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Joggen, Radfahren und Schwimmen lassen sich leicht in den Alltag integrieren.

© dpa

Gesundheitsfördernder Sport: Lieber Bewegung als Schmerztabletten

Welche Sportarten sind besonders gesundheitsfördernd? Ein Gespräch mit Thomas Härtel, dem neuen Präsident des Landessportbundes Berlin.

Mit Präventiv- und Rehasport kennt sich Thomas Härtel aus. Der 67-Jährige kümmerte sich bereits Mitte der 90er Jahre als Bezirksstadtrat in Steglitz um Bildung, Kultur, Jugend und Sport, später war er Staatssekretär in der von Klaus Böger geführten Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport. Der gebürtige Berliner war viele Jahre Vorsitzender des Berliner Familienbeirates und Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbandes, seit 2015 auch Mitglied des Vorstands der Stiftung SPI der Arbeiterwohlfahrt Berlin. Im November 2018 wurde er zum Präsidenten des Landessportbundes gewählt, der über 660 000 Mitglieder zählt.

Was verstehen Sie unter „gesundheitsförderndem Sport“? Zählt Handball dazu?

Jede Art regelmäßiger Bewegung tut dem Körper zunächst einmal gut. Also auch Handball. Aber gesundheitsfördernder Sport meint Angebote, die uns gesund erhalten sollen. Sie stärken gezielt Ausdauer, Beweglichkeit, Kraft und unterstützen das Herz-Kreislauf-System. Gleichzeitig sind sie so gewählt, dass das Risiko, sich zu verletzen oder zu überlasten, praktisch ausgeschlossen ist. Leistung oder Wettbewerb spielen explizit keine Rolle. Es geht darum, sich regelmäßig und mit Freude zu bewegen.

Kommen gesundheitsfördernde Sportangebote eher für Ältere infrage, die sich nicht mehr so stark verausgaben können und ein erhöhtes Verletzungsrisiko haben?

Nein, Gesundheitssport ist generationsübergreifend. Beim Präventionssport geht es darum, die Gesundheit zu unterstützen und Beschwerden wie Herzerkrankungen oder Krebs vorzubeugen. Zielgruppe können durchaus Jüngere sein, die fit bleiben möchten für Beruf und Familie. Rehasport ist auf Menschen ausgerichtet, die schon Beeinträchtigungen aufweisen, etwa Herzinfarkt, Bandscheibenvorfall oder Krebs. Hier geht es darum, Folgeschäden zu verhindern oder zu begrenzen und ein erneutes Auftreten der Erkrankung zu vermeiden. Wer von Arzt oder Ärztin eine Verordnung für Rehasport erhält, bekommt die Teilnahme an anerkannten Sportangeboten von der Kasse bezahlt. Das ist gesetzlich verankert. Bei Rehasport sollte man also nicht zögern. Das gilt selbstverständlich auch für Jüngere nach Erkrankung oder Unfall.

Welche Sportarten sind die besten, um die Gesundheit dauerhaft zu fördern?

Laufen, Schwimmen, Radfahren. Das sind niederschwellige Sportarten, die gut in den Alltag integrierbar sind und für die es (fast) keine Ausreden gibt. Man muss sich in keinem Verein anmelden, kein Geld ausgeben. Joggen und Radfahren lässt sich in der Natur. Selbst fürs Schwimmen braucht es im Sommer kein Frei. oder Hallenbad, dafür bieten sich auch die Berliner Seen an. Die Sportarten sind in unterschiedlicher Intensität für jede Generation geeignet. Wer nicht mehr so fit ist, kann auch spazieren gehen oder walken statt zu joggen, dabei die Luft genießen und die mentale Gesundheit stärken.

Thomas Härtel

© Thilo Rückeis

Wie halten Sie sich selbst fit und gesund?

