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Berlin: Die „Todesliste“ war geschrieben

Nach Hinweisen auf einen Amoklauf: 17-jähriger Schüler eines Reinickendorfer Gymnasiums vorübergehend festgenommen

Auf dem Zettel hatte der 17-Jährige alles genau notiert: Die Lehrer und Schüler, die er umbringen wollte und diejenigen, die verschont werden sollten. Am Donnerstagabend hatte die Polizei den Verfasser dieser „Todesliste“ zunächst festgenommen und damit an der Bertha-von-Suttner-Schule in Reinickendorf möglicherweise einen Amoklauf verhindert. Bei einer Durchsuchung der Wohnung seiner Eltern hat die Polizei „umfangreiches Beweismaterial“ gefunden, aber keine scharfen Waffen. Die Beamten stellten lediglich mehrere Softair-Pistolen sicher – sie verschießen Plastikmunition mit Luftdruck. Gegen den 17-jährigen Karl M. (Name geändert) wird nun wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat ermittelt“, sagte ein Polizeisprecher.

Am späten Freitagabend teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass der 17-Jährige wieder frei kommt. Eine rechtliche Handhabe für einen Haftbefehl oder eine Unterbringung in einer Psychiatrie oder einem Heim gebe es nicht, sagte Justizsprecher Michael Grunwald.

Es waren offenbar Mitschüler, die auf die Pläne aufmerksam geworden waren und sich am Donnerstag an ihre Vertrauenslehrerin gewandt hatten. Die Pläne, sich an seiner Umwelt rächen zu wollen, hatte der 17-Jährige nämlich bereits im August in einem Forum im Internet angekündigt. Die Rektorin schaute sich nach Tagesspiegel-Informationen am Donnerstag die Internet-Seite an und informierte daraufhin gegen 16 Uhr die Polizei.

Karl M. wohnt unweit der Schule in einem vierstöckigen Wohnblock in einer ruhigen Reinickendorfer Straße. Als die Beamten von der Kriminalpolizei am Donnerstagabend an der Wohnungstür der Familie M. klingelten, soll der 17-Jährige einen Tarnanzug – also Jacke und Hose in Bundeswehr-Kampfmontur – getragen haben. Dies berichtete ein Ermittler dem Tagesspiegel. Als die Beamten die „Todesliste“ entdeckten, soll der Schüler ihnen offen gesagt haben, dass er es einigen Lehrern und Schülern „heimzahlen“ wollte. Da die Rachepläne M.s bereits im August von ihm im Internet veröffentlicht wurden, gilt der Jugendliche nicht als Nachahmer der Tat in Emsdetten, hieß es in Ermittlerkreisen. In der nordrhein-westfälischen Stadt hatte Anfang der Woche ein 18-Jähriger in seiner ehemaligen Schule mehrere Menschen verletzt und sich dann selbst erschossen. Die Festnahme von Karl M. machte gestern schnell die Runde an der Bertha-von-Suttner-Schule. Am Vormittag wachten Polizisten vor dem Schulgebäude in der Reginhardstraße – vor allem, um Journalisten fern zu halten. Der Unterricht fand wie geplant statt. Die Lehrer informierten alle Klassen im Unterricht über das Geschehen. Wie einige Schüler berichteten, betonten die Lehrer, dass kein Amoklauf geplant gewesen sei, „alles ein Missverständnis“ sei und keine Gefahr drohe. Zudem untersagten die Lehrer den Schülern mit Journalisten zu sprechen.

Die Direktorin des Gymnasiums, Jutta Randelhoff-Szulczewski, verweigerte jede Auskunft. Sie betonte lediglich, dass ihre Schule eine sehr renommierte Einrichtung sei. So kam der beste Berliner Abiturient des vergangenen Schuljahres von dieser Reinickendorfer Schule. Bei der Schulverwaltung hieß es, dass es lobenswert sei, dass die Schulleitung so schnell die Polizei informiert habe. Ansonsten galt auch dort: kein Kommentar. Das nach der Friedensnobelpreisträgerin benannte Gymnasium hat 1300 Schüler. Reinickendorfs Bildungsstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) unterstrich, dass die Schule bisher nicht durch Gewalttaten aufgefallen sei. Nachdem die Vorwürfe gegen den Schüler bekannt wurden, habe die Schulleitung sofort einen Psychologen und das Jugendamt eingeschaltet.

Ein 18-Jähriger beschrieb den Jugendlichen so: „kultiviert, intelligent und nicht aggressiv. Er ist kein Psycho. Ich bin mir als sein Freund hundertprozentig sicher, dass er so was niemals machen würde“, sagte der Zwölftklässler der Nachrichtenagentur AP. Der Mitschüler, der seinen Namen nicht nannte, sagte, der Festgenommene sei kein Außenseiter. „Er ist ziemlich ruhig, spielt viel Computer, trägt normale Klamotten und geht nicht auf die Sonnenbank.“ Ein Verbrechen würde er ihm nicht zutrauen, jedoch sei der Freund für seinen schwarzen Humor bekannt. Er kenne Karl M. seit der ersten Klasse. Die meisten Nachbarn der Familie M. erzählen, dass sie den Jugendlichen nur vom Sehen kennen. Er sei unauffällig. „Wie Jugendliche eben so sind“, sagte ein Mieter. „Ganz normal halt.“

Alarm auch im benachbarten Friedrich-Engels-Gymnasium. Schüler hatten von einer ähnlichen Drohung eines Mitschülers berichtet. Die Polizei prüfte; konkrete Hinweise wurden nicht bekannt.

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