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Zieht immer wieder Besuchermassen an: die Ostpro-Messe im SEZ.

© Manfred Thomas

Messe im SEZ: Ein Besuch auf der Ostpro Berlin

Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung: ein Besuch im legendären SEZ. Dort fand am Wochenende die Messe Ostpro statt. Und so mancher erinnerte sich an früher.

Das Schlangestehen, weil etwas Besonderes vermutet wird, scheint für alle Zeiten in des einstigen DDR-Menschen Genen zu wohnen. Für drei Tage war jetzt das frühere Spaß- und Sprudelbad im Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Landsberger Allee das Objekt der Begierde: Die Schlange bewegte sich wie ein Tausendfüßler vorwärts, hinein in ein leider sehr abgewracktes Badeschiff, das „auf dem festen Grund des Sozialismus steht“, wie der Genosse Honecker vor 36 Jahren bei der Eröffnung sagte. Der feste Grund ist weg, das SEZ leckgeschlagen und aus unerfindlichen Gründen teilvergammelt – aber nun ist Ostpro-Zeit, und da strömen die Massen wie einst das Badevolk mit Bikini oder Schlittschuhen in den gläsernen Allround-Sportpalast der Republik am Rande des Volksparks Friedrichshain.

Ostpro ist die Messe für Ostprodukte, an die hundert Stände bieten Waren „Made in East-Germany“ an, ein zusammengewürfeltes marktähnliches Angebot vom „Schlemmer-Hansel“ aus Falkensee mit Fleisch und Wurst vom Pferd bis zum Salzwedeler Baumkuchen, von Erzgebirgischer Gastlichkeit bis zu Reisen nach Freiberg in Sachsen, die ein bisschen damit angeben, dass das erzgebirgische Lebensgefühl dazu auserkoren wurde, Welterbe zu werden. Kochlöffel und Holzbrettchen, Tempo-Linsen und Magenschnaps – manche einst beliebte Sorte hat es nicht geschafft, von großen Handelsketten gelistet zu werden, also bleibt man in der engeren Heimat oder geht auf solche Messen und ist sich des guten Echos bei einer leicht ergrauten Kundschaft gewiss. Es ist ja nicht nur Ost- oder Nostalgie: Bekanntlich war nicht alles schlecht, was man am Umsatz von Rotkäppchensekt oder auch bei Rotstern-Schokolade aus Saalfeld ablesen kann. Rotstern kommt mit einem „Pralinen-Buch“ von Martin Luther, der auf einer Tafel Schokolade mitteilt: „Die ist eine Sünde wert“, während unser Dichterfürst über Rotsterns Edelbitterschokolade meint: „Wenn ich einmal anfange, kann ich nicht mehr aufhören, bis die Tafel weg ist“.

Natürlich blickt der Ostpro-Gast tiefer, also er wundert sich über den abgewetzten Fußboden und fragt, was das denn hier früher war? „Das Restaurant!“ sagt eine Verkäuferin, „hier saß man und sah dem bunten Treiben zu“. Richtig. Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung: Unten, eine Etage tiefer, hinter den ungeputzten Scheiben, war einst das Schwimmbad, daneben eine Fläche für die Eisläufer. Im blau-orange gestrichenen Pool ohne Wasser hängen jetzt Basketball-Körbe, stehen Fußballtore, Laufbänder und Palmen, die geben dem Ganzen einen Hauch von Botanischem Garten. Aber Totgeglaubte leben länger: Ab dem Nachmittag kommt Leben in die Bude, Ballsport im Schwimmbecken, die Sportgeräte werden genutzt und die Sauna allemal, das SEZ läuft zwar auf Sparflamme, aber es läuft. Früher gab es hier tausend Beschäftigte, nun sind es neun. Man betritt das riesige Gebäude durch einen Nebeneingang und zahlt je nach Wunsch sechs Euro für die Stunde Billard, für Tischtennis 8,50 und zwölf Euro pro Bowlingbahn und Stunde. Wer eine Tageskarte für zwölf Euro löst, kann so ziemlich alles benutzen: Badminton, Tischtennis, Fußball, Fitness und Sauna, von Montag bis Freitag kann sogar bis 23 Uhr schwitzt werden – und dann noch hinein in den Außenpool.

Die Zukunft steht in den Sternen. Sie liegt als Aktenberg bei Anwälten und vor Gericht. Stadt und Bezirk möchten das SEZ am liebsten abreißen und Wohnungen bauen, der Besitzer, der das Ganze einst für einen Euro von der Stadt kaufen durfte, hegt andere Pläne. Vorerst passiert gar nichts. Bis auf drei Tage Ostpro, wo man ins Grübeln kommt, wieso eine Hauptstadt solch einen unschuldigen Sportpalast zum Tode verurteilt.

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