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Kein Grab für den NS-Verbrecher. Erich Priebke (rechts; daneben sein Verteidiger) wurde 1913 in Hennigsdorf geboren.

© Reuters

Der Fall Priebke: "Ein Begräbnis für so einen Nazi? Nicht bei uns"

Den Kriegsverbrecher Erich Priebke in seinem Geburtsort bestatten? "Wir werden mit Hennigsdorf sprechen", sagt der italienische Anwalt. Und wie sind die Reaktionen in der Kleinstadt nordwestlich Berlins?

KZ steht in großen schwarzen Buchstaben über dem Mahnmal mitten auf dem Hennigsdorfer Postplatz. „Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zur Plicht“ ist darunter in Stein gemeißelt. Vor der Gedenkstätte aus den frühen Tagen der DDR steht Wilfried Knaur, ein Mann Mitte 50, und deutet erregt auf eine Zeitung in seiner Hand, in der ein Artikel über Erich Priebke steht. „Ein Begräbnis für so einen Nazi? Nicht bei uns“, ruft er so laut, dass sich Passanten umdrehen.

Erich Priebke ist tot und niemand will seine Leiche. In Italien, wo Priebke bis zu seinem Tod im Alter von 100 Jahren am Freitag wegen Beteiligung an einem der schwersten Nazi-Massaker in Italien – der Erschießung von 335 italienischen Zivilisten in den Ardeatinischen Höhlen in Rom im März 1944 – unter Hausarrest lebte, ist der Widerstand groß, nicht nur gegen eine Trauerfeier, auch gegen eine Bestattung. Auch Argentinien, wohin sich der frühere SS-Offizier nach dem Zweiten Weltkrieg mit falschem Pass abgesetzt hatte und wo er bis 1994 unbehelligt lebte, lehnte eine Bestattung in seinem früheren Wohnort ab. Plötzlich ist daher Priebkes Geburtsstadt im Gespräch: Hennigsdorf, eine 25 000 Einwohner zählende Industriestadt am nordwestlichen Rand von Berlin. Für die jüdische Gemeinde in Rom wäre das die optimale Lösung. Auch der Präsident des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, fordert, die Leiche in Deutschland einzuäschern. Mit deutschen Gesetzen ließe sich am besten verhindern, „dass die Trauerfeier und die Beisetzung zu einer Show für Neonazis werden“.

Bloß kein Wallfahrtsort für Neonazis

Die meisten Hennigsdorfer reagieren nüchtern. Vor dem City-Bistro an der Bahnhofsunterführung genießt Peter Schmitt nach der Frühschicht beim Bahnhersteller Bombardier die Herbstsonne und sagt: „Naja, jedem Menschen steht doch eine vernünftige Beerdigung zu, egal was er gemacht hat.“ Die Hennigsdorfer müssten Priebke ja keine Blumen aufs Grab legen. Auf keinen Fall dürfe die Grabstätte ein Wallfahrtsort für Neonazis werden, sagt der 40-jährige Elektromonteur. „Das müssen wir verhindern.“

Dabei steht nicht einmal fest, wo Priebke begraben wird. „Wir haben noch nicht entschieden und prüfen gerade, ob er in Rom, Deutschland oder Argentinien beim Grab seiner Frau beigesetzt wird“, sagt Priebkes langjähriger Anwalt Paolo Giachini dem Tagesspiegel. Ein Bistumssprecher schloss zwar eine Trauerfeier in Rom aus, laut einem Vatikan-Sprecher darf es keine öffentliche Zeremonie in einer römischen Kirche geben. Paolo Giachini sagt: „Wir werden immer Pfarrer finden, die das machen, die auf die Order der Obersten nicht eingehen.“ Auch mit Hennigsdorf „müssen wir noch sprechen“.

Im Rathaus winkt man ab

Dort, im Rathaus, winkt man ab. „Wir haben kein Interesse, hier Kriegsverbrecher beizusetzen“, sagt eine Stadtsprecherin. „Wir wollen nicht, und wir müssen nicht.“ Nach der Friedhofssatzung dürfen auf den beiden Friedhöfen nur Menschen begraben werden, die ein Grab gekauft haben, die bei ihrem Tod in Hennigsdorf lebten oder hier verstorben seien. Die Geburt in Hennigsdorf reicht nicht aus. Ein Ausnahmefall wäre ein Familiengrab oder der Wunsch Angehöriger. Doch Hinweise darauf gibt es in den amtlichen Unterlagen der Stadt nicht.

Priebke wurde 1913 geboren – in der Wohnung seiner Eltern, so steht es im Archiv der Stadt. Der letzte Eintrag über ihn stammt aus dem Jahr 1936. Damals war Priebke, seit 1933 NSDAP-Mitglied und in verschiedenen Hotels in Europa tätig, nach Deutschland zurückgekehrt und begann seine Karriere im Machtapparat des NS-Regimes. Dem Eintrag zufolge heiratete Priebke damals in Berlin. Dann verlieren sich seine Spuren in Hennigsdorf. In Berlin kam er zur Gestapo und wurde schließlich Verbindungsoffizier in Rom.

Maskierte Neonazis zogen durch die Stadt

Hennigsdorf hat gute Gründe für seine Ablehnung. Neonazis könnten ein Priebke-Grab als Wallfahrtsort nutzen. Der frühere SS-Offizier wird in der rechtsextremistischen Szene als Kultfigur verehrt, auch weil er der Nazi-Ideologie bis zuletzt treu blieb. In einer nach seinem Tod veröffentlichten Erklärung leugnet er den Holocaust. Auch hat Hennigsdorf schlechte Erfahrungen mit der braunen Priebke-Verehrung gemacht. 2012 hatte ein NPD-Funktionär eine Anzeige für Priebke zum 99. Geburtstag in der Lokalzeitung geschaltet. Einen Tag später zogen 50 schwarz gekleidete und maskierte Neonazis mit Fackeln durch die Stadt. Dingfest machte die Polizei wenige. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seither. Eine Belohnung von 1000 Euro für Hinweise zu den Drahtziehern blieb ohne Erfolg.

Trotz allem könnte Priebke seine letzte Ruhe in Deutschland finden. Ein deutscher Staatsangehöriger könne grundsätzlich in Deutschland bestattet werden, teilte das Auswärtige Amt mit. Die Entscheidung liege bei den Angehörigen.

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