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Container und Speicher prägen das Bild des Westhafens.

© Jörn Hasselmann

Die Container kommen per Schiene: Der Berliner Westhafen feiert am Sonntag 100. Geburtstag

In 100 Jahren hat der Westhafen viel gesehen. Kohle wurde umgeschlagen, Klopapier gelagert und der Kanzler feierte den Koalitionsvertrag. Jetzt lädt die Behala zum Hafenfest.

Ein Jahrzehnt muss die Stadt Berlin mit der evangelischen Kirche verhandeln. Erst 1910 zieht das Johannesstift in den Spandauer Forst um. Berlin kann endlich den Westhafen bauen. Diese Vorgeschichte ist heute vergessen, der Hafen blieb.

Am Sonntag feiert die Behala, die Berliner Hafen- und Lagergesellschaft, auf den Tag genau den 100. Geburtstag des größten Berliner Hafens mit einem bunten Festprogramm – von 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei, der Regierende Bürgermeister Kai Wegner kommt auch.

Der Bau begann 1914, wenig später stoppte der Erste Weltkrieg das Projekt. Erst 1923 sind die ersten beiden Becken fertig, die Gleise gelegt. Hauptsächlich wird Kohle umgeschlagen, doch die Lagerhäuser füllen sich nicht. Die Not in Deutschland ist groß, es gibt nichts zu lagern.

Die „Lagerhalle II“ wird an den amerikanischen Autobauer Ford vermietet, 300 Arbeiter bauen das Standardmodell Ford T, die „Tin Lizzy“, zusammen. 1931 wird die Produktion nach Köln am Rhein verlegt. 37.000 Fahrzeuge wurden im Westhafen zusammengebaut. Die Einzelteile kamen aus den USA per Schiff, für Ford lohnte sich die Montage in der gemieteten Berliner Halle, denn die Steuern auf Teile sind niedriger als auf ein fertiges Auto.

1995 wurden die alten Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.
1995 wurden die alten Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.

© Jörn Hasselmann

Dann kommen die Nazis, auch das ist heute noch zu sehen: Deutschland sollte autark sein, mit Beginn des nächsten Krieges beginnt der Bau des riesigen Getreidespeichers, der 30.000 Tonnen aufnehmen kann. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ist, sind 60 Prozent der Anlagen unbrauchbar, keiner der 35 Kräne dreht sich mehr.

Die alten Gebäude stehen unter Denkmalschutz

Es folgen wieder Hungerjahre, wieder wird hauptsächlich Kohle umgeschlagen. Der Nazi-Getreidespeicher wird später von der „Senats-Reserve“ genutzt. West-Berlin wappnete sich nach der Erfahrung der Berlin-Blockade mit einer kompletten Vorratshaltung vor einer neuen Abriegelung der Stadt. Bis Anfang der 90er-Jahre lagern im Westhafen Kohlen, Konserven und Klopapier.

1995 wurden die alten Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. In ihnen lagern heute unter anderem Akten und Zeitungen. Seit 1997 nutzt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den größten Teil des zum Magazin umgebauten Getreidespeichers. Auch das Geheime Staatsarchiv sowie die Zeitungs- und die Kinder- und Jugendbuchabteilung der Berliner Staatsbibliothek haben ihre Bestände im Hafen, die Justizverwaltung lagert ihre Akten und Grundbücher hier.

Schienen sind wichtig im Westhafen.
Schienen sind wichtig im Westhafen.

© Jörn Hasselmann

Die historische Lagerhalle 1 wird jetzt als „Westhafen Event & Convention Center“ vermietet, der 1. FC Union feierte schon im Westhafen, der Kanzler und seine Ampel-Regierung Ende 2021 den Koalitionsvertrag. Olaf Scholz, Robert Habeck, Christian Lindner und Co. spazierten dann vor der historischen Kulisse des mittleren Hafenbeckens für die Fotografen auf und ab.

Erfahrung als Kulisse hat der Westhafen seit Jahrzehnten. So drehte der Filmregisseur Alfred Vohrer in den 60er-Jahren hier zum Beispiel den Krimi „Neues vom Hexer“. Geschichten über den Hafen füllen Bücher, ein neues hat die ebenfalls 1923 gegründete Behala in diesem Frühjahr vorgestellt („Berliner Häfen“ von Harald Neckelmann).

Doch der Hafen ist vor allem eines: ein Hafen. 2022 wurden genau 140.114 Container umgeschlagen, jeden Tag kommen Züge mit Containern aus Hamburg und Bremerhaven an. Ziel sind 300.000 Container.

Die Container kommen per Bahn, weil die Wasserwege auch knapp 35 Jahre nach der Wende nicht so ausgebaut sind, dass die Schiffe kostendeckend fahren können. Die Behala nennt ihr Logistikkonzept bewusst „Trimodal“, also Schiene, Schiff und Laster.

Im mittleren Becken parken heute Ausflugsdampfer.
Im mittleren Becken parken heute Ausflugsdampfer.

© Jörn Hasselmann

Die riesigen Turbinen, die Siemens immer noch in Berlin produziert, werden mit einem Spezialschiff direkt bei Siemens an der Huttenstraße abgeholt. Kaffee kommt per Bahn im Container, wird in einem Speicher gelagert und dann per Lastwagen in eine Rösterei nach Reinickendorf gebracht.

Neben Containern sind Schrott, Öl und Zement die tonnenmäßig stärksten Güter. Die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet die Behala mit der Vermietung von Immobilien, die andere Hälfte mit Logistik.

Ganz am Anfang steht der Umschlag von Postpaketen, der 2022 mit einem Boot zwischen Spandau und Westhafen gestartet wurde. Eine Woche vor dem 100. Hafengeburtstag kündigte der Logistikkonzern DHL an, ein größeres Paketschiff umbauen zu lassen.

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