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Flughafen Schönefeld: Die Suche nach alternativen Flugrouten

Quadratur der Schneise: Nach dem Protest am Müggelsee bleibt die Frage nach alternativen Startrouten. Am 26. Januar soll die Endfassung vorliegen.

Wortgewaltige Ratlosigkeit dominiert die Landespolitik am Tag nach dem großen Fluglärm-Protest. „Ein starkes Signal“ nennt Senatssprecher Richard Meng die 25000 Teilnehmer starke Menschenkette vom Sonntag um den Großen Müggelsee. „Wenn es irgendeine sicherheitstechnisch machbare Chance für eine weitere Entlastung gibt, sollte sie genutzt werden“, fügt der Sprecher des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) hinzu. Andreas Schulze, Sprecher von Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast, sagt: „Wir versuchen, den Bürgerinitiativen zu helfen, dass sie beim Umweltbundesamt die richtigen Ansprechpartner finden.“ Das Amt ist in die Abwägung der Flugrouten einbezogen. Der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici spricht von einem „sehr beeindruckenden Signal“ und fordert, dass „die Flugzeuge eben fünf Kilometer Umweg fliegen müssen“, wenn dadurch mehr Menschen vom Lärm entlastet werden. Er hoffe, sagt der CDU-Mann, „dass die Flugsicherung da einlenkt“.

Doch die Deutsche Flugsicherung (DFS) will sich nicht mit der Rolle des Buhmanns abfinden. „Wir haben weder den Flughafen gebaut, noch betreiben wir Flugzeuge und wir werben auch nicht für Reisen“, sagt DFS-Sprecherin Kristina Kelek und beschreibt die Routenplanung in der dicht besiedelten Umgebung von Schönefeld als eine Art Quadratur des Kreises. Der gesetzliche Auftrag der DFS sei ein „sicherer, geordneter und flüssiger“ Flugverkehr – unter Berücksichtigung des Lärmschutzes für die Bevölkerung. Basis aller Pläne sei die Sicherheit: Flugzeuge dürften sich unter keinen Umständen zu nahe kommen. Das gelte auch für den Fall, dass eine landende Maschine durchstarten muss: Der Platz hinter der Landebahn müsse vorsorglich stets frei gehalten werden.

Für den Berliner Südosten heißt das: Ein Flugzeug, das von der nördlichen Bahn (bei Ostwind) nach Osten startet, dürfte nicht sofort nach Süden schwenken, wenn auf der Südbahn gerade eine Maschine (von Westen her) landet. Doch ein leichter Südschwenk der startenden Flugzeuge gilt zurzeit als einzig mögliche Alternative zum Überflug des Müggelsees. Theoretisch könnten die Maschinen bei Ostwind auch geradeaus starten, aber dann bekäme das schon durch die – stets geradeaus verlaufenden – Landungen bei Westwind verlärmte Erkner noch mehr Krach ab. „Es war eine Empfehlung der Fluglärmkommission, solche Doppelbelastungen zu vermeiden“, sagt Kelek.

Die aus Anliegergemeinden und Luftverkehrslobby zusammengesetzte Fluglärmkommission hat die Basis geliefert, auf der die DFS Anfang Juli ihre Routenvorschläge präsentiert hat – darunter die über den Müggelsee. Sebastian Faßbender von der Friedrichshagener Bürgerinitiative (FBI) erklärt sich die große Resonanz vom Sonntag damit, dass diese Route „eine sechsstellige Zahl neu Betroffener“ in den östlichen Bezirken und dem nahen Umland generiert. Und die Proteststimmung hält an; auch zur gestrigen Montagsdemo kamen wieder einige tausend Flugrouten-Gegner.

Die Flugsicherung berechnet laut Kelek für alle Routen anhand von Bevölkerungsdichte, Überflughöhe und Menge der Maschinen einen „Gütewert“. Dieser werde dann mit der Wirtschaftlichkeit, also der Optimierung der Flugrouten für die Airlines, abgewogen. Dabei habe zunächst kein Kriterium Vorrang, aber nachts verschiebe sich die Priorität hin zum Lärmschutz. Auf den schaut insbesondere das Umweltbundesamt (UBA), das zurzeit eine Stellungnahme erarbeitet. UBA-Präsident Jochen Flasbarth bezeichnete Lärm kürzlich als eine der am meisten unterschätzten Umweltbelastungen. Er empfahl für stadtnahe Flughäfen ein striktes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Eine Forderung, die am Montag auch die Berliner Landeschefs der Grünen sowie die Fraktionsgeschäftsführerin der Linken im Bundestag erhoben.

Aus den Vorschlägen der DFS will das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) bis zum 26. Januar 2012 ein rechtsverbindliches Paket von Routen schnüren. Nach Auskunft von BAF-Sprecherin Kerstin Weber wurde in einem Gespräch mit den Bürgerinitiativen und dem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium vor zwei Wochen vereinbart, weitere Alternativen zur Müggelsee-Route zu formulieren. Diese sollen über die Fluglärmkommission eingereicht werden, die am 26. September tagt. Der Weg durch die Kommission soll verhindern, dass die Kommunen sich gegenseitig ausspielen. Schon mehrfach zeigten sich dabei die Grenzen der möglichen Kompromisse.

Die von Brandenburgs CDU-Chefin Saskia Ludwig aufgeworfene Grundsatzfrage, ob Schönefeld langfristig der richtige Standort ist, stellt sich für andere Politiker parteiübergreifend nicht. Alle verweisen auf den Konsensbeschluss für Schönefeld von 1996. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer gibt zu bedenken: „Hätte man sich für Sperenberg entschieden, würde Tegel vielleicht gar nicht geschlossen.“ Der Verkehrsexperte würde die Wirtschaftlichkeit der Flugrouten auf den letzten Platz der Prioritätenliste schieben: „Über die Befreiung von Kerosin- und Mehrwertsteuer bekommen die Airlines in Europa 30 Milliarden Euro hinten reingeschoben, zwölf davon allein in Deutschland.“ Entsprechend teuer seien im Verhältnis die Tickets der nicht so privilegierten Bahn.

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