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Die Alternative Liste wirbt 1988 mit Werner Orlowsky für die Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung.

© Paul Glaser/picture alliance

Erster grüner Baustadtrat Berlins: Werner Orlowsky ist tot

Er kämpfte gegen den Häuser-Abriss in Kreuzberg und sorgte für den Bau des Spreewald-Bads. Werner Orlowsky ist im Alter von 87 gestorben.

Er war einer der ersten Wutbürger der Republik, ein Kleinunternehmer, der eher zufällig in die Politik rutschte und zum Baustadtrat aufstieg, dem ersten grünen Quereinsteiger-Stadtrat der Republik. Werner Orlowsky war der Joschka Fischer der Berliner Politik. Für die Grünen ist er „der Vater der behutsamen Stadterneuerung und Pionier einer neuen Beteiligungskultur“.

Fast ein halbes Jahrhundert ist das her. Kreuzberg sollte autobahngerecht zurechtgestutzt und großflächig grunderneuert werden. Werner Orlowsky verkaufte Windeln und After Shave in seiner Drogerie in der Dresdner Straße 19 und stand plötzlich am Ende seiner Straße vor einem Bauzaun. Ohne die Anwohner zu informieren wurde ein gigantisches Bauprogramm durchgezogen, das „Neue Kreuzberger Zentrum“, die Neubaublöcke am Kottbusser Tor.

Anekdoten gibt es viele

Orlowsky hatte sich in den 70er Jahren in seinem bürgerlichen Leben eingerichtet. Eigentlich wollte er Historiker werden, hatte die Doktorarbeit aber abgebrochen und mit dem Geldverdienen angefangen, schließlich musste er für seine Familie sorgen. Dass der Handel eine gute Basis ist, hatte er bereits nach dem Krieg festgestellt. Damals tauschte er nicht silberne Löffel gegen Kartoffeln, sondern fuhr mit einem Kumpel zu den Tabakbauern in die Uckermark. Von dort schmuggelte er die Rohware nach Berlin und ließ Zigaretten drehen, die sich auf dem Schwarzmarkt mit gutem Profit verkaufen ließen.

Anekdoten gibt es viele zu Werner Orlowsky. Dass er missliebige Bauakten im Kühlschrank lagerte, wo sie dann buchstäblich auf Eis lagen. Dass er mit Blechbadewanne und Blaskapelle pressewirksam den Grundstein fürs Spreewaldbad legte und damit den Senat nötigte, nun endlich das Geld dafür freizugeben, so erzählen es seine grünen Parteifreunde. Wobei das so nicht ganz stimmt, denn Orlowsky war weder der Alternativen Liste beigetreten, die ihn als Stadtrat aufgestellt hatte, noch später den Grünen.

Laie und Autodidakt

Den Titel „Vater der behutsamen Stadterneuerung“ könnten auch andere Akteure für sich reklamieren, Orlowsky aber trat als Laie und Autodidakt in die Debatte ein. Er opponierte als einer der ersten gegen die autogerechte Kahlschlag-Politik der Nachkriegszeit, gründete eine Betroffenenvertretung und den ersten Mieterladen der Stadt. Heute ist es selbstverständlich, die von politischen Entscheidungen Betroffenen einzubeziehen. Damals musste es hart erkämpft werden. Orlowsky half, das neue Leitbild für die Altbaukieze durchzusetzen, gegen Bausenatoren und Baukonzerne.

Anfang der 80er Jahre, als viele zum Abriss freigegebene Häuser besetzt wurden, begann Orlowskys politische Karriere. Er wurde vom „Besetzerrat K 36“ – quasi die oberste Instanz der Hausbesetzer – zum Sprecher bestimmt, verhandelte mit dem Senat und Hauseigentümern so erfolgreich, dass die Alternative Liste ihn für das Amt des Baustadtrats vorschlug.

Acht Jahre im Amt

Der Drogist hatte plötzlich einen Stab von 450 Leuten anzuleiten. Eingefleischte Konservative beschimpften ihn als „Kommunistenschwein“. Orlowsky wurde auf offener Straße verprügelt, sein Auto demoliert.

Acht Jahre blieb er im Amt. Die Wendezeit erlebte er schon als Privatier, half aber mit, eine Mieterberatung in Prenzlauer Berg aufzubauen, und gründete das „Stadtforum von unten“ als Gegenentwurf zum Forum, das der Senat installiert hatte. Mit jedem runden Geburtstag lebte Orlowskys wilde Vergangenheit wieder auf, Medien fragten an, politische Weggefährten gratulierten. Werner Orlowsky erzählte die verrückten Geschichten von früher und hielt sich mit Bewertungen zur aktuellen Lage zurück. Am Dienstag ist der Kreuzberger im Alter von 87 Jahren gestorben.

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