspolizei des Landes und der Bundespolizei, dauerte auch am Montagnachmittag noch an, da es dem Vernehmen nach in einer Art Katz-und-Maus-Spiel neue Blockadeversuche gab - allerdings ohne Auswirkungen auf den Kraftwerksbetrieb.

Die Polizei will am Dienstag abschließend über den Einsatz informieren. Die Kraftwerks-Blockierer müssen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. „Wir ermitteln wegen Hausfriedensbruchs und Störung des öffentlichen Betriebes“, sagte Polizeisprecher Kettler. „Die Kohlezufuhr für ein Kraftwerk zu unterbrechen, von dem die Versorgung nicht nur der Bevölkerung, sondern auch von Unternehmen und Krankenhäusern abhängt, ist ein absolutes No-Go“, sagte Kettler. „Dagegen wird die Polizei konsequent vorgehen.“

Die LEAG bereitet „auf jeden Fall“ Strafanzeigen vor, sagte Schirmer. In der Belegschaft fehle jedwedes Verständnis für diesen „Angriff auf die Versorgungssicherheit“ in einer Zeit, wo die Energieversorgung „Spitz auf Knopf“ stehe: „Es trifft am Ende Verbraucherinnen und Verbraucher.“ Das Ausmaß der Schäden wurde bisher nicht beziffert.

Am Montagmorgen waren nach einer Mitteilung der Aktionsgruppe „Unfreiwillige Feuerwehr“ seit 5.30 Uhr rund „40 Aktivist:innen“ in das Gelände des Kohlekraftwerks in Jänschwalde im Süden Brandenburgs eingedrungen, um eine Stilllegung des Kraftwerkes zu erzwingen. „Wir nehmen hier und heute den Kohleausstieg selbst in die Hand“, hieß es in einer Mitteilung.

Wir nehmen hier und heute den Kohleausstieg selbst in die Hand.

Klimaaktivist:innen

Der Angriff auf den Kraftwerksbetrieb erfolgte demnach „in drei koordinierten Aktionen“. Dabei habe „eine Gruppe die Kohlebunker auf dem Kraftwerksgelände besetzt und sich an den Förderbändern festgekettet“, heißt es in der Mitteilung. „Gleichzeitig unterbrechen zwei andere Gruppen die Gleisverbindungen zwischen dem Tagebau Jänschwalde und dem Kraftwerk mit technischen Blockaden.“

Das Kraftwerk Jänschwalde ist Deutschlands drittgrößtes Braunkohlekraftwerk und stößt europaweit die vierthöchsten CO2-Emissionen aus. Zwei der insgesamt sechs Blöcke waren mit dem beschlossenen Kohleausstieg bereits abgeschaltet worden, in die sogenannte Reserve gegangen. Sie sollen im Zuge des Krisenmanagements in der aktuellen Energiekrise zum 1. Oktober 2022 vorübergehend reaktiviert werden, um die Stromversorgung über die Wintermonate in Deutschland mit abzusichern.

Forderung nach empfindlichen Strafen

Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann (CD) forderte eine harte Ahndung. „Wer unsere kritische Infrastruktur angreift, muss mit der ganzen Härte des Rechtsstaates rechnen“, sagte Redmann. „Solche Angriffe nehmen die Gefährdung der Versorgungssicherheit billigend in Kauf. Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern bringt Menschen in Gefahr, wenn die Stromversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann.“

Von der Aktion könnte die AfD bei Stichwahl in Cottbus profitieren

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) verurteilte die Blockade als Sabotageakt und forderte ebenfalls empfindliche Strafen „Wer für seine Weltanschauung absichtlich andere in Gefahr bringt, ist kein Aktivist, sondern ein Verbrecher. Darauf muss der Rechtsstaat mit empfindlichen Strafen reagieren“, sagte Stübgen am Montag.

Friedlicher Protest gehöre zur Demokratie. „Den Klima-Extremisten muss jedoch das Handwerk gelegt werden.“ Stübgen sprach von zunehmenden Attacken auf die Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur. Es handele sich nicht um Kavaliersdelikte, sondern um Straftaten, bei denen Gefahr für Leib und Leben Unbeteiligter bewusst in Kauf genommen werde. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Das gilt auch beim Klima.“

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Weitere Folgen auf die politische Stimmung in der Lausitz sind noch gar nicht absehbar. Es dürfte Wasser auf die Mühlen der ohnehin starken AfD sein. Am 9. Oktober findet in der Stadt Cottbus zwischen dem SPD-Bewerber Tobias Schick und dem AfD-Landtagsabgeordneten Schieske die Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt statt. Im ersten Wahlgang hatte Schick knapp vor dem AfD-Mann gelegen. Von ähnlichen Aktionen radikaler Klimaschützer in der Vergangenheit, etwa einer versuchten Besetzung des Kraftwerkes 2016, hatte die AfD profitiert.

Im März hatte das Verwaltungsgericht Cottbus entschieden, dass der Tagebau Jänschwalde seinen Betrieb im Mai einstellen müsse , da der Energiekonzern Leag in vier Jahren 240 Millionen Kubikmeter Wasser angeblich rechtswidrig abgepumpt haben soll. Geklagt hatte damals die Deutsche Umwelthilfe.

Das Urteil wurde inzwischen vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) kassiert. Im Zuge der energiepolitischen Debatten um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine wurde der Braunkohleabbau im Tagebau Jänschwalde nun allerdings doch weiterhin erlaubt. (mit dpa)

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