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Tea Time

© Thilo Rückeis

Grüne Woch: Der Tempelherr vom Himalaya

Saumendra Shrestha hat die Kultur Nepals nach Berlin gebracht. Seit 25 Jahren verkauft er Tee aus seiner Heimat auf der Grünen Woche.

Immer der Nase nach: Ein süßlich-stumpfer Sandelholz-Räucherstäbchen-Duft legt eine Geruchsspur direkt zu Saumendra Shrestha. Der 57-Jährige Nepalese steht hinter großen Haufen kleiner Baumwollsäcke voller Tee aus seiner Heimat, mitten in Halle 8.2. auf der Grünen Woche. Zum 25. Mal ist er in diesem Jahr aus Kathmandu nach Berlin gekommen, um hier seinen Messestand aufzubauen: Einen kleinen Tempel des Tees aus filigran geschnitztem dunklem Holz – Drachen und Reliefmuster auf schmalen Säulen und Balken, angefertigt von einem Tempelschnitzer. An der Wand hängt ein Teppich in verblassten Pastellfarben.

Der „Tempelherr“ Saumendra Shrestha blickt den Messebesucher freundlich durch seine Brille an und lächelt sanft. Er erinnert ein bisschen an den Dalai Lama. Und dann erzählt er in gutem Deutsch, das leicht singend klingt, von den Teegärten Nepals und seinem großen Abenteuer: Den Tee von dort in Deutschland bekannt zu machen, als Aussteller auf der Grünen Woche – eine Erfolgsgeschichte. Vor 25 Jahren war Saumendra Shrestha gerade mit dem Studium fertig und wollte etwas „Besonderes und Neues machen.“ Er stellte sich die Frage: „Was könnte Nepal exportieren?“. Nur drei Teegärten gab es damals in Nepal, 300 Menschen arbeiteten dort. Heute verdienten 5000 Nepalesen ihr Geld im Zusammenhang mit dem Tee, in insgesamt 40 Teegärten, sagt Saumendra Shrestha. Dank der Grünen Woche wurden die Blätter zum Hauptexportprodukt des Landes und heute trinken nicht nur viele Berliner gern den mild-würzigen schwarzen Timai oder den ebenfalls milden grünen Lasata – die beiden Sorten verkauften sich besonders gut, sagt Saumendra Shrestha. Anfangs hatte er nur zwei Sorten im Angebot, beide schwarz, heute sind es 14, darunter viele ayurvedische Kräutertees und Grüntees. Sie haben so klangvolle Namen wie Paleswan, Jyoti, Sunkoshi. Für europäische Ohren hört sich das sehr exotisch an, für Saumendra Shresthas jedoch ganz alltäglich. „Tee hat in Europa eine interessantere Geschichte als in Asien“, sagt der Teehändler. Und dann erzählt er, dass das Getränk vor rund 300 Jahren in Schweden zunächst an zum Tode Verurteilten getestet wurde. Erst als die nach ein paar Monaten noch am Leben waren, wagte der schwedische König einen Schluck.

Zum Glück waren die Berliner vor 25 Jahren weniger misstrauisch, auch wenn ihnen Nepal und sein Tee sehr fremd waren: „Damals wussten viele Messebesucher nicht, wo das Land liegt.“ Damit sich das änderte, blieb der Teehändler, der anfangs kaum Deutsch sprach, in den ersten Jahren nach der Messe immer ein paar Wochen für einen Sprachkurs. So entstand eine enge Beziehung zwischen dem Nepalesen und den Berlinern. Viele seiner Kunden kommen inzwischen seit mehr als zwei Jahrzehnten. Wenn er bei Regen und Glatteis ältere Kunden erwartet, macht er sich oft Sorgen, ob sie die Pilgerfahrt zum Tempel des Tees heil überstehen. Das klingt bei ihm, als seien sie nicht auf dem Weg zum Messegelände, sondern in den Himalaya.

Shresthas Familie, seine Frau im pink- geblümten Sari und sein 20-jähriger Sohn, stehen in diesem Jahr mit am Stand. Der Sohn soll das Geschäft übernehmen und ebenso gutes Deutsch lernen wie sein Vater. Aber noch reicht Englisch und ein nettes Lächeln – wie vor 25 Jahren bei Saumendra Shrestha.

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