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Zur Gedenkfeier für den Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele kommen hunderte Weggefährtinnen und Weggefährten in die Arena Berlin.

© Foto: dpa/Annette Riedl

„Der Leitstern, wenn es dunkel wird“: Etwa tausend Menschen gedenken Hans-Christian Ströbele in der Arena Berlin

Einst holte er als erster Grüner überhaupt ein Bundestags-Direktmandat. In Berlin trauerten am Dienstag zahlreiche Prominente um den verstorbenen Politiker.

Ein Abend über das Leben des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele ist eine Art Geschichtsstunde in linker deutscher Nachkriegsgeschichte. Er war ja überall dabei: Mitgründer des sozialistischen Anwaltskollektivs, RAF-Verteidiger, Grünen- und „Taz“-Mitgründer.

1200 Menschen hatten sich angemeldet, um Ströbele am Dienstagabend in der „Arena“ in Alt-Treptow die Ehre zu erweisen. Der Anwalt und Politiker war am 29. August im Alter von 83 Jahren gestorben. Beigesetzt wurde er im Kreis seiner Familie und Freunde. Berlins Grüne und die Taz hatten nun eine öffentliche Trauerfeier organisiert, die aber vor allem das Leben des „Übervaters“, so sagte es Ex-Taz-Chefin Bascha Mika, feiern sollte.

Nein, es soll natürlich nicht nur ein zeremonielles Feiern eines natürlich verdienten Lebens sein. Das wäre zu einfach gewesen, um des ewigen, sanften Rebellen zu gedenken. So müssen sich Grüne und Taz zu Beginn von Medienanwalt und Ex-Ströbele-Referendar Johannes „Jony“ Eisenberg ihre eigenen Fehler im Umgang mit Ströbele erzählen lassen.

Die Grünen, die ihn in den letzten Jahren als eine Art „König von Kreuzberg“ feierten und als ihr linkes Gewissen achteten, müssen sich von Eisenberg anhören, wie sie Ströbele als linken Querkopf und scharfzüngigen Kriegsgegner einst wenig geschätzt hatten. Nur sein Direktmandat in seinem Revier, in Friedrichshain-Kreuzberg, sicherte ihm Anfang der Nullerjahre das politische Überleben.

Die ganz große Parteiprominenz schweigt

Natürlich widerspricht später ein Grüner: Berlins Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland. Ein guter Streit, das gehört auch beim Abschied noch dazu. Bezeichnend war es in diesem Sinne dann doch, dass nicht die ganz große, aktuelle Parteiprominenz der Grünen bei der Ehrung sprach. Ein anderer lautstarker Parteilinker übernahm das: „Der Aufklärer Ströbele fehlt der deutschen Demokratie ganz schmerzhaft“, sagte Ex-Parteichef Jürgen Trittin.

Der Aufklärer Ströbele fehlt der deutschen Demokratie ganz schmerzhaft.

Jürgen Trittin, Ex-Parteichef der Grünen

Die Grünen, da sprach er seiner Partei fast ins Gewissen, hätten Ströbele so viel zu verdanken: „Wenn die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg schon in der zweiten Generation Herrmann heißt, ist das auch ein Verdienst von Hans-Christian Ströbele“, sagte Trittin. Applaus. Sowas hört man gern hier.

Jürgen Trittin (Die Grünen) bei der Gedenkfeier für Hans-Christian Ströbele in der Arena Berlin.
Jürgen Trittin (Die Grünen) bei der Gedenkfeier für Hans-Christian Ströbele in der Arena Berlin.

© dpa / Annette Riedl

Es ist ein gründlicher, persönlicher Blick zurück an diesem Abend, der die politische Landschaft genauso nachzeichnet wie Ströbeles Charakter: Klaus Eschen, Mitgründer des sozialistischen Anwaltskollektivs, hebt etwa scherzhaft Ströbeles Sexappeal hervor. Den er allerdings immer für die Sache einsetzte, setzt Eschen dazu, nie für sich.

Es passt zum Bild des „sanften Radikalen“, so hatte ihn der Rechts- und Politikwissenschaftler Ulrich K. Preuß in einer Trauerrede genannt. Einzigartig, herausragend, solitär – das sind Worte, die an diesem Abend fallen. Unterfüttert werden sie mit Geschichten eines Mannes, der mit tragbarem Fernseher in Parteivorstandssitzungen saß, in der Jugend gern schnelle Autos fuhr, der Milch liebte und seinen Hund. Einer, für den Politik alles war – und alles Politik. So sagt es Bascha Mika.

Hans-Christian Ströbeles Tod wirkt an diesem Abend auch wie das Ende einer Ära für die Grünen. Ströbele war schon gegen die Koalition mit der SPD gewesen, immer gegen den Krieg. Inzwischen koaliert seine Partei auch mit der FDP, fordert Panzer für die Ukraine.

Die Zeiten ändern sich, in Kreuzberg kann man das an diesem Abend erfühlen. Der Kabarettist Arnulf Rating schließt seine Rede mit dem Satz: „Als Leitstern wird Christian Ströbele umso heller strahlen, je dunkler es um uns wird.“ Applaus brandet auf.

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