zum Hauptinhalt
Die Nase voll? BER-Chef Hartmut Mehdorn hat am Flughafen seit Frühjahr 2013 das Sagen.

© dpa

Flughafen Berlin-Brandenburg: Abgeordnete drohen BER mit Zahlungsstopp

Letzte Mahnung: Schwarz-Rot schimpft lautstark über den Flughafenneubau in Schönefeld. Ein Wort fällt gleich mehrfach: Insolvenz. Und die Wirtschaft fordert, ein Unternehmer solle Wowereits Posten übernehmen.

Von

Berlins Regierungsfraktionen SPD und CDU drohen damit, der Flughafengesellschaft in Schönefeld den Geldhahn zuzudrehen. Die Haushälter ließen sich auch durch Gerüchte, das Unternehmen könne in Konkurs gehen, nicht beeindrucken. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Torsten Schneider schimpfte im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch lauthals über „diese ganzen Mätzchen und Machtkämpfe“ in Sachen BER, auch zwischen den Gesellschaftern Berlin, Brandenburg und Bund. „Wir haben die Faxen dicke!“ Freihändige Finanzzusagen für den Flughafen, die nicht nachvollziehbaren Kriterien folgten, werde es in Zukunft nicht mehr geben.

Schneider kritisierte das „muntere Hauen und Stechen“, das derzeit von verschiedener Seite auf öffentlicher Bühne ausgetragen werde. Und er fügte hinzu: „Manchem Unternehmen hat es in der Vergangenheit sogar gut getan, Insolvenz anmelden zu müssen.“ Die Finanzexperten der Union schlossen sich der Sichtweise des größeren Regierungspartners an. „So geht es nicht weiter“, sagte der CDU-Abgeordnete Michael Freiberg. „Ab sofort muss das anders funktionieren.“ Gemeint ist die offenbar übliche Praxis der Senatsfinanzverwaltung, Zuwendungen an die Flughafengesellschaft aus einer Kapitalrücklage im Haushalt zu leisten, wenn die Anträge als „bedarfsgerecht“ anerkannt werden.

Als die Finanz-Staatssekretärin Margaretha Sudhoff erklärte, dass „bedarfsgerecht“ ein unbestimmter Rechtsbegriff sei, der im Einzelfall geprüft werden müsse, platzte dem SPD-Mann Schneider der Kragen. Seine Wahrnehmung sei, dass die Finanzverwaltung wegen der Insolvenzgerüchte einknicke und objektive Kriterien für die Auszahlung von Gesellschaftermitteln nicht zur Anwendung kämen. Er habe keine Lust mehr, um den heißen Brei herumzureden. Der Hauptausschuss des Parlaments werde in keinem Fall klein beigeben. Erst recht nicht nach dem „unverschämten Auftreten“ des früheren BER-Chefs Rainer Schwarz im Untersuchungsausschuss, der in „rotzfrecher Weise“ aufgetreten sei und gezeigt habe, was er vom Parlament halte. „Nämlich gar nichts!“

Björn Böhning bemühte sich vergeblich, die Gemüter zu beruhigen

Die Opposition war mit dieser neuen, harten Gangart der Koalitionsfraktionen einverstanden. „Gut gebrüllt, Herr Schneider“, lobte der Grünen-Haushälter Jochen Esser und wollte wissen, ob seine Wahrnehmung richtig sei, dass der Airport jedes Jahr etwa 80 Millionen Euro Zuschüsse der öffentlichen Hand nicht für nachweisbare Bautätigkeiten, sondern für die Deckung von Verlusten verwende, um die Liquidität des Unternehmens zu sichern. Auch der Linken-Abgeordnete Steffen Zillich sprach von einem „höchst unerfreulichen Zustand“, und er könne nur hoffen, dass die Aufsichtsratssitzung am Freitag mehr Klarheit bringe.

Der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, bemühte sich vergeblich darum, die Gemüter zu beruhigen. Die Abstimmungen zwischen den drei Gesellschaftern über Zeit- und Kostenpläne, Baufortschritt und Stand von Genehmigungsverfahren für den BER-Aufsichtsrat seien noch nicht abgeschlossen. Das Land Berlin wünsche sich, auch was die Terminierung der Inbetriebnahme und die Erweiterungspläne betreffe, am Freitag klare Aussagen. Böhning warnte davor, „über das Thema Insolvenz öffentlich zu diskutieren“. Das sei unverantwortlich.

