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"Gesundheitstrainer" Christian Wenger bei einer Liveaufnahme seines Workouts. 

© privat

„Die Wohnung ist ein stressiger Ort geworden“: Wohin zum Workout nach dem Homeoffice?

Ein Fitnesstrainer hält seine Online-Kurse live im Park ab. Trotz Ärgers mit dem Ordnungsamt will er damit weiter Sportbegeisterte animieren.

Es ist ein schneller Wechsel am eigenen Computer: Homeworkout nach dem Homeoffice. Bürostuhl beiseite, Yogamatte raus, Homeoffice-Jogginghose aus, Turnhose an. Wer acht Stunden oder mehr am Schreibtisch in der eigenen Wohnung gesessen hat, sollte sich mal bewegen – wenn es überhaupt in den Zeitplan passt und keine Kinder aus der Notbetreuung geholt werden müssen.

Die Workout-Angebote im Internet, bei denen man die Übungen einer Trainerin oder eines Trainers verfolgen kann, sind vielfältig und oftmals kostenfrei, dafür allerdings mit Werbung für Ernährungsersatzprodukte oder weiterführende Kurse gespickt.

Viele Wohnungen in Berlin sind zudem zu klein, um Burpees oder sonstige Sprungübungen zu vollführen, die über den Rand einer Yogamatte reichen. Yogamatte oder Wäscheständen, in manchen Wohnungen kann nur eins aufgestellt beziehungsweise ausgerollt werden. 

Wohin zum Workout?

Während der Pandemie sind Fitnessstudios und sonstige Angebote zum Sporttreiben geschlossen. Immer mehr Leute joggen trotz anhaltenden Kälte in den Parks. Oder machen ihr Workout für Muskelaufbau und -stabilisation. Sie wollen wenigstens einmal pro Tag raus aus der Wohnung, denn diese ist nicht nur zum permanenten Arbeitsplatz geworden, sondern auch zur Schule, zur Kita, zum Arbeitsplatz der Partnerin oder des Partners - und vielem mehr. Es wird eng.

„Die Wohnung ist ein stressiger Ort geworden“, sagt Christian Wenger. Er ist selbständiger Fitnesstrainer und verdient eigentlich Geld mit Gruppen-Sportkursen, die er in Parks anbietet. Rund 30 Personen durchschnittlich versammelten sich vor der Pandemie um ihn, er nahm sechs Euro pro Kopf. Jetzt setzt der 37-Jährige auf Online-Kurse, die er kostenfrei anbietet. Rund 400 Kundinnen und Kunden sind in seinem Verteiler.

So sah es im Sommer bei Wengers Workout aus. 
So sah es im Sommer bei Wengers Workout aus. 

© privat

Auch die Firmenfitness, die Wenger sonst macht, kann derzeit lediglich online stattfinden. Er ist zudem Athletiktrainer bei der Ersten Frauenmannschaft des 1. FC Union und betreut die Männermannschaft des Regionalligisten Lichtenberg 47 in der Wintervorbereitung. 

Viele Wohnungen sind zu klein für Workouts

In seiner Wohnung in Lichtenberg könne er seine Live-Workouts nicht einspielen, sagt Wenger. Dort sei zu wenig Platz und dazu die Kinder. Sport im Freien müsse möglich bleiben, fordert er: „Es ist wichtig, dass wir mal rauskommen, sonst bekommen wir Depressionen, dann haben wir auch nichts gewonnen.“

Zudem gibt es in den Parks Geräte für die Übungen. Stangen, Treppen, Bänke. Auch auf Kinderspielplätzen trainiert Wenger, hüpft über Schaukeln, legt sich auf den Boden, lässt die Schaukel über sich schwingen, springt wieder auf und erneut über das Kinderspielgerät. 

Aber nur, wenn seine Kinder dabei sind oder während der Mittagspause, wenn kaum Kinder dort sind. „Der Spielplatz sollte weiterhin den Kindern gehören“, betont er. „Es sollte nicht so sein, dass Erwachsene ständig dort workouten.“ Auch deswegen fordert er die Stadt auf, mehr Geräte und Stangen in Parks aufzubauen – gerade während der Pandemie.

