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Im Sommer sind die Fahrradplätze im ICE oft Wochen im Voraus ausgebucht.

© Stefan Jacobs

Fahrradmitnahme im ICE: Bahn sagt Sorry und wünscht gute Reise

Der Grüne Michael Cramer kämpft mit der Bahn um mehr Fahrradplätze in ICE-Zügen – mit mäßigem Erfolg.

Mit Erfolg hat sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele bei der Bahn beschwert, weil sie ihm Reisen mit Rollator schwergemacht hat. Sein Parteifreund Michael Cramer hat sich ebenfalls bei der Bahn beschwert – weil die Bahn ihm Reisen mit Fahrrad schwermacht. Zumindest nicht so leicht, wie sie sollte und wie Cramer, der Initiator des Berliner Mauerweges und des durch ganz Europa führenden „Radweges Eiserner Vorhang“, es im Namen vieler Radfahrer gern hätte.

Nach 15 Jahren als Bahn- und Radverkehrsexperte im EU-Parlament kennt der 70-Jährige die Materie wie kaum ein anderer. Und sein Briefwechsel mit Bahnchef Richard Lutz zeigt, dass er wirklich alles versucht hat. Der Disput begann mit einem Brief von Cramer im August, in dem Cramer die komfortable Fahrradmitnahme in den neuen ICE-4-Zügen lobte, aber sich über die auch künftig fehlende Option im ICE3 beklagte. Der ICE3 ist mit 80 Zügen die häufigste Version des DB-Flaggschiffs – und wird zurzeit nach knapp 20 Betriebsjahren sukzessive grundsaniert.

Michael Cramer (Grüne) hat sich von 2004 bis 2019 als Mitglied des Europäischen Parlaments vor allem für Bahn- und Radverkehr engagiert.
Michael Cramer (Grüne) hat sich von 2004 bis 2019 als Mitglied des Europäischen Parlaments vor allem für Bahn- und Radverkehr engagiert.

© Thilo Rückeis

Cramer war vor allem sauer auf Bahnvorstand Berthold Huber, der bei einer Pressekonferenz wahrheitswidrig erklärt habe, das Eisenbahnbundesamt verbiete die Nachrüstung der Züge mit Fahrradabteilen. Außerdem verwies Cramer auf den Bundesrat, der den bundeseigenen Konzern schon 2008 aufgefordert hatte, die Fahrradmitnahme bei Neukauf und Überarbeitung von Zügen zu ermöglichen.

Mehr Platz für Fahrräder bedeutet weniger für Passagiere

Statt dieser Vorgabe ihres Eigentümers und einer ähnlichen Aufforderung durchs Europäische Parlament 2018 zu folgen, lasse die Bahn radfahrende Kunden ohne Not auf Fernbusse und aufs Flugzeug umsteigen. Denn bei diesen Verkehrsmitteln ist die Fahrradmitnahme vereinfacht worden.

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In seiner ebenso ausführlichen Antwort schrieb Bahnchef Lutz, dass die Fernverkehrsflotte bis 2025 zu fast 60 Prozent über Fahrradstellplätze verfügen werde – dank 23 bestellter Talgo-Züge mit je acht Plätzen, dank aus Österreich übernommener Intercity-Doppelstockwagen und durch den Zukauf weiterer ICE-4-Züge. Deren Fahrradplätze seien im Jahresdurchschnitt übrigens nur zu etwa einem Viertel ausgelastet: Trotz des Booms sei Radfahren ein Saisongeschäft. Und mehr Fahrradplätze bedeuteten speziell im ICE3 weniger Raum für die Passagiere.

In den neuen ICE4-Zügen ist ein Fahrradabteil Standard, in den älteren Baureihen der DB-Fernzüge aber nicht.
In den neuen ICE4-Zügen ist ein Fahrradabteil Standard, in den älteren Baureihen der DB-Fernzüge aber nicht.

© Stefan Jacobs

Auf Tagesspiegel-Anfrage teilte die Bahn mit, dass sie alle drei Wochen einen fabrikneuen ICE4 mit acht Fahrradplätzen erhalte, die ICE-T-Züge mit je drei Plätzen nachgerüstet habe und im Berlinverkehr beispielsweise ICs nach Amsterdam mit acht bis 16 Plätzen sowie Eurocitys nach Hamburg und Prag mit Fahrradabteilen einsetze. Hinzu komme die neue IC-Linie nach Rostock und Dresden.

In seinem nächsten Brief schilderte Cramer erfreuliche und unerfreuliche Erfahrungen, monierte den Starrsinn der Bahn, pries die Erfindung von Klappsitzen und merkte an, dass die ICEs im Schnitt nur zu 60 Prozent belegt seien. Diesmal antwortete nicht mehr der Vorstandschef, sondern der Zentrale Kundendialog der Bahn. Es ging nun um Details von Buchungssystemen und Innenarchitektur. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, schrieb Cramer.

Das Rad muss noch warten

Der Kundendialog äußerte ausführlich Verständnis für dessen Verdruss, aber erklärte auch, „dass wir keine weiteren Ausführungen zu diesem Thema anstellen, da sich an der konkreten Sachlage nichts geändert hat“ – und wünschte Cramers „kommenden Bahnreisen mit dem Fahrrad einen stets angenehmen Verlauf“. Cramer schrieb noch einen dritten Brief, aber resümiert nun, dass die Bahn sich ganz auf die Hürden statt auf Lösungen fokussiert habe und dass er frühestens in 30 Jahren in jedem Fernzug sein Rad mitnehmen kann. Im besten Fall ist Cramer also zu seinem 100. Geburtstag am Ziel.

Während in Regionalzügen – sofern sie nicht überfüllt sind – immer das Fahrrad mitgenommen werden kann, muss im Fernverkehr ein Stellplatz reserviert werden (auf www.bahn.de unter „Weitere Optionen“). Da die meisten Züge nur acht Stellplätze haben, empfiehlt sich frühzeitige Buchung, am besten kurz nach Freischaltung ein halbes Jahr vor dem Reisetermin.

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