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Holger Ackermann, Imker und Sprecher des Landes-Imkerverbands Brandenburg, zeigt in einer Bienenbeute ein Nest einer Hornissenkönigin.

© Patrick Pleul/dpa

Umzugshelfer für die Riesenwespen: Ein Brandenburger Imker rettet als Insektenschützer Hornissen

Hornissen werden oft aus Unwissenheit gejagt, doch die Insekten sind streng geschützt. Holger Ackermann versteht die Tiere und hilft bei der Umsiedlung.

Holger Ackermann wartet auf die Königin. Der Imker sitzt ganz ruhig auf Marvin Leders kleinem Balkon in Lübben im Spreewald und beobachtet die Umgebung. „Ich weiß schon, wann ich einen Schritt zurückgehen sollte, wenn ich an einem großen Nest mit 500 Hornissen bin. Wenn ich sie auf meiner Seite habe, fressen sie mir am Ende aus der Hand“, sagt er leise und schaut immer wieder zum Loch im Balkongestänge, wo die Lübbener Familie ein Hornissennest vermutet.

Im vergangenen Jahr hat Ackermann zehn Hornissennestern ein neues Zuhause gesucht – die Umsiedlung habe bei allen funktioniert.

Marvin Leder hat aus Sorge um seine kleine Tochter um Beratungshilfe gebeten. Vor dem Kinderzimmer schwirrte eine Hornisse herum. Die Familie konnte das Fenster nicht mehr öffnen. Der 21-Jährige habe ihn rechtzeitig angerufen, lobt Ackermann. Der Zeitpunkt sei günstig.

„Es ist viel einfacher, nur die Hornissenkönigin abzufangen.“ Sie sei noch in der Gründungsphase, müsse sich zunächst versorgen und das Nest mit den sieben Waben bauen. Das Tier müsse umgesetzt werden, bevor sein Arbeiter da seien, erklärt der 58-Jährige, der auch Sprecher des Brandenburger Imkerverbandes ist.

Später lasse die Hornissenkönigin ihre Gehilfen ausfliegen und bleibe im Nest. Der Stamm könne dann auf 900 Hornissen anwachsen. Die Königin lege bis zu 1500 Eier.

„Das Leben mit Hornissen ist ganz gut möglich, sie lernen uns kennen."

Während des Wartens erzählt Ackermann von einem älteren Ehepaar, das ahnungslos jeden Morgen auf dem Balkon mit einem Hornissennest frühstückte und sich über ein tiefes Brummen wunderte. Der Imker entdeckte Hunderte Hornissen in einem Nest, das unter einer Wachsdecke verborgen war. Mit Einverständnis des Paares habe er die Decke, die einen Ecktisch bedeckte, ringsherum zugetackert, denn das Paar habe die tierische Frühstücksgesellschaft weiterhin akzeptiert.

So wurde das Nest erhalten. „Das Leben mit Hornissen ist ganz gut möglich, sie lernen uns kennen. Ein Volk hat ein kollektives Gedächtnis. Es speichert sich unseren Geruch ab und gewöhnt sich an ihn“, erläutert Ackermann sein Vorgehen.

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Marvin Leder schaut während der Erzählung des Imkers etwas skeptisch. Von Hunderten Hornissen kann bei ihm noch keine Rede sein. Inzwischen ist auch klar - die Königin lässt auf sich warten. Leder soll weiter beobachten und sich wieder melden.

„Wo Hornissen sind, ist die Welt noch in Ordnung“, sagt Ackermann. Die Tiere, die sich zum Großteil von Baumsäften ernähren, ließen sich da nieder, wo Artenreichtum vorhanden und die Natur noch im Gleichgewicht sei – das sei ja auch für den Menschen gut.

Die Königin. Sie legt bis zu 1500 Eier und bleibt dann im Nest.
Die Königin. Sie legt bis zu 1500 Eier und bleibt dann im Nest.

© dpa

„Hornissen liefern nichts, Bienen wenigstens Honig. Natur wird immer so bewertet, was sie mir als Mensch bringt. Natur an sich einfach nur mal so zu akzeptieren, wie sie ist – das kommt bei uns einfach selten vor“, sagt Melanie von Orlow.

Die Biologin und leidenschaftliche Artenschützerin ist Sprecherin der Bundesarbeitsgruppe Hymenoptera (Insektenschutz) beim Naturschutzbund Nabu und Koordinatorin in Brandenburg. Jedes Jahr rufen bei ihr etwa 4000 Menschen an, die Beratung zu Hornissen und anderen Insekten suchen.

Am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf hat Orlow unter anderem Seminare zum Umsiedeln von Hornissen gehalten, in Forschungsgruppen gearbeitet, Bücher über Insektenhotels veröffentlicht.

Ihr ganzes Leben habe sie damit verbracht, den Insektenschutz voranzubringen. „Ich habe immer den Anspruch, die Leute dazu zu bringen, dass sie sich mit den Tieren auseinandersetzen, wir sind keine Schädlingsbekämpfer“, sagt von Orlow.

Ein Hornissennest in einer Millionenstadt wie Berlin schützen

Die Hornisse stehe seit dem Jahr 1987 unter Artenschutz – allerdings zuerst nur auf dem Papier, wie die Biologin erzählt. In der Praxis habe das anders ausgesehen, für viele Hornissen sei noch lange ein „Abtötungsschein“ ausgestellt worden. Langsam umgedacht wurde, als das Bundesland Baden-Württemberg Pionierarbeit leistete und ein Beratungsnetz für Umsiedlungen aufbaute. Die Frage sei aber immer noch: Wie kann man ein Hornissennest in einer Millionenstadt wie Berlin schützen?

Ein Anruf aus Halbe (Dahme-Spreewald) erreicht Imker Ackermann. Ein alter Hobbyimker hat einen Hornissenangriff auf seinen Bienenstock erlebt und meint, die asiatische Hornisse ausgemacht zu haben. Wenn dem so sei, wäre das ein Problem, sagt Ackermann.

Diese Art sei eingeschleppt worden, ernähre sich vornehmlich von Honigbienen und breite sich schnell aus. Deshalb müsse diese Art bekämpft werden. Nach Angaben des NABU wurde diese für Europa neue Hornissenart von der EU auf die Liste der invasiven gebietsfremden Arten gesetzt.

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Holger Ackermann schaut sich auf dem Hof in Halbe ein bereits totes Tier an und entscheidet: Die asiatische Hornisse ist es nicht. Nester sind nicht zu finden – weiter beobachten, empfiehlt er wieder, der Imker kann seinen Schutzanzug und das Lockfutter wieder einpacken. „Ich kann die Hornissen innerhalb von 20 Minuten so einstellen, dass sie mich toll finden“, sagt er.

Futter, welches sie gerne mögen, reibe er, bis es nach ihm rieche und die Tiere ihn duldeten. „Die Stimmung kippt dann irgendwann, und die Verteidigungsbereitschaft setzt ein, bis dahin bleiben aber zehn Minuten Zeit, die ich nutze“.

„Bis sie mal stechen dauert es“, sagt Ackermann. Viel eklatanter aber seien die Bauwerkschäden, die durch Hornissennester verursacht werden können, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt werden. „Die schroten auch gerne ganze Dämmungen weg, weil sie zehn bis 20 Liter Hohlraum brauchen“. Deshalb sei die Beobachtung richtig, was die Insekten so treiben – und falls nötig ein Anruf bei ihm. (dpa)

Silke Nauschütz

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