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Hart am Wind. Die Schauspieler David Kross, Karoline Schuch und Friedrich Mücke (v.li.) bei Fotocall für den Kinofilm "Ballon" vor dem Reichstag. D

© Jens Kalaene/dpa

Filmstadt Berlin: Ein Biest von Ballon

Beim Fototermin für Michael Bully Herbigs neuen Film über eine spektakuläre DDR-Flucht von 1979 spielte der Wind anfangs nicht mit.

„Jetzt zeigt uns der Wind, wer der Herr im Hause ist.“ Christoph Schönemann, Ballonfahrer aus Bayern, lacht und klingt dabei gar nicht besorgt. Er kennt solche Situationen wohl zur Genüge: Ein Heißluftballon soll an diesem Sonnabend, der doch ein wunderschöner Spätsommertag ist, auf der Wiese vor dem Reichstag in die Höhe gehen, aber schon beim Aufpusten mit einem großen, per Benzinmotor angetriebenen Ventilator zickt der gut 30 Meter lange und kunterbunte Nylonschlauch herum, bläht sich ein wenig auf, fängt dann aber an, ungestüm hin und her zu tanzen, von kräftigen Männern mittels Seilen halbwegs gebändigt, bis er doch noch die Gondel mit den vier Propangasflaschen einfach umreißt: Abbruch des ersten Versuchs, und das, obwohl der Wind, das himmlische Kind, nach Auskunft des Berliner Wetterdienstes Meteogroup nur Böen zwischen Windstärke 5 und 6, also mit Geschwindigkeiten zwischen 35 und 44 km/h, gehabt haben dürfte. Reicht aber schon bei solch einem Stoffgebilde.

Gut also, dass Michael Bully Herbig die Flugszenen zu „Ballon“, seinem Thriller über die spektakuläre Flucht zweier Familien aus der DDR 1979, nachts drehen konnte, bei moderater Thermik also, wie sie schon bei der Flucht selbst geherrscht haben muss. Dass er sich also nicht mit den Wetterkapriolen eines Septembertages mitten in Berlin, immerhin vor spektakulärer Reichstagskulisse, herumschlagen musste wie die Beteiligten der trotz nur teilweise geglücktem Aufblasen noch immer Aufmerksamkeit stiftenden Werbeaktion für den Film. Wobei David Kross, Karoline Schuch und Friedrich Mücke, drei der Hauptakteure und damit auch die Hauptfiguren beim gestrigen Fototermin vor dem Ballon, nicht mehr zu tun hatten, als in die Foto- und Filmkameras zu lächeln. Ganz anders dagegen Christoph Schönemann und Stefan Dolpp, mit einem ganzen Team eigens aus Bayern angereiste Ballonexperten, die alle Hände voll zu tun hatten, das widerspenstige Biest von Ballon zu bändigen. Erst später am Tag klappte es dann doch, und der Ballon stand prall und bunt vor dem Reichstag.

Später am Tag klappte es doch: Passanten betrachten den bunten Heißluftballon vor dem Reichstag.
Später am Tag klappte es doch: Passanten betrachten den bunten Heißluftballon vor dem Reichstag.

© Jens Kalaene/dpa

Die beiden waren von Herbig für die Dreharbeiten als Heißluft-Flugexperten angeheuert worden, hatten bei den luftigen Szenen darauf zu achten, dass alles ohne Probleme ablief. Denn so zusammengebastelt der Ballon und die Gondel auch aussehen, wie sie ja schon der Authentizität wegen auch aussehen müssen: Das Gerät ist doch flugfähig, ging dann allerdings beim Dreh, eher ein Fessel- als ein Heißluftballon, nicht höher als 30 Meter in die Luft, während einer der echten Piloten unten stand, die Reißleine in der Hand, die den Brenner bei Problemen sofort gestoppt und oben an der Ballonspitze einen Luftauslass geöffnet hätte, wie Schönemann erzählte.

Der nur 28-minütige Flug am 16. September 1979 von Pößneck in Thüringen über die innerdeutsche Grenze war eine der spektakulärsten Fluchten aus der DDR. Sie gelang erst beim zweiten Versuch und löste in der DDR hektische Aktivitäten an der Grenze aus: Kleine Sportflugplätze wurden gesperrt, die Wachen verstärkt und anderes mehr. Auch Hollywood wurde aktiv: Disney brachte den Stoff bereits drei Jahre später unter dem Titel „Mit dem Wind nach Westen“ ins Kino, hatte sich die Filmrechte auf Dauer gesichert, was Herbig einige Mühe bereitete, sie für das Remake doch noch zu erlangen.

Das Original. Der provisorische Korb, ein Teil der Hülle und die Nähmaschine, an der sie zusammengefügt wurde, werden im Mauermuseum gezeigt.
Das Original. Der provisorische Korb, ein Teil der Hülle und die Nähmaschine, an der sie zusammengefügt wurde, werden im Mauermuseum gezeigt.

©  Thilo Rückeis

Reste der originalen Ballonhülle sind im Heimatmuseum des Ortes Naila in Bayern ausgestellt, in dessen Nähe der Ballon gelandet war. Die winzige Gondel, die acht Menschen transportiert hatte, ein Teil des Ballons und die Nähmaschine, an der er entstand, sind im Mauermuseum am Checkpoint Charlie ausgestellt, dienten als Vorlage für den Nachbau. Auch einige Szenen des Films, dessen Berlinpremiere am 13. September im Zoo-Palast gefeiert wird und der am 27. September in die Kinos kommt, wurden hier gedreht, so im Lichtenberger Stasi-Museum und im Alten Stadthaus in Mitte.

Zehn Jahre nach dem Ballonflug wurde mit der gleichen Methode erneut ein Fluchtversuch unternommen, diesmal aus Ost-Berlin. Der Elektroingenieur Winfried Freudenberg allerdings schaffte es nicht: Am 8. März 1989 stürzte er nach mehrstündigem Irrflug über Zehlendorf ab – der letzte DDR-Bürger, der bei seiner Flucht zu Tode kam.

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