Heike Fölster, die Finanzchefin der Flughafengesellschaft, teilte dem Hauptausschuss mit, dass die KfW-Bank, die zu den großen Kreditgebern des Airports gehört, Ende Oktober neue Anforderungen zur Auszahlung einer Darlehenstranche gestellt habe. „Ursprünglich gingen wir davon aus, dass die KfW Ende 2014 den Kredit auszahlt“, sagte Fölster. Auf Nachfragen von Abgeordneten sagte sie dann noch, dass die Flughafengesellschaft „für die Baustellenthematik“ bisher 3,8 Milliarden Euro ausgegeben habe.

Wer soll künftig den BER-Aufsichtsrat führen?

Die Nase voll? BER-Chef Hartmut Mehdorn hat am Flughafen seit Frühjahr 2013 das Sagen.
Die Nase voll? BER-Chef Hartmut Mehdorn hat am Flughafen seit Frühjahr 2013 das Sagen.

© dpa

Nach dem Rückzug des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) wächst nun auch der Druck von außen, den vakanten Vorsitz des BER-Aufsichtsrats mit einem externen Wirtschaftsfachmann zu besetzen. Das forderten am Mittwoch im Gespräch mit dem Tagesspiegel die Vereinigung der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB), die Vereinigung Deutscher Aufsichtsräte (VARD) und der Cottbuser IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Krüger, der selbst im BER-Aufsichtsrat sitzt. Das ist auch die Linie Brandenburgs und des Bundes. „Grundsätzlich ist ein externer Vorsitzender vorstellbar“, sagte der Sprecher von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf Anfrage.

Als Favorit für einen unabhängigen Vorsitz gilt der von Brandenburg neu als BER-Aufsichtsrat bestellte frühere Daimler- und Rolls-Royce-Manager Axel J. Arendt. Allerdings hat der designierte Regierende Michael Müller (SPD), der über die Personalie vorab informiert war und selbst den Vorsitz ausgeschlossen hat, zurückhaltend reagiert. Am Freitag tagt der Aufsichtsrat in Motzen, geleitet vom Vize-Aufsichtsratschef und brandenburgischen Flughafenstaatssekretär Rainer Bretschneider.

Zur letzten Sitzung in diesem Jahr, auf der es um den Zeithorizont einer möglichen BER-Eröffnung, nötige Kapazitätserweiterungen und Geld gehen wird, werden die Brandenburger in der von der Potsdamer Regierung beschlossenen Neubesetzung erscheinen, mit Arendt und Krüger als externen Wirtschaftsexperten und zwei regierungsamtlichen Staatssekretären. Dagegen sitzen für Berlin der neue Regierende Müller (SPD) und dessen Stellvertreter und Innensenator Frank Henkel (CDU) im Gremium. Berlin ist wegen des Rückzugs der Potsdamer Minister auf Brandenburg derzeit nicht gut zu sprechen.

„Wo Aufsichtsrat draufsteht, muss auch Aufsichtsrat drin sein“

Dagegen begrüßte die Vereinigung Deutscher Aufsichtsräte (VDAR) den Kurswechsel Brandenburgs. „Wo Aufsichtsrat draufsteht, muss auch Aufsichtsrat drin sein – in Potsdam ist die Botschaft angekommen“, sagte der Vorsitzende Peter Dehnen. Bei dem ins Trudeln geratenen Milliardenprojekt sei es zwingend, dass ein Mann aus der Wirtschaft die zentrale Funktion des Vorsitzes übernehme. Die Neuaufstellung des Aufsichtsrates sei dafür eine „große Chance“, sagte der Cottbuser IHK-Hauptgeschäftsführer und BER-Aufsichtsrat Wolfgang Krüger. „Damit verbunden ist meine Erwartung, dass die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung mit Blick auf den nötigen Erfolg des BER deutlich professioneller wird.“

UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck sagte, der Aufsichtsratsvorsitz am BER sei „nahezu ein Fulltime-Job“, für den ein Regierungschef nicht die Zeit habe. Nötig sei aber, dass sich Berlin, Brandenburg und der Bund einvernehmlich auf eine Personalie einigen. Da Brandenburg das Vorschlagsrecht habe, wäre Arendt, der viel Erfahrung mitbringe, ein denkbarer Vorsitzender. Gleichzeitig unterstützte Amsinck Müller darin, selbst als Mitglied in den Aufsichtsrat zu gehen. „Es ist ein Projekt von drei Gesellschaftern, eine Politikfreiheit haben wir nicht gefordert.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false