Ich gehe drei Mal pro Woche 45 Minuten joggen in meiner Nachbarschaft und samstags mit Freunden an Schlachtensee und Krummer Lanke. In der Gemeinschaft macht es noch mehr Spaß. Ich fühle mich danach munter und leistungsfähig. Wenn es zeitlich mal nicht funktioniert, vermisse ich den Sport schon sehr.

Wo finde ich Unterstützung, wenn ich der gesellige Typ bin und lieber Sport in Gemeinschaft machen möchte? Bieten Berliner Vereine auch Gesundheitssport an?

In Berlin gibt es 250 Vereine, die unter fachlich qualifizierter Leitung Gesundheitssport anbieten, als Reha- oder Präventionssport. Für den Rehasport gilt die Bezeichnung „anerkannte Rehasportgruppe“ als Qualitätsnachweis. Es müssen Kriterien erfüllt sein wie qualifizierte Übungsleitung, Gruppengröße, Räumlichkeiten. Derzeit gibt es in Berlin über 3300 zertifizierte Angebote.

Und im Präventionssport?

Da hilft das Qualitätssiegel „Sport pro Gesundheit“ weiter. Der Deutsche Olympische Sportbund hat es mit der Bundesärztekammer entwickelt. Es wird vergeben an Kursangebote der Sportvereine, die über einige Monate nach einem Programm durchgeführt werden. Derzeit gibt es gut 100 dieser Kurse.

Wie bewegungsfreudig und gesund sind die Berliner? Gibt es Untersuchungen?

Laut einer Sportverhaltensstudie des Senats bezeichnen sich über 75 Prozent als bewegungsaktiv. Das sagt natürlich noch nichts über die tatsächliche regelmäßige körperliche Aktivität aus. Ich denke aber, dass wir – Landessportbund, Vereine, Ärzte – noch mehr unternehmen können, um für Gesundheitssport zu motivieren.

Wie kann das gelingen?

Mit anderen Einrichtungen haben wir etwa das „Rezept für Bewegung“ ins Leben gerufen. Ein Arzt kann den Patienten nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich raten, sich mehr zu bewegen. Hat der Patient erstmal einen Zettel in der Hand, ist die Motivation vielleicht größer. Auf diesem Rezept kann der Arzt Empfehlungen aussprechen und Hinweise zu Erkrankungen vermerken, die der Übungsleiter erhält. Noch wird das Rezept zu wenig angenommen. Ärzte müssen dazu wissen, welche Angebote Vereine in Wohnortnähe anbieten. Da haben die Vereine auch eine Bringschuld. Andererseits muss es bei Ärzten ein Bewusstsein geben, dass es besser ist, Patienten Bewegung statt Schmerztabletten zu verschreiben.

Was muss geschehen, damit Berliner noch mehr Freude daran finden, sich in ihrer Stadt zu bewegen und gesund zu halten?

Es wäre gut, wenn es in Parks noch mehr Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung gäbe. Auch Spielplätze müssen generationsübergreifend gestaltet sein. Hier ließen sich Klimmzüge oder Gleichgewichtsübungen machen. Der Park am Gleisdreieck ist ein gutes Vorbild. Mehr Fahrradschnellwege wären förderlich. Leider wurden viele Bäder geschlossen. Die, die noch da sind, haben nicht immer verlässliche Öffnungszeiten. Insgesamt ist die Stadtentwicklung noch mehr gefordert. Wir müssen nicht nur Abgase vermeiden, sondern auch mehr Bewegung ermöglichen.

Das Gespräch führte Julia Bernewasser. Diesen Interview finden Sie auch im aktuellen Gesundheitsratgeber „Tagesspiegel Vorsorge und Reha“. Er kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel- Shop, www.tagesspiegel.de/shop. Tel. 29021-520 sowie im Zeitschriftenhandel. Die Angebote des Gesundheitssports mit nachweislich qualifizierter Leitung findet man in der aktuellen Ausgabe der Gesundheitssportbroschüre 2018/19. Sie ist kostenfrei zu bestellen beim beim Landessportbund und liegt in Praxen aus. Die Angebote sind auch online unter lsb-berlin.de.

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