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Berlin: Der Kopf ist voll – der Magen leer

Nachbarschaftsinitiative für benachteiligte Grundschüler hofft auf Spenden

„Ich grübele ständig darüber nach, wie ich meine Kinder am besten versorgen kann“, sagt Soud Mohammad schüchtern mit ihrer heiseren, leisen Stimme. Ihren wirklichen Namen will die 22-Jährige nicht preisgeben, sie schämt sich ein wenig für ihre Lebenslage. Frau Mohammad ist sehr blass, sie hat dunkle Ringe unter den großen traurigen Augen. Man sieht ihr an, dass ihr Tag stets um sechs Uhr morgens beginnt und auch, dass sie Sorgen hat. Wenn andere noch schlafen, steht sie schon in der Küche und bereitet aus besonders preiswerten Lebensmitteln vom Wochenmarkt ein palästinensisches Gericht zu: Das Mittagspausenessen für drei ihrer Kinder, die als Ganztagsschüler die Neumark-Grundschule in Schöneberg besuchen – meist Fleisch im Teigmantel. Immer gibt sie sich viel Mühe, damit es der siebenjährigen Rana und den fünfjährigen Zwillinge Ali und Mustafa auch kalt noch schmeckt. Das warme Mittagessen, das die Schule anbietet, kann sich die Familie nicht leisten – 120 Euro pro Monat würde es für die drei Kinder kosten. Von 1000 Euro Arbeitslosengeld II monatlich muss die sechsköpfige Familie überleben, das reicht hinten und vorne nicht. Souds Mann ist Koch und sucht schon lange verzweifelt nach einem Job.

Familien wie die Mohammads sind an der Neumark-Schule im sozialen Brennpunkt Schöneberg Nord die Regel. Etwa 40 Prozent der Ganztagsschüler nehmen nicht am Schulessen teil – mit fast leerem Magen sitzen sie bis zum späten Nachmittag im Klassenzimmer. Für solche sozial benachteiligten Familien hat Gülsen Aktas von der Kiezoase Schöneberg eine Patenschafts-Initiative initiiert. Damit die Kinder besser ins gesellschaftliche Leben integriert werden, will der Verein jenen Familien, die sich wirklich nicht aus eigener Kraft helfen können, unter die Arme greifen: Mal einen Eintritt in den Zoo spendieren, ein schönes Lesebuch besorgen – oder eben einen Zuschuss zum Schulessen gewähren.

„Die meisten Kinder bekommen nur ein billiges, abgepacktes Aufbackcroissant mit in die Schule“, hat Schulleiter Ulf Schröder beobachtet. „Die Eltern dürfen aber nicht ganz aus der Pflicht entlassen werden“, sagt der Schulleiter. Deshalb sollen alle geförderten Familien trotzdem einen Eigenanteil zahlen. Es sind Mädchen und Jungen aus Familien, deren Eltern einst als politische Flüchtlinge oder Gastarbeiter nach Berlin gekommen sind, sich hier ein neues Leben mit eigenem Job aufbauen wollten. Einige Schüler aus deutschen Familien sind darunter, deren Eltern arbeitslos geworden sind. „Die gemeinsame Mahlzeit ist für die Kinder auch ein sozialer Faktor“, sagt Frau Aktas. Einigen Eltern sei das aber leider nicht klar. Deshalb leistet der Nachbarschaftsverein, der in der Elternberatung und Hausaufgabenbetreuung eng mit der Schule zusammenarbeitet, auch da Überzeugungsarbeit.

Soud Mohammad weiß ganz genau, wie gern ihre Kinder mitessen würden. Soud selbst ist nur bis zur siebten Klasse in die Schule gegangen, doch jetzt will sie den Realschulabschluss nachholen. Sie hofft, danach eine Arbeit zu finden und so die finanzielle Situation der Familie zu verbessern. Mit ein bisschen Unterstützung hat ihr Plan Aussicht auf Erfolg – ausgeschlafen und mit sorgenfreiem Kopf lernt man besser.

Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“ Kto.-Nr. 25 00 30 942, Berliner Sparkasse, BLZ 100 500 00. Online-Banking ist möglich. Bitte notieren Sie Namen und Anschrift für den Spendenbeleg. Internet: www.tagesspiegel.de/spendenaktion

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