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Auch er war mal Berliner. Der U.S.-Bürgerrechtler W.E.B. Du Bois (1918).

©  Wikipedia

Vordenker der schwarzen Bürgerrechtsbewegung: Gedenktafel für den US-Soziologen W.E.B. Du Bois

Der Bewunderer Bismarcks hatte Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin und Heidelberg studiert. Rassismus hat er hier nicht erlebt.

Dieser Bart! Die Spitzen gewachst und gezwirbelt, der Kaiser konnte es nicht besser. Und dabei stammt die Aufnahme des schwarzen Bürgerrechtlers William E. B. Du Bois von 1918, als er schon lange nicht mehr in Berlin lebte und der Stern Wilhelms II. und mit ihm die Wertschätzung seiner Barttracht rapide sank. Nun gut, der ergänzende Kinnbart ging eher in Richtung Friedrich Ebert, aber hatte Du Bois von dem damals schon gehört?

Ohnehin wäre ein Bismarckscher Walrossschnäuzer eher zu erwarten gewesen, war der frühere Reichskanzler doch das bewunderte Vorbild des Mannes aus Massachusetts, wie Du Bois in seiner Autobiografie bekannte: „Er formte aus einer Masse sich zankender Völker eine Nation. Er dominierte mit seiner Kraft die gesamte Entwicklung dorthin, bis er in Versailles einen Kaiser krönen konnte. Er ließ mich ahnen, was die amerikanischen Schwarzen tun müssen: mit Kraft und Entschlossenheit unter fähiger Führung voranmarschieren.“

In der Oranienstraße hat Du Bois einige Monate gewohnt

In den USA löste es 2017 eine Welle des Spotts aus, als das U.S. Department of Education – eine der ersten Fauxpas-Aktionen der Trump-Administration – in einem ihn zitierenden Tweet seinen Namen falsch schrieb: W. E. B. DeBois. Hierzulande gehört der Name nicht gerade zum Allgemeinwissen, aber ganz vergessen wird er in Berlin künftig nicht sein. An diesem Dienstag, 14 Uhr, wird in der Oranienstraße 130 eine „Berliner Gedenktafel“ für den Bürgerrechtler enthüllt, veranstaltet von der Senatskulturverwaltung und der Historischen Kommission. Hier in Kreuzberg hat er während seiner drei Semester an der Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, 1892-94 einige Monate gewohnt.

Den ungewöhnlichen Namen hatte Du Bois von Vorfahren väterlicherseits geerbt, haitianischen Sklaven aus der Zeit der französischen Kolonialherrschaft. Er selbst war als Sohn einer seit Langem freien Familie 1868 geboren worden – ein ebenso ehrgeiziger wie begabter junger Mann, der erst an der schwarzen Fisk University in Nashville studierte, wo er sich schon für Bismarck begeisterte, und 1895 in Harvard über transatlantischen Sklavenhandel promovierte – als erster Schwarzer. Dazwischen lagen drei Semester in Berlin und ein weiteres in Heidelberg. Du Bois hatte ein Stipendium des John F. Slater Fund for the Education of Freedmen erhalten, der die Bildung von Afroamerikanern unterstützte.

Die Lübecker fand er neugierig

Was heute leider kaum mehr vorstellbar ist: Rassismus hat er hier nie erfahren. Auf dem Lübecker Markt sei er einmal angestarrt worden, kommentierte das nur mit „Was sind die Lübecker doch neugierig“. In Berlin hatte er so etwas nicht zu beklagen: „Da waren Weiße – Studierende, Bekannte, Lehrer –, die die Gegenwart mit mir erlebten. Sie betrachteten mich nicht als Abnormität oder als Untermenschen. Ich war nur ein etwas privilegierter Student, den sie froh waren zu treffen und mit dem sie über Gott und die Welt, besonders über die Welt, aus der ich kam, reden konnten.“ Nur das Uni-Leben irritierte ihn ein wenig: „In den Hörsälen nehmen die Studenten zum Inhalt der Vorlesungen hauptsächlich mithilfe ihrer Füße Stellung: Scharren bedeutet Missbilligung, Trampeln bedeutet Beifall.“

An den beiden Universitäten hörte Du Bois Professoren wie Heinrich von Treitschke und Max Weber – ihm selbst aber blieb, zurück in den USA, trotz glänzender Zeugnisse diese Laufbahn als Schwarzer vorerst versagt. Er musste als Lehrer arbeiten, übernahm Forschungsaufträge, setzte sich dann aber doch mit seiner Arbeit „The Philadelphia Negro“ 1896 als schwarzer Soziologe durch. Sein Hauptwerk „The Souls of Black Folk“ 1903 wurde zum Bestseller und er selbst zu einem Vordenker der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, so 1909 als einer der Gründer der noch heute bestehenden „National Association for the Advancement of Colored People“.

Mit 93 Jahren siedelte Du Bois nach Ghana um, wo er am 27. August 1963 starb – genau einen Tag vor Martin Luther Kings berühmter Rede „I have a Dream“.

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