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Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte, die Genossen dürften keinen "Schiss" vor der großen Koalition haben.

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Update

Landesparteitag der SPD in Berlin: Gabriel: SPD darf keinen "Schiss" vor großer Koalition haben

Die Berliner SPD ist am Sonnabend zu ihrem Landesparteitag zusammen gekommen. Dabei wird auch das Ergebnis der Bundestagswahl ausgewertet. Sigmar Gabriel warnt vor einer Selbstdemontage der SPD.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß hat am Sonnabend dafür geworben, auf Bundesebene die Zusammenarbeit mit der Linken zu suchen. "Es darf nie wieder dazu kommen, dass wir vor einer Bundestagswahl sagen, dass wir nicht mit der Linken über ein Regierungsbündnis reden", sagte er auf einem Landesparteitag der Sozialdemokraten, auf dem der Parteichef Sigmar Gabriel als Gastredner anwesend war. Da komme Arbeit auf die SPD zu, so Stöß. Aber auch auf die Linke, für die bisher immer noch die SPD der Hauptgegner sei. "Da muss sich was ändern."

Jan Stöß will Koalitionsvertrag genau prüfen

Für Stöß ist die große Koalition im Bund auch noch nicht ausgemachte Sache. "Das ist nicht ausgestanden, was am Ende des Weges der Koalitionsverhandlungen steht", sagte er in seiner Eröffnungsrede. Im Dezember "werden wir uns das Ergebnis sehr genau ansehen". Stöß bekam für diese Aussagen viel Beifall von den Berliner Delegierten - aber nicht von Gabriel, der vorn ohne jede Regung zuhörte.

Die SPD müsse am Ende ergebnisoffen diskutieren, ob sich die Partei mit ihrem Programm im Koalitionsvertrag ausreichend wiederfinde, so Stöß. 2017 jedenfalls müsse es anders aussehen. "Dann müssen wir wieder gestaltende Kraft werden und die Kanzlerin oder den Kanzler stellen."

Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß will ein Linksbündnis auf Bundesebene.
Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß will ein Linksbündnis auf Bundesebene.

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Sigmar Gabriel lobt Rekommunalisierung in Berlin

Parteichef Gabriel stimmte Stöß zunächst einmal "in allen Punkten zu, was für Jan Stöß sicher ein neues Erlebnis ist". Aber es sei schon so, dass die deutschen Sozialdemokraten ihre Politik auf den Prüfstand stellen müssten. "Wir müssen prüfen, ob wir alle unsere Gewissheiten aufrechterhalten können".

Gabriel lobte ausdrücklich die Politik der Rekommunalisierung, die von den Berliner Genossen seit 2010 aktiv verfolgt wird. Die SPD müsse bundesweit die Fehler der früheren Privatisierungspolitik korrigieren und öffentliche Güter zurückholen. "Wir wollen wieder Frau und Herr in der eigenen Stadt sein." Was die Berliner SPD mache, könne "ein bisschen beispielgebend für das sein, was wir auch in anderen Teilen Deutschlands machen müssen", sagte Gabriel.

Gabriel pflichtete dem Berliner Parteifreund Stöß übrigens auch in der Forderung bei, den Dialog mit der Linken zu suchen. Es sei eine Legende, "es ist albern", dass es prinzipielle Gründe dagegen gebe. "Wir hatten vor der Wahl nur inhaltliche Gründe, Nein zu sagen." Und wenn sich an den inhaltlichen Unterschieden bis zur nächsten Bundestagswahl nichts ändere, so Gabriel, werde es auch kein Bündnis mit der Linken geben können. Trotzdem müsse die SPD natürlich das Bündnis mit undogmatischen Linken und mit den Grünen suchen. Auch deshalb, weil im Bund die Option schwarz-grüner Zusammenarbeit ernst genommen werden müsse. Rot-Rot-Grün sei "keine Gewissheit, das sollte auch den Gegnern der großen Koalition klar sein", mahnte der Parteichef.

Sigmar Gabriel will SPD-Identität in Koalitionsverhandlungen nicht verraten

Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU sicherte Gabriel den Genossen zu, dass die SPD "die eigene Identität nicht verraten" werde. Ansonsten brauche die Partei gar nicht anzutreten. Allerdings werde Angela Merkel wohl nicht dazu bewegt werden können, das sozialdemokratische Parteiprogramm unten rechts zu unterschreiben. "Könnte es sich die SPD wirklich leisten, alles oder nichts zu sagen", fragte Gabriel. Auf den Zwischenruf: Ja! reagierte er kühl. Da sei er anderer Meinung. "Wir sind doch nicht Sozialdemokraten, damit wir uns miteinander wohlfühlen", sagte er. Die SPD werde nicht warten können, bis der Rest der Welt zu ihr komme, um zu erkennen, "wie gut und klug wird sind, da können wir lange warten."

Gabriel riet den Parteifreunden auf dem Landesparteitag in Berlin zu großer Nachdenklichkeit. "Die deutsche Sozialdemokratie steht an einer Schwelle, die über ihr Schicksal in den nächsten 20 bis 30 Jahren entscheidet." Der Mitgliederentscheid zum Ergebnis der Koalitionsgespräche sei ein "Riesenexperiment", aber dieser Prozess werde eine einigende Wirkung haben. "Die SPD darf nicht gespalten sein." Jetzt gebe es sogar in der CDU Diskussionen, warum dort die Mitglieder nicht mitentscheiden dürften. "Da frage ich: Why not?" Nein sagen dürfe die SPD am Ende nur, wenn es wirklich gute Gründe dafür gebe. Natürlich könne sich die SPD nicht selbst dementieren. "Aber wir wären doch verrückt, wenn wir Schwarz-Rot nicht versuchen, wenn es uns gelingt, gewichtige Teile unserer Programmatik durchzusetzen", sagte Gabriel. Wenn es aber so sei, dass die SPD "nur Schiss" vor der großen Koalition habe, seien bei der nächsten Wahl "20 Prozent nicht die untere Grenze".

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