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Berlin: Eltern: Bildungsnotstand in Kreuzberg

Aufruf zu Protesten wegen Personalkürzungen. Unruhe auch wegen Platzmangels an beliebten Schulen

Die schulpolitische Situation in Kreuzberg spitzt sich zu. Angesichts der brisanten sozialen Mischung wird der Ansturm auf die wenigen Schulen mit ausgewogener Schülermischung immer stärker. Zusätzliche Unruhe ist dadurch entstanden, dass der Problembezirk wegen Kürzungen bei der Migrantenförderung 69 Lehrerstellen verliert. „Der Traum von Bildungs- und Chancengleichheit gehört nunmehr endgültig der Vergangenheit an“, heißt es in einem Protestaufruf, der vom Bezirkselternausschuss verabschiedet wurde. Die Unterzeichner erklären Kreuzberg zum „Bildungspolitischen Notstandsgebiet“. Am 24. Juni soll vor dem Amtssitz von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) demonstriert werden.

Die Personalkürzungen treffen besonders die Grundschulen. Sie müssen Stellen abgeben, weil die Personalzumessung für die Migranten- und Behindertenintegration verändert wurde. Hart ist es vor allem für Schulen, die über 40 Prozent Migranten haben: Seit einigen Jahren durften sie Klassen mit nur 20 Kindern einrichten. Jetzt sollen es regulär wieder 24 bis 28 Kinder sein. „Diese Entscheidung war eine große Enttäuschung“, urteilte Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) über Zöllners Vorgabe. Auch Gerhard Schmid, Referatsleiter der Schulverwaltung und Sprecher des Bundes Freiheit der Wissenschaft, zeigt „großes Verständnis“ für den Protest.

Unterdessen wächst die Sorge der Kreuzberger Eltern vor der Einschulung ihrer Kinder. Nur noch eine Handvoll der 20 Grundschulen hat eine Schülermischung, die von bildungsorientierten Eltern akzeptiert wird. Sie versuchen deshalb zunehmend mit falschen Meldeadressen, in das Einzugsgebiet dieser Schulen zu kommen. An der Charlotte-Salomon- Schule führte das dazu, dass die Kapazitäten nicht mehr reichen. Das Schulamt hat deshalb etliche Familien herbeizitiert: Sie müssen jetzt nachweisen, dass sie tatsächlich umgezogen sind. „Falls nicht genügend Kinder aussortiert werden können, muss gelost werden“, befürchtet eine Mutter, die tatsächlich im Umfeld wohnt.

Auch an den Gymnasien spitzt sich die Lage zu. Nur noch das Leibniz-Gymnasium ist von der sozialen Zusammensetzung her in der Lage, bildungsinteressierte Deutsche und Migranten anzuziehen, weshalb sich hier die Anmeldungen ballen. Inzwischen wurden rund 100 Absagen für die siebten Klassen verschickt. „Die Kinder weinen nur noch“, berichten Mütter aus der Lenau- und der Zille- Grundschule. Besonders empört sind türkischstämmige Eltern, deren Kinder trotz Gymnasialempfehlung und fußläufigem Wohnsitz abgelehnt wurden. „Von 16 Kindern der Lenau-Schule wurden die zwölf deutschstämmigen angenommen und die vier türkischstämmigen abgelehnt“, berichten völlig entsetzte Eltern. Sie vermuten, dass sie von der Schule aussortiert wurden, weil sie die Antragsbegründung nicht perfekt ausgefüllt hatten. „Wenn die Eltern nicht in der Lage sind, die Unterlagen so auszufüllen, wie sich die Schule das vorstellt, ist eine gewisse Benachteiligung der Kinder da“, gibt Schulamtsleiterin Marina Belicke zu.

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