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Ein Team: Oliver K. aus Prenzlauer Berg und Michaela O. aus Kreuzberg. Anfangs vertrauten sich Kollegen aus Ost und West nicht.

© Mike Wolff

25 Jahre Deutsche Einheit: Die Funkwageneinheit

Als Polizisten gehen sie in Schöneberg gemeinsam auf Streife. Beide haben erlebt, wie sich Kollegen aus Ost und West anfangs misstrauten. Ohne die Deutsche Einheit hätten sich diese zwei Berliner nicht kennengelernt.

Man wünscht sich, Oliver K. und Michaela O. live im Einsatz zu erleben. So abenteuerlich, so aufregend klingt es, wenn sie da sitzen in dem sterilen Besprechungsraum der Polizei-Dienststelle in Schöneberg und von den gemeinsamen Streifenfahrten erzählen. Man kann sich die beiden gut vorstellen, wie sie zusammen Drogenschmuggler und Mörder jagen.

So wie die Cops in amerikanischen Hollywoodstreifen. Drogenschmuggler jagen die beiden keine, eher Fahrraddiebe. Auch keine Mörder, stattdessen helfen sie Flüchtlingen. „Im Einsatz gibt es nichts Wichtigeres als einen Partner, auf den man sich immer verlassen kann“, sagt Michaela O. Die beiden fahren zusammen im selben Funkwagen durch Schöneberg. Michaela O. ist 45 Jahre alt, aufgewachsen in Kreuzberg. Oliver K., 42, ist in Prenzlauer Berg zur Welt gekommen. Heute trennen die beiden Stadtteile keine 20 Fahrminuten mit der BVG – damals trennte sie eine 3,6 Meter hohe Mauer.

Die erste West-Cola

Eine Mauer, die es so nicht mehr gibt, nicht mal mehr in ihren Köpfen. „Sonst würden wir ja gar nicht zusammenarbeiten“, sagt Michaela O. Als die Mauer fiel, da war sie gerade in der Polizeiausbildung. „Wir erleben gerade Geschichte, haben wir uns gedacht“, als die Stadt plötzlich voller Trabis war. Ein paar Tage später ist sie erstmals über die Oberbaumbrücke in den Osten gegangen. Genauso Oliver K. – nur in die andere Richtung. Er erinnert sich noch gut: „Ganz langsam haben wir uns in dem Pulk über die Brücke geschoben. Das hat Stunden gedauert“.

Als sie endlich drüben waren, sind die zwei Teenager mit der S-Bahn zum Hermannplatz gefahren. „Da haben wir uns bei der Deutschen Bank unser Begrüßungsgeld auszahlen lassen und uns dann die erste West-Cola gekauft“, erzählt K. Die drei Jahre ältere Michaela O. lacht. „Ja, das Begrüßungsgeld.

Das war der Job, den wir Polizeianwärter damals machen durften.“ Oliver K. erinnert sich noch an die DDR-Volkspolizei. „Die sind – wie soll ich sagen – schon sehr bestimmt aufgetreten damals. Da gab’s kein Miteinander mit den Menschen, wie uns das heute in der Polizeischule beigebracht wird.“

"Bist wohl aus’m Osten, wa?"

Er erzählt von den Abschnittsbevollmächtigten, die damals die Zuständigkeitsbereiche kontrollierten und oft eng mit der Stasi zusammenarbeiteten. Viele Volkspolizisten wurden in den Monaten nach der Wiedervereinigung vom Dienst suspendiert. „Das war schon merkwürdig“, erinnert sich Michaela O., „ich bin damals öfter zum Dienst gekommen und plötzlich war der ein oder andere Kollege einfach weg“.

Bis Ost und West-Polizei zu einer Einheit wie K. und O. verschmelzen, sollte es noch eine Weile dauern. Manch ein Bürger wollt es nicht akzeptieren. „Noch Jahre nach der Wende wurde wir oft doof angeredet, wenn jemandem unsere Maßnahmen nicht passten: Bist wohl aus’m Osten, wa?“, erzählt Michaela O.

Bilder, die nicht schnell verschwinden

Noch viel weniger aber passte es den Polizisten selbst. Ein Ossi, ein Wessi, ein Funkwagen. Das war damals noch undenkbar. „Da war zum Beispiel der Funkwagen nur mit Ostdeutschen besetzt, die Wache mit Westdeutschen. Geredet haben die nicht miteinander. Das war die etwas andere Art der nonverbalen Kommunikation“, erzählt Oliver K. von seiner Praktikumszeit. Nonverbale Kommunikation ist vielleicht das Schlüsselwort, wenn man die Zusammenarbeit dieses Teams beschreiben will. „In brenzligen Situationen, und da steckt du als Polizist häufig drin, musst du dich blind auf den anderen verlassen können, sonst kann das ganz schön ins Auge gehen.“

Und so ein Einsatz, der kann einem Polizisten menschlich sehr nahe gehen. Auch wenn man das im Dienst nicht so offen zeigt. Wie Ende letzten Jahres, als die beiden alarmiert wurden, nachdem eine gefesselte, misshandelte Frau in ihrer Wohnung um Hilfe schrie. Die Polizisten mussten sich durchs Fenster Zutritt verschaffen. Das sind Bilder, die aus den Köpfen so schnell nicht verschwinden. Wie soll einer so etwas verarbeiten? Nur zusammen mit dem Kollegen im Dienst. „Nur mit ihr habe ich das erlebt, nur mit ihr kann ich das verarbeiten“, sagt Oliver K.

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