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Gewalt gegen BVG-Personal: Therapie für Opfer aus Bus und Bahn

BVG-Fahrer, die angegriffen werden, leiden anschließend häufig an einem Trauma. Rund 100 Vorfälle gab es im letzten Jahr. Viele Fahrer melden schon gar nicht mehr, wenn sie beschimpft werden.

Berlin - Der Angriff kam unerwartet. Der 50-jährige Busfahrer der Linie M 45 wollte am Mittwochabend gegen 20 Uhr vom Hardenbergplatz aus kommend rechts in die Hardenbergstraße einbiegen, als ihn plötzlich ein Radfahrer überholte und er stark abbremsen musste. Als er den Radler durch das geöffnete Fenster seiner Fahrerkabine ansprach und ihn auf sein Fehlverhalten aufmerksam machte, erhielt er einen Faustschlag ins Gesicht. Der Radler flüchtete. Der Busfahrer musste abgelöst werden. Noch schlimmer traf es in der Nacht zu Pfingstmontag einen U-Bahnfahrer am Bahnhof Hallesches Tor. Nachdem er durchgesagt hatte, der Zugverkehr sei wegen einer Störung kurzzeitig unterbrochen, pöbelte ihn ein Mann an, der ihm kurz darauf eine Bierflasche ins Gesicht schlug.

Die Platzwunde am Kopf, die der 53-jährige Fahrer erlitt, kann zwar in kurzer Zeit verheilen; die Folgen für Opfer solcher Gewalttaten können aber bedeutend schwerwiegender sein, sagt Professor Götz Mundle, Chefarzt der Oberbergklinik Berlin-Brandenburg in Wendisch Rietz. In seiner südöstlich von Berlin, am Scharmützelsee liegenden Klinik werden unter anderem Menschen behandelt, die während der Berufsausübung verletzt wurden. Polizisten beispielsweise, Lehrer, die von Schülern attackiert wurden – oder eben BVG-Fahrer.

So ein Angriff kann dazu führen, dass ein Fahrer die akuten Stresssymptome nach einer Attacke nicht abbauen kann und sich in einer chronischen Bedrohungssituation befindet. Mundle spricht von einer posttraumatischen Belastungsstörung. „Für den Körper ist das chronischer Stress“, sagt Mundle. Schlafstörungen, Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Depressionen oder Angststörungen können die Folgen sein. Manche Menschen flüchten sich in Alkohol oder Medikamente. Die Leistungsfähigkeit ist vermindert. In schwerwiegenden Fällen kann dies sogar bis zur Berufsunfähigkeit führen. Die Behandlung in der Klinik dauert in der Regel sechs bis acht Wochen, darauf folgt meist eine ambulante Therapie, die bis zu einem Jahr dauern kann. Die Patienten lernen dabei, mit Angstsituationen umzugehen.

Rund 100 Gewaltvorfälle gab es bereits in diesem Jahr gegen BVG-Mitarbeiter, in 26 Fällen waren die Busfahrer danach arbeitsunfähig, sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak. U-Bahnfahrer waren bisher zehn Mal Ziel von Angriffen. Tendenziell ist nach Wazlaks Angaben zwar die Zahl der Tätlichkeiten leicht zurückgegangen, aber die Schwere der Vorfälle sei weiter auf hohem Niveau. „Die Gewaltbereitschaft ist hoch“, sagt Wazlak. Dazu komme für die Fahrer auch, dass die Aggressivität der Fahrgäste zunehme. Viele Fahrer meldeten es nicht einmal mehr, wenn sie beschimpft und angespuckt werden. Von einer zunehmenden aggressiven Grundstimmung, die belastend sei, berichtet auch Professor Mundle. Für die Fahrer könne das eine ständige innere Anspannung bedeuten.

Die Verkehrsbetriebe wollen ihre Fahrer auch darauf vorbereiten, mit bestimmten Aggressionen umzugehen, einmal jährlich müssen Busfahrer inzwischen zum Deeskalationstraining. Und: Alle 1300 BVG-Busse sind jetzt hinter dem Fahrersitz mit einer Sicherheitsscheibe ausgestattet. Einen Faustschlag von vorne oder einen Flaschenwurf von der Seite kann sie allerdings nicht abhalten.

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