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Ein Foto des verstorbenen Papst Benedikt XVI. während einer Messe in der Himmelfahrts-Kathedrale in Bangkok, Thailand.

© IMAGO/ZUMA Wire

„Einer der größten queerfeindlichen Hetzer“: Berliner Polizei ermittelt wegen Papst-Nachruf gegen queeres Online-Magazin

Wegen „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ wurde ein Strafverfahren gegen ein Online-Magazin eingeleitet. Es bestehe Anfangsverdacht, so die Berliner Polizei.

Die Berliner Polizei hat ein Strafverfahren gegen das Online-Magazin queer.de eingeleitet. Das bestätigte ein Polizeisprecher. Grund für die Ermittlungen ist ein Nachruf auf den verstorbenen Papst Benedikt XVI., der am 31. Dezember veröffentlicht worden war und in dem dieser als „einer der größten queerfeindlichen Hetzer“ bezeichnet wird.

Am selben Tag ist über die Internetwache eine Anzeige wegen „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ eingegangen, wie die Berliner Polizei am Sonntag bekanntgab. Dazu, wer Anzeige erstattet hat, wollte sie sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern. „Bei Bestehen eines Anfangsverdachts einer Straftat“ sei sie verpflichtet, entsprechende Ermittlungen aufzunehmen, teilte die Polizei auf Nachfrage mit.

„Wir erleben seit einiger Zeit, dass queerfeindliche Gruppierungen und Personen unsere Redaktion mit Strafanzeigen – oder der Drohung, Anzeige zu erstatten - einschüchtern wollen. Bislang hat das nie zu Ermittlungen geführt“, sagte Micha Schulze, Herausgeber des Online-Magazins, am Sonntag zu dem laufenden Strafverfahren.

„Ich bin entsetzt, dass in diesem Fall tatsächlich Vorermittlungen laufen. Mein Vertrauen in den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Deutschland ist aber groß genug, dass ich mir eine Anklage oder gar Verurteilung nicht vorstellen kann“, so der Herausgeber.

Im Online-Kondolenzbuch auch kritische Nachrufe

Zum Vorwurf sagte Schulze, dass die queerfeindliche Gesinnung von Joseph Ratzinger — wie der verstorbene Papst mit bürgerlichem Namen hieß – leicht zu belegen sei. Ein Schwerpunkt seines Pontifikats sei der Kampf gegen die rechtliche Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren gewesen. Mit seiner Hetze habe er viele gläubige queere Menschen in schwere religiöse Konflikte bis hin zum Suizid getrieben, so Schulze.

Hinweise darüber, wer Anzeige erstattet hat, lägen dem Online-Magazin nicht vor. „Um dies herauszufinden, müssten wir eine Anwaltskanzlei einschalten und Akteneinsicht beantragen. Das ist uns der Aufwand nicht wert“, sagte er.

Das Erzbistum Berlin teilte auf Nachfrage mit, dass keine Kenntnis über die Ermittlungen bestünde. Zum veröffentlichten Text wollte sich ein Pressesprecher am Sonntag nicht äußern. Stattdessen verwies er auf das Online-Kondolenzbuch des Erzbistums, in dem kritische Nachrufe bewusst nicht gelöscht würden.

Außerdem merkte er an, dass die vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) federführend vorbereiteten Proteste gegen den Papstbesuch im Jahr 2011 für das Erzbistum Berlin Anlass gewesen seien, in einen Dialog zu treten, der seitdem nicht abgerissen ist.

Das Online-Magazin queer.de ist laut eigener Angaben das reichweitenstärkste deutsche LGBTIQ-Onlinemedium mit monatlich 1,5 Millionen Besuchern und vier Millionen Aufrufen.

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