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Viele Sportgeräte, die von der Stadt errichtet wurden, seien verrostet oder würden kaum genutzt. Ausreichend seien Reckstangen in verschiedenen Höhen und mit Erklärungen, was man dort machen kann. 

Es müssten nicht aufwändige Laufräder oder Geräte mit Gewichten sein. Vielerorts in der Stadt gibt es Plätze für Eigengewichtsübungen (Calisthenics) und Street-Workout, meistens errichtet von Sportartikelherstellern, nicht von der Stadt Berlin. 

Gesicherte Kugelhanteln und Bauzaunfuß-Stemmen

Ein Besuch auf dem Calisthenics-Parkour im Volkspark Friedrichshain zeigt: Hier sind Bodybuilder am Werk, die ihre Kugelhanteln an Ort und Stelle lassen – gesichert durch Fahrradschlösser. Ein junger Mann stemmt einen Bauzaunfuß aus Beton in die Luft, der ebenfalls dort herumliegt, andere ziehen sich an Stangen hoch oder machen Dips. 

Hoch die Beine: Autor Robert Klages beim Workout im Volkspark Friedrichshain. 
Hoch die Beine: Autor Robert Klages beim Workout im Volkspark Friedrichshain. 

© Sophia Wetzke

Trainiert wird allein oder zu zweit. Anstehen, warten und abwechseln ist angesagt. Masken werden beim Sport nicht getragen, Abstandsregeln aber eingehalten. Von Weitem allerdings könnte man von einer Ansammlung von Personen sprechen, besonders, wenn mal etwas mehr los ist. Die Abstände der Personen untereinander sind geringer als bei den Online-Kursen mit Livepublikum von Wenger auf der Wiese.

"Workouts ohne Betreuung können gefährlich sein."

Dieser findet, dass Workouts unter Anleitung einer geschulten Person stattfinden sollten. Ein Workout ohne Betreuung könne sehr gefährlich sein und zu schweren Verletzungen führen, warnt der ausgebildete "Gesundheitstrainer". Gerade während des Lockdowns falle ihm auf, das die Leute falsch Sport treiben. 

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Wenn Wenger seine Live-Workouts macht, sind seine Follower weiterhin nicht weit. So wie am 14. Januar: Während der Fitnesstrainer „Planks“, „Rückenfliegen“, „Frontflys“ und weitere Übungen vollzieht, turnen zehn Personen auf ihren Yogamatten in seiner Nähe. Zwar sagt er seinen Fans, sie sollen lediglich online mitmachen, also zuhause oder an einem anderen Ort, aber sie kommen trotzdem zu ihm auf die Wiese.

Denn auf seiner Website steht immer noch, wann und wo er seine Liveworkshops einspielt. Darunter heißt es: „Aus aktuellem Anlass finden keine Gruppenkurse statt.“ Wenn die Leute zu ihm in den Park kämen und zur gleichen Zeit die Übungen machten, könne er das nicht ändern, sagt Wenger dazu. „Ich halte niemanden ab, in den Park zu kommen, wo ich mein Workout mache.“ Alle würden mehr als ausreichend Abstand halten, sie seien keine Gruppe.

Sportgruppe bekommt Stress mit dem Ordnungsamt

Aufgrund dieser Treffen hatte Wenger bereits im Dezember 2020 Ärger mit dem Ordnungsamt. Seine Gruppe und er wurden des Blankensteinparks verwiesen und Wengers Personalien aufgenommen. „Ich biete nur Online-Stunden an über meinen Instagram-Account“, schrieb er dem Ordnungsamt später. Die Gruppe im Park sei zwar wegen ihm dort gewesen, aber er habe sie ja nicht dazu aufgerufen. 

„Es ist schwierig, weil ich die Leute zum Sport animiere, sie sollen das aber zuhause machen.“ Wenn es seine Gruppe wäre, würde er rumgehen und bei den Übungen korrigieren. „Ich sehe kein Fehlverhalten bei mir, ich mache so weiter und werde vor Gericht gehen.“

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