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Aus der Zeit gefallen. Vor gut 100 Jahren wurde die Anlage gebaut. Später nutzte die Rote Armee sie als Krankenhaus, seit 20 Jahren verfällt das Areal.

©  Claus-Dieter Steyer

Frühere "Irrenanstalt" in Teupitz steht zum Verkauf: Ein wahnsinniges Angebot

Eine gute halbe Stunde vom Ku’damm, aber wie von einer anderen Welt: Die frühere "Landesirrenanstalt" in Teupitz steht seit 20 Jahren leer. Doch niemand will das 16 Hektar große Grundstück kaufen.

Die Bezeichnungen der Häuser auf dem großen Lageplan klingen fremd und sonderbar: „Haus für halbruhige Kranke“, „Haus für zerstörungssüchtige Frauen“ oder „Haus für verblödete Kranke“. Vor mehr als 100 Jahren sind diese Namen eingetragen worden, zusammen mit einer Schlachterei, einem Festsaal, einem Wasser- und Elektrizitätswerk, einer Gärtnerei, einem Friedhof und mehr als zwei Dutzend „Aufnahme- und Überwachungshäusern“. Sie gehörten zu einer kleinen Stadt am Rande von Teupitz im südlichen Berliner Umland. „Landesirrenanstalt“, sagte man 1908 bei der Eröffnung des vom Brandenburgischen Provinzialverband in drei Jahren gebauten Ensembles mit viel Platz zum Spazierengehen und Erholen.

Heute steht das gut 16 Hektar große Areal leer. Die Gebäude sind verfallen, mutwillig zerstört und von Schrottdieben heimgesucht worden. Vor 20 Jahren hatten die russischen Streitkräfte die von ihnen als Krankenhaus für das Oberkommando im nahen Wünsdorf genutzte Anlage verlassen. Nun werden Interessenten für die alten Häuser gesucht. Wohnungen, Ateliers oder Gewerberäume könnten hier gebaut werden.

Schon vier Mal hat es gebrannt

„Wir sind gar nicht so weit ab vom Schuss, wie das vielleicht auf der Landkarte erscheint“, sagt der Stadtverordnete und Vorsitzende des Bau- und Umweltausschusses, Mario Hecker. „Bis zum Ku’damm sind es nur 35 Minuten, wobei auf der ganzen Strecke nur eine Ampel steht.“ Die Autobahnen A 13 aus Dresden und die A 113 aus Schönefeld machen das möglich.

Hecker öffnet das schwere Tor an der Buchholzer Straße, die direkt zur Autobahn führt. Die Eisenkonstruktion hält aber zusammen mit der Betonmauer ungebetene Gäste nicht von Erkundungsrundgängen ab, wie sich schon auf den ersten Schritten zeigt. „Sämtliches Metall ist aus den Häusern bereits weg“, sagt der Abgeordnete. „Außerdem hat es schon viermal gebrannt, so dass viele Dächer kaputt sind.“ Ein Loch in der Erde weist ziemlich frische Spuren auf. In knapp einem Meter Tiefe haben Diebe große Elektrokabel ausgegraben, die sie mit Metalldetektoren aufgespürt hatten.

Damit unterscheidet sich das Teupitzer Grundstück nicht von den vielen anderen Hinterlassenschaften der Roten Armee. 100 000 Hektar fielen nach dem russischen Truppenabzug ins Vermögen des Landes Brandenburg. 90 000 Hektar hat die Brandenburgische Bodengesellschaft seitdem verkauft. Die meisten der bisher nicht veräußerten Kasernen, Krankenhäuser, Flugplätze oder Tanklager befinden sich in großer Entfernung von Berlin, beispielsweise rund um Jüterbog, in Vogelsang bei Templin oder in der Nähe von Rathenow.

Halb verfallen, aber unter Denkmalschutz

In Teupitz aber mit seinem See, der Berlin-Nähe und der Nachbarschaft zum Flughafen in Schönefeld überrascht der Stillstand. „Wer nicht in den 1990er Jahren verkauft hatte, fiel danach in eine Delle in Ostdeutschland“, sucht der Abgeordnete Hecker nach einer Erklärung. „Erst jetzt nimmt die Nachfrage wieder zu. Wir sind deshalb durchaus optimistisch, einen Käufer zu finden.“ Schließlich habe es vor vielen Jahren ja auch mit einer Wohnungsbaugesellschaft oder der benachbarten Asklepios-Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie geklappt, die jeweils einen Teil der Häuser übernahmen.

Die jetzt auf Immobilienportalen im Internet und in überregionalen Zeitungen zum Verkauf angebotenen Häuser stehen trotz ihres desolaten Zustandes noch unter Denkmalschutz. Veränderungen sind also kaum möglich. Ausschlaggebend für den Denkmalschutz war nicht nur der Mustercharakter der „Irrenanstalt“ für folgende Klinikbauten. Immerhin hatte der Architekt Theodor Goecke in Teupitz das erste Psychiatriekrankenhaus im reinen Pavillonstil entworfen. Auch die tragische Rolle der Klinik im Euthanasie-Programm des NS-Regimes sollte nicht vergessen werden. Ein Gedenkstein außerhalb des Geländes weist darauf hin: „Im Nationalsozialismus lieferte die damalige Landesanstalt 1884 die ihr anvertrauten Patienten als lebensunwert dem Tode aus.“

Das ungenutzte Gelände kostet 20 000 Euro

Im Inneren der Gebäude erinnert kaum noch etwas an die Qualen und an das Leid der Insassen. Die Gitter vor den meisten Fenstern sind noch original, ebenso die schweren Holztüren mit einem Guckloch für die Aufseher. Die wurden selbst durch die Rote Armee nicht verändert. Auch Einwohner aus Teupitz waren hier zwischen 1945 und 1994 behandelt worden. „Mein Vater hatte sich mal heftig den Kopf gestoßen und wurde von russischen Ärzten wieder zusammengenäht“, erzählte Mario Hecker, der gleich gegenüber der Anstalt wohnt.

So wie es mal war, wird es wohl nie wieder sein. Eine originale Wiederherstellung des Ensembles mit 18 Gebäuden würde 64 Millionen Euro kosten. Das Land Brandenburg will das Gelände so schnell wie möglich verkaufen, bestätigte Finanzminister Christian Görke (Linke). 20 000 Euro koste das ungenutzte Terrain jährlich den Steuerzahler. 11 000 Euro verlange der Abwasserverband, 9000 Euro gingen an eine Wachschutzfirma. Außerdem trage jeder Tag noch weiter zum Verfall bei.

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